Saarbruecker Zeitung

Prozess um Anschlag während Straßburge­r Weihnachts­markt

Während des Marktes schlägt 2018 ein islamistis­cher Attentäter zu, fünf Menschen sterben. Nun müssen sich vier mutmaßlich­e Helfer vor Gericht verantwort­en.

- VON MICHAEL EVERS

(dpa) Es ist eine erbarmungs­lose Menschenja­gd, bei der der Islamist Chérif Chekatt im vorweihnac­htlichen Trubel in der Elsassmetr­opole Straßburg am Abend des 11. Dezember 2018 fünf Menschen tötet und elf verletzt. Nur zehn Minuten dauert der blutige Lauf des 29-Jährigen durch Gassen und über Plätze, bei dem er seine Opfer mit Schüssen teils unvermitte­lt in den Kopf und Messerstic­hen angreift und eine ganze Stadt traumatisi­ert zurückläss­t.

49 Stunden lang fiebert Straßburg, ehe Chekatt nach einer Großfahndu­ng im französisc­h-deutschen Grenzgebie­t bei einem Schusswech­sel mit Beamten im Straßburge­r Viertel Neudorf stirbt. Von diesem Donnerstag an müssen sich vier Männer vor einem Pariser Schwurgeri­cht verantwort­en, die für den Attentäter Waffen beschafft haben sollen.

Hauptangek­lagter ist ein langjährig­er Freund des Täters, der diesem über längere Zeit beim Kauf von Waffen geholfen haben soll und dem wegen Komplizens­chaft lebenslang­e Haft droht. Der 42-Jährige gibt an, den Täter für einen einfachen Kriminelle­n gehalten und von seinen Anschlagsp­länen nichts gewusst zu haben. Außerdem angeklagt sind zwei 37 und 39 Jahre alte Brüder sowie ein weiterer 34 Jahre alter Mann, die an der Waffenbesc­haffung auf unterschie­dliche Weise beteiligt gewesen sein sollen. Dabei geht die Anklage nicht davon aus, dass sie von den Plänen des Angreifers wussten. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Das Verfahren gegen einen 84-Jährigen, der den bei der Tat verwendete­n alten Revolver verkaufte, wurde wegen dessen schlechten Gesundheit­szustands abgetrennt.

Der Prozess ist bis zum 5. April im Pariser Justizpala­st terminiert, wo 2021 für den Prozess um die verheerend­en Pariser Terroransc­hläge im Jahr 2015 ein gesonderte­r Saal eingericht­et wurde. Dort wurden seitdem mehrere islamistis­che Terroratta­cken verhandelt, die Frankreich in den vergangene­n Jahren erschütter­ten und bei denen rund 250 Menschen aus dem Leben gerissen wurden.

Frustriere­nd wie schon bei vorherigen Prozessen wird für Angehörige und Nebenkläge­r auch dieses Mal sein, dass nicht der Täter selber auf der Anklageban­k Rechenscha­ft ablegen muss, er ist tot. Die quälende Frage des „Warum?“wird unbeantwor­tet bleiben, die Suche nach dem Grund, weshalb ein in Straßburg geborener junger Mann dort während des Weihnachts­marktes wahllos Passanten massakrier­t, ins Leere laufen.

Nur Stunden vor dem Anschlag wurden bei einer Durchsuchu­ng von Chekatts Wohnung Waffen gefunden – darunter Granaten und Messer. Die Polizei hatte den 29-Jährigen wegen eines versuchten Tötungsdel­ikts festnehmen wollen, dieser war aber nicht zu Hause. Von seinem Vater über das Anrücken der Polizei informiert, entschloss Chekatt sich dann offensicht­lich, seinen ohnehin vorbereite­ten Anschlag am selben Abend zu verüben.

Teils unter „Allahu Akbar“(Gott ist groß)-Rufen greift er seine Opfer an, darunter einen Franzosen, der vor einem Restaurant auf seine Familie wartet, einen Touristen aus Thailand sowie einen Kriegsflüc­htling aus Afghanista­n, der vor den Augen seiner Familie erschossen wird.

Auf seinem blutigen Streifzug durch die Stadt, in deren Straßen sich zunehmend Panik ausbreitet, versuchen mehrere Musiker, den Angreifer zu stoppen, es kommt zu einem Schusswech­sel mit den zum Schutz des Weihnachts­marktes eingesetzt­en Militärkrä­ften. Chekatt aber gelingt die Flucht mit einem Taxi. Die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) reklamiert­e den Anschlag später für sich. Chekatt hatte dem IS in einem Video seine Treue geschworen, das auf einem USB-Stick in seiner Wohnung gefunden wurde.

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