Deutsch-französisches Drama um Kriegsrisiko
Der Kanzler hat sich erklärt. Hat erklärt, warum er bislang keine Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine liefern lassen will. Deutsche Soldaten dürften an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein, begründete er am Montag erstmals öffentlich seine Ablehnung. Auch nicht in Deutschland, fügte er hinzu. Aus seiner Sicht wäre der Einsatz von Taurus aber nur unter Beteiligung des eigenen deutschen Personals möglich. Deshalb stehe dies derzeit nicht auf der Tagesordnung.
Scholz hatte in der Vergangenheit stets betont, dass Kriterium für die Lieferung von Waffen immer sei, dass diese eng mit den USA abgestimmt sein müsse, die ebenfalls keine Marschflugkörper lieferten – anders als Frankreich und Großbritannien. Zudem dürfe die Nato selbst nie Kriegspartei werden. Und Deutschland eben auch nicht. Für Scholz stellt also eine Programmierung der Marschflugkörper eine Beteiligung von deutschen Soldaten an diesem Krieg dar. Und dies hat er immer ausgeschlossen.
Über die Entscheidung von Scholz kann man nun trefflich streiten, seine Gründe richtig oder falsch finden. Dass die geschundene Ukraine alle Waffen fordert, die ihr helfen, ihr Land zu verteidigen, ist legitim und mehr als verständlich. Dass ein Kanzler aber eine Entscheidung für sein eigenes Land trifft, ebenfalls. Ist Scholz in der Ukraine-Politik nun zögerlich oder besonnen vorgegangen?
Die große Unterstützung, die die Ukraine-Hilfen in Deutschland immer noch erfahren, ist eher ein Beweis dafür, dass Scholz Einschätzung richtig ist. Denn die Angst, dass Deutschland in den Krieg mit hineingezogen wird, wird nicht nur von den extrem rechten oder linken Kräften verbreitet. Ein mulmiges Gefühl haben auch viele Menschen in der Mitte der Gesellschaft.
Doch die Klarstellung von Scholz wurde überschattet von erneuten Misstönen zwischen Deutschland und Frankreich. Während Scholz der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern erneut eine Absage erteilte, kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron mit großer Geste einen Tabubruch an. Der französische Präsident schloss den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht aus, nimmt damit das Risiko einer Eskalation des Konflikts mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Kauf. Und kündigt obendrein eine Koalition für Marschflugkörper und Bomben mittlerer und langer Reichweite an.
Die Konflikte zwischen Berlin und Paris wurden damit mehr als deutlich. Auch wenn dem Franzosen wahrscheinlich eher Ausbilder statt Bodentruppen vorschweben – Macron überdeckt damit auch, dass Frankreich bei der Unterstützung der Ukraine innerhalb der europäischen Partner nicht auf den vordersten Plätzen liegt. In Deutschland jedoch war der Flurschaden am Dienstag groß. Vom Kanzler bis zum Verteidigungsminister über Parteichefs der Ampel und Bundestagsabgeordnete:
Alle betonten einhellig, dass der französische Präsident mit seinen Vorstellungen alleine dastünde. Dem Versuch von Scholz, das Kriegsrisiko für Europa zu minimieren, hat Macron einen Bärendienst erwiesen.