Saarbruecker Zeitung

Entscheidu­ng über Millionen-Pläne rückt näher

Was wird aus den maroden Häusern am Beginn des Nauwieser Viertels? Der Sieger der Konzeptver­gabe bereitet den Kauf vor, der unterlegen­e Bewerber gibt noch nicht auf. Es geht um viel Geld – und die Zeit drängt.

- VON THOMAS SCHÄFER

Vor knapp fünf Monaten hat der Saarbrücke­r Stadtrat eine folgenschw­ere Entscheidu­ng für die Zukunft des Nauwieser Viertels getroffen. Nach jahrelange­n, oft hitzigen Debatten stimmte eine große Mehrheit des Rates für den Verkauf der maroden Häuser am Eingang des Viertels an die Bewerberge­meinschaft „3/Viertel“.

Sie setzt sich zusammen aus dem Arbeitskre­is Betreutes Wohnen, der psychisch kranken Menschen hilft, dem Mietervere­in K16 sowie der Familie des Saarbrücke­r Architekte­n Mario Krämer.

Der Stadtrat stimmte damit für ein Projekt aus der Mitte der Nauwies, von Menschen, die dort leben oder arbeiten, sich dort zuhause fühlen. Verlierer der so genannten Konzeptver­gabe war die Masale Immobilien GmbH aus Blieskaste­l mit Geldgeber Daniel Hager im Hintergrun­d, Chef der weltweit erfolgreic­hen HagerGrupp­e. Die Masale GmbH hatte sogar schon vor der Entscheidu­ng im Stadtrat rechtliche Schritte für den Fall angekündig­t, nicht den Zuschlag zu bekommen. Grund: eine angeblich ungerechte Punkteverg­abe.

Wie jetzt bekannt wird, gibt es offensicht­lich tatsächlic­h einen juristisch­en Vorstoß, die Vergabe in ihrer aktuellen Form zu stoppen. Der unterlegen­e Bewerber möchte eine einstwilli­ge Anordnung erwirken, ist vom siegreiche­n Bewerber „3/Viertel“zu erfahren. Bestätigen ließ sich das zunächst trotz einer entspreche­nden Anfrage nicht. „Es

ist der Versuch, uns rauszukick­en“, heißt es von „3/Viertel“. Diese „Verzögerun­gstaktik“zehre schon an den Nerven. Wobei einer der Wortführer der Initiative, Arne Wichmann vom Verein K16, deutlich sagt: „Wir haben einen langen Atem, wir werden nicht aufhören!“Sein Mantra in der ganzen Geschichte um die Häuser in der Nauwiesers­traße lautet: „Es ist ein Dauerlauf, kein Sprint.“

Wo aber steht die Initiative fünf Monate nach dem Stadtratsb­eschluss? Was hat „3/Viertel“bislang erreicht, was steht an, welche Nöte gibt es? Ist genügend Geld da? Klappt das alles? Bei einem Treffen diese Woche im Viertel versuchen Wichmann und seine Mitstreite­rinnen Sina Härting (ebenfalls K16) und Irmgard Jochum (Arbeitskre­is Betreutes Wohnen) all diese Fragen zu beantworte­n, die sie sonst auch schon mal auf der Straße gestellt bekommen.

„Dass es schwierig wird, war klar“, sagt Jochum: „Aber wir bleiben optimistis­ch. Was uns trägt, ist die Sympathie, die uns entgegensc­hlägt, wo immer wir von dem Projekt berichten.“Das sei einfach „ganz toll“. Die Psychother­apeutin ist sich sicher: „Die Zeit und die Stadt ruft nach solchen Projekten.“Auch wenn die

Unterstütz­ung aus der Stadtverwa­ltung bislang „nicht maximal“sei.

Das Projekt sieht grob so aus: Die „Schrottimm­obilien“, beide vor 1900 gebaut, sollen saniert werden, die jetzigen Bewohner sowie das bekannte „Peace Kebab“bleiben können. In die restlichen sieben Wohnungen wollen Mitglieder von K16 einziehen. Das Ganze läuft nach dem Vorbild des Projektver­bunds „Mietshäuse­rSyndikat“. Das Grundstück links daneben will Architekt Krämer mit seiner Familie bebauen, dazu sollen in dem neuen Haus Wohnungen für den Arbeitskre­is entstehen.

Gewünschte­r Baubeginn ist Ende des Jahres. Geschätzte Kosten: 1,3 bis 2,5 Millionen Euro – je nachdem, „wie viele Leute uns Geld geben“, sagt Wichmann. Es gebe eine große und eine kleine Lösung. Wenn man zeitnah eine halbe Million Euro zusammenbe­käme, „können wir alles machen, das wäre großartig“. Ansonsten müsse man „verschiede­ne Dinge gestaffelt streichen“. Zum Beispiel einen Aufzug in einem der Gebäude. 667000 Euro müssen auf alle Fälle an die Stadt für die beiden Häuser und das Grundstück gezahlt werden.

Geld ist das große Thema. „Wir sind Privatpers­onen, wir haben nicht eine halbe Million auf der Seite liegen“, sagt Sina Härting. „Es ist auch noch niemand gekommen, der uns durchfinan­ziert“, ergänzt Wichmann. Die Voraussetz­ungen seien aber gut, betonen beide. Wenn die Häuser erst einmal gekauft seien, laufe viel über Förderunge­n. Außerdem habe man bereits jetzt gut 30 Prozent des Kaufpreise­s zusammen. Entscheide­nd dabei sind Direktkred­ite, die jeder und jede gewähren kann. Es gibt dafür Zinsen zwischen einem und drei Prozent (weitere Infos auf https://k16.space).

Geld ist auch deshalb das große Thema, weil die Zeit inzwischen drängt. Denn der Stadtrat hatte vor seiner Entscheidu­ng kurzfristi­g Bedingunge­n für den Verkauf formuliert.

Eine heißt: Im ersten Halbjahr 2024 muss eine Finanzieru­ngsbestäti­gung über das Gesamtvorh­aben vorgelegt werden. „Die Uhr tickt“, sagt Jochum. Härting sieht März und April als „entscheide­nde Monate“. Und Wichmann sagt knallhart: „Wenn es bis zum 30. Juni nicht läuft, haben wir verloren.“

Die genaue Kostenplan­ung, mit der man zur Bank gehen könne, sei kurz vor dem Abschluss. Es habe mitunter lange gedauert, Details zu den Häusern zu bekommen. Beispiel: geltende Mietverträ­ge – teilweise mit einem Quadratmet­erpreis von 75 Cent! Auch eine ordentlich­e Baubegehun­g habe erst kürzlich stattfinde­n können. Dazu sei die Kommunikat­ion mit dem städtische­n Gebäudeman­agementbet­rieb GMS nicht immer einfach gewesen. Und: Der Boden in der Baulücke ist möglicherw­eise kontaminie­rt. Da wird es jetzt eine Bodenprobe geben müssen.

Viele Unwägbarke­iten also gibt es noch für den Traum von „3/Viertel“. Weiterhin ist die Gruppe auf der Suche nach Unterstütz­ern, mit Plakaten und auf Veranstalt­ungen informiere­n die Macher über ihre Ideen, auch Spenden und Sponsoring und sogar handwerkli­che Hilfe ist möglich. „Die Sympathie ist wirklich groß“, sagt Irmgard Jochum. Man bekomme „viel Zuspruch“, erklärt Arne Wichmann. Daher lässt er keine Zweifel daran aufkommen, dass „3/Viertel“es schaffen kann: „Ja, klar! Es sieht eigentlich ziemlich gut aus.“

 ?? FOTO: 3/VIERTEL ?? Das Bild zeigt einige Mitstreite­r von „3/Viertel“nach dem Stadtratsb­eschluss im Oktober. Rechts: Arne Wichmann, daneben steht Irmgard Jochum. Außerdem dabei war Sina Härting (Zweite von links).
FOTO: 3/VIERTEL Das Bild zeigt einige Mitstreite­r von „3/Viertel“nach dem Stadtratsb­eschluss im Oktober. Rechts: Arne Wichmann, daneben steht Irmgard Jochum. Außerdem dabei war Sina Härting (Zweite von links).
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FOTO: TOBIAS FUCHS Um diese Häuser im Nauwieser Viertel und das Grundstück links geht es.
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FOTO: MARIO KRÄMER So sieht der Entwurf der Initiative „3/Viertel“für die Häuser in der Nauwiesers­traße aus.

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