Saarbruecker Zeitung

Eine Juwelier-Ära nähert sich dem Ende

Noch im September konnte man Uhrmacher und Juwelier Gerd Mandernach in seinem Völklinger Geschäft treffen. Jetzt lebt der 92-Jährige in einem Pflegeheim, das alteingese­ssene Geschäft schließt.

- VON THOMAS ANNEN

Eine Ära geht zu Ende: Kurz vor Ostern wird Juwelier Gerd Mandernach sein Geschäft in der Bismarckst­raße in Völklingen schließen. Letzter Öffnungsta­g ist der 28. März. Die Ringe und Ketten in seinen Schaufenst­ern sorgten für etwas Glanz in der Innenstadt, insgesamt 68 Jahre verkaufte Mandernach in Völklingen Uhren und Schmuck.

Noch bis Oktober 2023 fuhr er jeden Tag mit dem Aufzug von seiner Wohnung runter ins Geschäft – obwohl er da schon im Rollstuhl saß. Mittlerwei­le lebt der 92-Jährige in einem Pflegeheim. Deshalb blicken wir mit seinen Töchtern Heike Wagner und Petra Mandernach zurück auf die Firmengesc­hichte. Mit dabei ist Marliese Geber: Die gute Seele des Geschäfts arbeitet seit 57 Jahren für den Juwelier.

Im Juli 1946 begann Gerd Mandernach als 14-Jähriger seine Uhrmacherl­ehre. Nach der Meisterprü­fung machte er sich genau zehn Jahre später selbständi­g. Die Anfänge waren bescheiden: In einem selbst gezimmerte­n Schaukaste­n, der an die Außenwand des Hauses in der Kühlweinst­raße geschraubt wurde, präsentier­te Mandernach seine Ware. Es folgten Geschäftsd­omizile in der Krepp-, der Post- und der Rathausstr­aße. Der letzte Umzug war 1984 – wie immer mit dem Ziel, die Verkaufsfl­äche und damit das Warenangeb­ot zu vergrößern. In den Räumen im Merkurhaus ist die Schaufenst­erfront 15 Meter lang. Als der Juwelier 1958 heiratete, begann auch seine Ehefrau Marlene Mandernach im Geschäft zu arbeiten.

Der Unternehme­r erlebte fünf Währungen: Vor der Einführung des Euro wurde – vorne beginnend – mit Reichsmark, Saarmark, französi

schen Franken und D-Mark bezahlt. Aber nicht nur die Zahlungsmi­ttel, auch das Kundenverh­alten änderte sich: Statt in der Werkstatt landete ein defekter Wecker immer häufiger im Mülleimer.

Gerd Mandernach war bekannt für seinen guten Service – von der Sonderanfe­rtigung bis zur kniffligen Reparatur. Der Juwelier und Diamanteng­utachter hatte für jeden Geldbeutel etwas im Angebot, neben sündhaft teurem Geschmeide führte er auch preiswerte Uhren.

Das Familien- und das Geschäftsl­eben gingen oft fließend ineinander über. „Wir Kinder mussten uns bei Kundenbesu­chen ruhig verhalten und wurden meistens von unserer Großmutter beaufsicht­igt“, erinnern sich die Schwestern. Mittags um vier Uhr wurde in der kleinen Teeküche neben der Werkstatt Kaffee gekocht und Kuchen und Gebäck serviert. Auch wenn sich der Duft im Verkaufsra­um ausbreitet­e, blieben diese familiären Momente immer hinter einem Stoffvorha­ng verborgen.

Es gab auch prominente Kundschaft. Eines Tages – vermutlich in den 1970er Jahren – betrat das be

kannte Schlagerdu­o „Cindy & Bert“das Geschäft. „Ich habe mich nicht getraut, nach einem Autogramm zu fragen“, erinnert sich Heike Wagner. Sie weiß noch, dass Cindy einen großen Ring kaufte. Das Schmuckstü­ck erkannte sie später im Fernsehen an

der Hand der Sängerin wieder. Als Mädchen, erzählt ihre Schwester Petra Mandernach, durfte sie mit einem alten Wecker spielen. Vor allem die Rädchen im Inneren fasziniert­en sie. Außerdem liebte sie es, Ketten durch die Finger gleiten zu lassen.

Kaputt ging dabei nichts. „Ich war als Kind etwas wilder“, verrät Heike Wagner mit einem Schmunzeln. Deshalb war sie im Verkaufsra­um nicht so gern gesehen.

Die beiden erinnern sich noch an die 1970er und -80er Jahre. Damals standen die Käufer in der Weihnachts­zeit Schlange. Jeder musste geduldig warten, bis er an der Reihe war. Doch die goldenen Zeiten sind lange vorbei. Während unseres 45-minütigen Gesprächs erscheint kein Kunde.

Obwohl sie beruflich eigene Wege gingen, blieben die Geschwiste­r dem Geschäft verbunden. Immer, wenn Unterstütz­ung benötigt wurde, haben sie ausgeholfe­n. „Ein bisschen Melancholi­e kommt auf“, sagt Petra Mandernach mit Blick auf die nahende Schließung. Und Heike Wagner ist sch sicher: „Es kommt noch viel Arbeit auf uns zu.“Auch nach dem Räumungsve­rkauf können die beiden die Hände nicht in den Schoß legen. So muss zum Beispiel geklärt werden, was mit der übrig gebliebene­n Ware und mit dem Mobiliar geschieht. Und ein Käufer fürs Geschäft muss auch noch gefunden werden.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Vor dem Juwelier- und Uhrmacherg­eschäft Mandernach in Völklingen, von links: Gerd Mandernach­s Tochter Petra Mandernach, Marliese Geber, Mitarbeite­rin seit 57 Jahren, und Mandernach-Tochter Heike Wagner.
FOTO: BECKERBRED­EL Vor dem Juwelier- und Uhrmacherg­eschäft Mandernach in Völklingen, von links: Gerd Mandernach­s Tochter Petra Mandernach, Marliese Geber, Mitarbeite­rin seit 57 Jahren, und Mandernach-Tochter Heike Wagner.
 ?? FOTO: ROLF RUPPENTHAL/ ?? Gerd Mandernach im Jahr 2015, schon da war der damals 84-Jährige seit Jahrzehnte­n in der Völklinger Innenstadt aktiv.
FOTO: ROLF RUPPENTHAL/ Gerd Mandernach im Jahr 2015, schon da war der damals 84-Jährige seit Jahrzehnte­n in der Völklinger Innenstadt aktiv.

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