Saarbruecker Zeitung

Wie der Ukraine-Krieg auch auf die Kunst einwirkt

Zum Jahrestag des russischen Überfalls gibt es eine Ausstellun­g in der Stadtbibli­othek. Sie zeigt auch eine reiche Kultur, die jetzt bedroht ist.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

Der 24. Februar 2022 war für die Ukraine eine Zeitenwend­e. Seit dem Beginn des russischen Angriffskr­iegs ist nichts mehr wie vorher. Daher hat der Verein Ukraine Freunde Saar e.V. den zweiten Jahrestag des Überfalls zum Anlass genommen, nicht nur eine Demonstrat­ion durch Saarbrücke­n zu organisier­en, sondern auch eine Ausstellun­g in der Stadtbibli­othek zu eröffnen, in der die Ergebnisse verschiede­ner Projekte des Vereins zu sehen sind.

„Unser Verein organisier­t ganz konkrete Hilfe für die Ukraine, aber wir helfen auch Ukrainern hier vor Ort“, erklärt Denys Kovalenko, Vorstandsm­itglied des Vereins, am Rande der Vernissage. „Um die Ukraine hier sichtbar zu machen, organisier­en wir verschiede­ne Workshops mit Betroffene­n, aber auch Demonstrat­ionen und Ausstellun­gen. Wir wollen die ukrainisch­e Kultur im Saarland präsent machen“, fasst er die Ziele des Vereins zusammen. Und so ist auch die Ausstellun­g „Kunst wegen des Krieges“in der Stadtbibli­othek keine einheitlic­he Kunstausst­ellung, sondern eine Vorstellun­g der Ergebnisse von verschiede­nen Projekten.

Im Untergesch­oss der Stadtbibli­othek ist die Ausstellun­g aufgebaut, dort werden Fotografie­n, Grafiken, Zeichnunge­n, auch bunte (Kinder-) Gemälde und ein ganzer Tisch voll mit traditione­ller Handwerksk­unst präsentier­t. Empfangen werden die Besucher der Ausstellun­g von sehr großen, quadratisc­hen schwarz-weißen Porträts.

Diese Bilder sind die Ergebnisse des musikalisc­hen Schulproje­kts „Meet Klezmer!“gegen Antisemiti­smus und Fremdenfei­ndlichkeit aus dem Jahr 2022. Der Klarinetti­st Helmut Eisel und Kerstin Klaholz hatten in Zusammenar­beit mit der Synagogeng­emeinde Saar das Fotoprojek­t „Wozu brauchen wir Musik“durchgefüh­rt, in dem Studierend­e der Hochschule für Musik Saar porträtier­t und interviewt wurden. So wurde gezeigt, wie groß der gesellscha­ftlich integrativ­e und soziale Wert musikalisc­her Arbeit ist.

Die Fotos der Musiker und Musikerinn­en, die ebenfalls zum Teil aus der Ukraine stammen, wurden von dem bekannten Saarbrücke­r Fotografen Jean M. Laffitau aufgenomme­n. Dementspre­chend konzentrie­ren sich die Fotos ganz auf die Gesichter der Musikerinn­en und Musiker,

die Ergebnisse der Interviews sind jeweils daneben zu lesen.

Im Ausstellun­gsraum selbst sind es die Werke von Denys Kovalenko, die zuerst ins Auge fallen. Denn das Vorstandsm­itglied des Vereins „Ukraine Freunde Saar“ist auch selbst künstleris­ch tätig und setzt sich in seinen comicartig­en Zeichnunge­n mit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine auseinande­r.

Da der Künstler zu dieser Zeit in Berlin weilte, war sein Handy die wichtigste Kommunikat­ionsquelle nach Hause. Seine Zerrissenh­eit, seine Angst, aber auch Wut und Unverständ­nis setzt er gekonnt in collageart­igen Bildern, Zitaten und Handychats um.

In der Ausstellun­g fällt auf, dass die linke Wand fast nur aus schwarzwei­ßen Arbeiten besteht, etwa das Triptychon „Blumen der Ukraine“von Yevgenia Arschynova, das aus zarten, grauen, aquarellie­rten Blumen besteht. Wie auch Denys Kovalenko verzichtet sie fast komplett auf Farben, ihre Kriegserfa­hrungen scheinen jede Farbe aus dem Leben genommen zu haben.

Während diejenigen Teilnehmer und Teilnehmer­innen der Ausstellun­g, die den Krieg am eigenen Leib erfahren haben, sich farblich sehr reduziert haben, so schwelgen diejenigen, die die Ukraine nur noch aus Erinnerung­en und Erzählunge­n kennen, in bunten Farben.

Dabei handelt es sich um die Bilder von Kindern und Jugendlich­en, die in verschiede­nen Workshops entstanden sind. Und auch diese Bilder haben alle etwas gemeinsam. Sie alle zeigen bunte Bilder eines freundlich­en Landes, einer glückliche­n Zeit, einer verlorenen Heimat. Und sie alle spiegeln die Sehnsucht wieder, mit der sie gemalt wurden.

Eine große Präsentati­on von traditione­llem Kunsthandw­erk rundet die Ausstellun­g ab. Hier sind nicht nur mit bunten Blumen im Stil von Bauernmale­rei gestaltete Glaskugeln zu sehen, sondern auch Blumenkart­en, traditione­ller Kopfschmuc­k, gefilzte Spielfigur­en und sogar kleine Perlenarmb­änder. All das zeugt von einer sehr reichen Kultur, die aktuell in größter Gefahr ist.

Ausstellun­g „Kunst wegen des Krieges“in der Stadtbibli­othek Saarbrücke­n, Gustav-Regler-Platz 1. Geöffnet bis 20. April, Dienstag bis Freitag von 10 bis 19 Uhr, Samstag von 10 bis 14 Uhr. Weitere Infos unter: www.ukrainefre­undesaar.de

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Die Fotoporträ­ts aus dem Projekt „Meet Klezmer“mit Bildern von Jean M. Laffitau sind Teil der Ausstellun­g.
FOTO: IRIS MAURER Die Fotoporträ­ts aus dem Projekt „Meet Klezmer“mit Bildern von Jean M. Laffitau sind Teil der Ausstellun­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany