IT-Konzerne werden bei KI ein Wachstumshemmnis
Künstliche Intelligenz ist in der Wirtschaft noch nicht so recht angekommen. Der Grund liegt ausgerechnet im Erfolg und der Marktmacht großer IT-Konzerne.
Darin sind sich die meisten Experten einig: Künstliche Intelligenz (KI) wird wie keine Technik zuvor die Welt verändern. Computerprogramme wie ChatGPT, Dall-E und Lamda können Texte schreiben, Präsentationen erarbeiten, Designstudien erstellen, Musik komponieren oder Software entwickeln. Nie schafften es Maschinen besser, die geistigen Fähigkeiten des Menschen zu imitieren. Entsprechend drastisch sind die Folgen für die Wirtschaft.
Eine aktuelle Studie der US-Investmentbank Goldman Sachs schätzt, dass rund ein Fünftel aller Jobs in den entwickelten Volkswirtschaften künftig wegfallen könnten. KI hat das Potenzial, zwei von drei Arbeitsplätzen zu ersetzen. Das Welt-Bruttoinlandsprodukt könnte um sieben Prozentpunkte jährlich wachsen – statt der bisherigen drei bis vier Prozent. Sind die derzeit möglichen KI-Systeme weltweit integriert, ist ein Schub von 16 Prozent beim Weltsozialprodukt möglich, schätzen die Experten des Internationalen Währungsfonds.
Das alles klingt nach einer dritten industriellen Revolution. Doch angekommen ist in der Wirtschaft noch wenig. In allen Industrieländern schwächt sich das Produktivitätswachstum seit Jahrzehnten ab. Wuchs der „Output“je Beschäftigtenstunde in den 1950er- und 60er-Jahren in den USA noch um gut 2,6 Prozent pro Jahr, sind es seit 2006 nur 0,9 Prozent. In Westeuropa ist der Rückgang noch drastischer. Hier stieg die Arbeitsproduktivität nach dem Krieg jährlich um fast fünf Prozent, während der Zuwachs heute bei einem halben Prozent liegt.
Der Sachverständigenrat Wirtschaft schätzt das Wachstum des Produktionspotenzials in Deutschland bis 2070 gerade einmal auf 0,7 Prozent jährlich. Die Rate des technischen Fortschritts beträgt nur 0,3 Prozent.
Schon spricht das britische Wirtschaftsmagazin Economist davon, dass KI ein „Rohrkrepierer“sei. Auch deutsche Spezialisten warnen vor übertriebenen Hoffnungen. „Nach einer stürmischen Entwicklung der KI in den vergangenen zehn Jahren hat in der Industrie eher eine Pause eingesetzt“, meint Christian Rammer, Vizechef des ZEW-Forschungsbereichs Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik in Mannheim. Die Zahl der Unternehmen, die KI einsetzen, so Rammer, gehe kaum über elf, zwölf Prozent hinaus.
Gleichwohl verändert KI die Produktionsprozesse und die Produktentwicklung wie nur wenige Technologien vor ihr. ZEW-Forscher Rammer verweist auf das autonome Fahren in der Autoindustrie, das ohne KI unmöglich wäre. Auch bei Finanzdienstleistungen und im Maschinenbau sind KI-Systeme nicht mehr wegzudenken.
Ein wesentliches Hemmnis kommt hinzu: Die Großen der Branche wie Microsoft, Google und Apple verdienen ihr Geld mit Plattformen. Ein solches System ist umso wertvoller, desto mehr Menschen daran teilnehmen – das nennt man Netzwerkeffekt. Dieser begünstigt die Herausbildung großer Konzerne mit starker Marktmacht. Der niederländische Ökonom Maarten de Ridder hat gerade in einem Artikel für die „American Economic Review“die Marktmacht der IT-Riesen als Hemmnis für eine schnellere Entwicklung ausgemacht. Wenn sich technisch schlechtere Lösungen dank der Umsetzungsgeschwindigkeit und der Marktmacht der Großen durchsetzen, bleibt bei denen viel Geld hängen. Innovative Nachahmer und Start-ups aber kommen kaum zum Zuge und können die Technologie nicht schnell genug verbreiten. Diese Beobachtung hat auch der ZEW-Ökonom Rammer gemacht. Es sei ein Ergebnis der Netzwerkökonomie. Da könne niemand aussteigen, ohne seine Existenz zu riskieren, selbst wenn er ein besseres Produkt habe.
Der niederländische Ökonom de Ridder empfiehlt daher, den Zugang zu diesen Technologien offenzuhalten. Insbesondere Regulierungsbehörden sollten den Eintritt von Marktneulingen erzwingen können.
DasAWirtschaftsmagazin EconomistAbezeichnetAKI alsA„Rohrkrepierer“.