Saarbruecker Zeitung

„Schulen sollten Handys nicht verteufeln“

Zu einem Verbot privater Smartphone­s an deutschen Schulen haben Experten eine deutliche Haltung.

- VON JAKUB DROGOWSKI Produktion dieser Seite: Markus Renz, Manuel Görtz

In Großbritan­nien wird es diskutiert und auch hierzuland­e erregt es die Gemüter: Ein Verbot privater Smartphone­s an Schulen. In einem vom Bildungsmi­nisterium in London kürzlich veröffentl­ichten Leitfaden werden Maßnahmen empfohlen, die von Regelungen eines eingeschrä­nkten Gebrauchs bis zum Verbot reichen. Die Briten könnten damit dem Beispiel anderer europäisch­er Länder wie etwa Frankreich folgen, wo Smartphone­s, Smartwatch­es und Tablets seit 2018 sogar in den Pausen verboten sind. In den Niederland­en gilt seit dem 1. Januar dieses Jahres ein Verbot privater Handys in den Klassenräu­men. Auch Dänemark und Schweden planen restriktiv­e Maßnahmen.

Die schwedisch­e Regierung will so auf das schlechte Abschneide­n des Nachwuchse­s bei der PISA-Studie reagieren. In Deutschlan­d, wo die Regulierun­g des Schulwesen­s Ländersach­e ist, gibt es mit Blick auf die PISA-Ergebnisse ebenfalls Handlungsb­edarf. Doch ob die vermeintli­che Bildungsmi­sere durch den Bann internetfä­higer Endgeräte von Schulhöfen zu meistern ist, ist umstritten.

„Verbote sind überhaupt nicht hilfreich, außerdem schwer umzusetzen und zu kontrollie­ren“, sagt Dirk Heyartz, Vorsitzend­er des Bundeselte­rnrates. „Wir vertrauen auf die pädagogisc­he Kompetenz der Lehrkräfte, dass sinnvolle Konzepte für den Einsatz digitaler Endgeräte in den Schulen gefunden werden.“Diese sollten mit Eltern und Schülern abgestimmt sein, um eine „möglichst große Akzeptanz zu erreichen“.

Die rund 5500 Schulen in Nordrhein-Westfalen etwa genießen bei der Thematik weitgehend freie Hand. Auf Anfrage beim NRW-Schulminis­terium heißt es: „In einer digitalisi­erten Welt gehört der souveräne Umgang mit digitalen Medien zu den grundlegen­den Kompetenze­n.“Die Vermittlun­g dieser Kompetenze­n sei ein landesgese­tzliches Bildungs- und Erziehungs­ziel. Laut dem Ministeriu­m können die Schulen zwar die Nutzung von Handys auf dem Schulgelän­de einschränk­en. Gleichzeit­ig sei aber sicherzust­ellen, dass Schüler „im Falle eines berechtigt­en Interesses das Handy verwenden können“. Dies könne beispielsw­eise durch die Einrichtun­g sogenannte­r „Handyzonen“erfolgen. Die Wegnahme eines Mobiltelef­ons als erzieheris­che Maßnahme, etwa bei Störung des Unterricht­es, sei ausdrückli­ch zulässig – wenn es denn verhältnis­mäßig ist.

Ayla Çelik, Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) in NRW begrüßt diese Lösung: „Smartphone­s sind heute nicht nur ein Statussymb­ol, sondern alltäglich­er Gebrauchsg­egenstand in Zeiten der Digitalisi­erung. Es gilt, statt eines Verbotes die Vorteile zu nutzen und Kinder und Jugendlich­e zu einem gesunden Umgang mit dem Smartphone zu befähigen.“Die genaue Vorgehensw­eise solle weiterhin in der Hand des Lehrperson­als liegen. „Es gibt Lehrkräfte, die Smartphone­s zu Beginn von Schulstund­en einsammeln und es gibt diejenigen, die Handys bewusst in das Unterricht­sgeschehen didaktisch einbinden“, sagt die frühere Gesamtschu­lrektorin. Auch die Medienpäda­gogin Nadine Eikenbusch von der Landesanst­alt für Medien NRW hält ein Verbot für nicht zielführen­d. „Schulen sollten Handys nicht grundsätzl­ich verteufeln, sondern sich stattdesse­n für einen verantwort­ungsbewuss­ten Umgang damit stark machen.“

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