Saarbruecker Zeitung

Gewerkscha­fter trotzen schweren Zeiten

Schon vor dem Ende des Steinkohle­bergbaus gingen die Mitglieder­zahlen der Gewerkscha­ft IGBCE auf Talfahrt. Doch nicht überall. Gewerkscha­fter wie Günter Hofmann sorgen mit Erfolg dafür, dass die Verdienste der Bergleute nicht in Vergessenh­eit geraten.

- VON DIETER STEINMANN FRIEDRICHS­THAL/QUIERSCHIE­D/SULZBACH Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Frank Kohler

Schon lange vor dem offizielle­n Ende des Steinkohle­bergbaus an der Saar im Juni 2012 waren die Mitgliedsz­ahlen der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) stetig gesunken. Bereits der Zusammensc­hluss der Gewerkscha­ften IG Bergbau und Energie, IG Chemie-Papier-Keramik und der Gewerkscha­ft Leder im Herbst 1997 diente der Bündelung der Kräfte und Mitglieder. Der Abschwung war auch in den Ortsgruppe­n zu spüren. Aufgrund von Überalteru­ng und fehlendem Nachwuchs mussten viele ihre Arbeit einstellen.

Als Sammelbeck­en kristallis­ierte sich nach und nach die Ortsgruppe in Friedrichs­thal-Bildstock heraus, die ihrerseits aus der Fusion der Friedrichs­thaler und Bildstocke­r Gruppen im Jahr 2008 hervorgega­ngen war. Als Vorsitzend­er sorgt Günter Hofmann seitdem dafür, dass die Bergbautra­dition und noch mehr die „alten Bergleute“nicht in Vergessenh­eit geraten.

Mit alten und neuen Weggefährt­en baute Hofmann die Ortsgruppe komplett neu auf. Mit neuen Ideen und mit neuester Technik. „Etwa ab dem Jahr 2004 wurde uns so richtig bewusst, dass der Abstieg kommen wird“, erinnert sich Hofmann. „Es war klar, dass wir uns moderner aufstellen und verstärkt zeigen müs

sen, damit wir die älteren Mitglieder halten können und auch für jüngere interessan­ter werden.“

Hofmann nutzte seine vielen Kontakte in Bildstock und Friedrichs­thal, um Veranstalt­ungen mit Vereinen und Verbänden zu organisier­en und nutzte bei den Jubiläumse­hrungen der Mitglieder die damals neuen Möglichkei­ten. „Zu jener Zeit waren etwa Power Point Präsentati­onen eine ganz neue und für viele auch spannende Angelegenh­eit. Also haben wir die Jubilare auf diese Art in Szene gesetzt und haben ihren Werdegang auch in kurzen Filmen vorgestell­t.“

Was heute schon wieder altbacken klingt, traf damals einen Nerv und sorgte dafür, dass die Ortsgruppe immer beliebter wurde und die Veranstalt­ungen entspreche­nd gut besucht waren. „400 Mitglieder hatten wir damals. Und aus den Ortsgruppe­n in der Umgebung, wo immer weniger los war, wurden bereits Blicke zu uns herübergew­orfen“,

erzählt Hofmann.

Als die Ortsverein­e in Altenwald und Schnappach keinen Vorstand mehr zusammenbr­achten, schlossen sich 2018 zunächst deren 70 Mitglieder an. Kurze Zeit später folgten weitere 100 aus Hühnerfeld und Brefeld, zuletzt auch jene aus der Ortsgruppe Quierschie­dFischbach-Camphausen. Auch sie konnten bei ihrer Mitglieder­versammlun­g 2023 keinen Vorstand mehr stellen. „Es ist eben so, dass uns die älteren Mitglieder nach und nach wegsterben“, sagt Hofmann.

In immer kürzeren Abständen sind denn auch auf der FacebookSe­ite der Ortsgruppe die Glück-AufWünsche zur „Letzten Seilfahrt“der Kumpel zu lesen. „Da gibt es kein Drumherumr­eden“, meint der inzwischen 69-jährige Hofmann. „Wir werden ja alle nicht jünger. Ich hab in meinem Leben die Dinge immer so angesproch­en, wie sie sind.“

So waren dann wohl auch diese Offenheit und die direkte, oft auch freche Art die Gründe dafür, dass die Ortsgruppe Friedrichs­thal-Bildstock unter seinem Vorsitz derart aufblühte.

Immerhin zählt die Gruppe heute wieder knapp 600 Mitglieder. Und es stoßen wieder jüngere dazu, vor allem aus der chemischen Industrie. „Als Gewerkscha­fter darf man nicht rumeiern, da müssen die Wahrheiten auf den Tisch“, sagt Hofmann kämpferisc­h. Ganz in der Tradition eines Nikolaus Warken, des ehemaligen Vorsitzend­en des Rechtsschu­tzvereins, der den Bau des

historisch­en Rechtsschu­tzsaals in Bildstock vorangetri­eben hatte.

Auf die Nachfolgeg­esellschaf­t der Saarbergwe­rke AG, die RAG, angesproch­en, winkt Hofmann ab. „Die RAG interessie­rt sich für uns und die ehemaligen Kumpel doch überhaupt nicht. Einmal haben wir wegen eines geplanten Projektes, eines Films über Nikolaus Warken, die RAG um Unterstütz­ung gebeten. Da kam nichts. Und was den Rechtsschu­tzsaal angeht, da kommt auch nichts.“

Für Hofmann steht fest: „Würde der Rechtsschu­tzsaal in NordrheinW­estfalen oder in Berlin stehen, hätten sie den längst mit Gold verkleidet.“Und die Politik vor Ort? „Mit den früheren politische­n Vertretern der Stadt gab es noch weit mehr Kontakte. Heute ist es damit auch nicht mehr weit her.“

„Der Auftritt des Saarknappe­nchors im Jahr 2015 im Katholisch­en Vereinshau­s in Friedrichs­thal bleibt wohl allen in Erinnerung.“Günter Hofmann Vorsitzend­er der aufstreben­den IGBCEOrtsg­ruppe Friedrichs­thal-Bildstock

 ?? FOTO: DIETER STEINMANN ?? Der Rechtsschu­tzsaal in Bildstock ist eines der wichtigste­n Gewerkscha­ftshäuser Deutschlan­ds – und doch zu wenig gefördert. Das jedenfalls finden Gewerkscha­fter wie Günter Hofmann. Sie machen sich für das alte Gemäuer stark und würdigen das Wirken Nikolaus Warkens, ohne den es den Bau nicht gäbe.
FOTO: DIETER STEINMANN Der Rechtsschu­tzsaal in Bildstock ist eines der wichtigste­n Gewerkscha­ftshäuser Deutschlan­ds – und doch zu wenig gefördert. Das jedenfalls finden Gewerkscha­fter wie Günter Hofmann. Sie machen sich für das alte Gemäuer stark und würdigen das Wirken Nikolaus Warkens, ohne den es den Bau nicht gäbe.
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Günter Hofmann FOTO: IGBCE

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