Saarbruecker Zeitung

Ungeklärte Morde – Die letzten Rätsel der RAF

Seit dem Anfang der 1970er Jahre verübt die Rote Armee Fraktion über zwei Dutzend Anschläge. Mehr als 30 Menschen wurden dabei getötet.

- VON MARC FLEISCHMAN­N Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran Lucas Hochstein

drei Jahrzehnte hinweg ermordet die Rote Armee Fraktion (RAF) führende Personen des Staates oder aus der Wirtschaft. In einigen den Linksterro­risten zugeordnet­en Fällen bleibt allerdings ungeklärt, wer genau den Finger am Abzug hatte oder die Bomben zündete. Ein Überblick:

Siegfried Buback: Bis heute ist unklar, wer am 7. April 1977 Generalbun­desanwalt Siegfried Buback und zwei Begleiter auf der Fahrt zum Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe tötet. Als das Dienstfahr­zeug an einer roten Ampel hält, feuern zwei Terroriste­n von einem Motorrad aus mit Automatikw­affen auf den Wagen. Ein gesichtslo­ses „Kommando Ulrike Meinhof“der zweiten RAF-Generation reklamiert die Tat für sich. Ihm werden Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar und Knut Folkerts zugerechne­t. Die Richter gehen auch von einer Mittätersc­haft von Günter Sonnenberg aus. Seine Unterschri­ft wird auf dem Mietvertra­g des unter falschem Namen angemietet­en Motorrads ermittelt. Die frühere Terroristi­n Verena Becker wird im Jahr 2012 wegen Beihilfe zum Mord zu vier Jahren Haft verurteilt.

Hanns Martin Schleyer: Auch die Identität des Todesschüt­zen bei der Ermordung von Arbeitgebe­rpräsident Hanns Martin Schleyer haben die Teilnehmer des RAF-„Kommandos Siegfried Hausner“nie verraten. Sechs Wochen nach der Verschlepp­ung in Köln wird Schleyers Leiche am 19. Oktober 1977 im Elsass mit drei Kugeln im Hinterkopf gefunden. Grund für die Entführung: Die zweite Generation will RAF-Inhaftiert­e der

Gründungsg­ruppe freipresse­n. Die Bundesregi­erung geht nicht darauf ein. Um die Forderunge­n zu untermauer­n, entführen palästinen­sische Terroriste­n die Lufthansa-Maschine „Landshut“. Nachdem die Antiterror­einheit GSG 9 die Geiseln befreit, bringen sich Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Gefängnis Stuttgart-Stammheim um. Eine späte Erkenntnis: Aus dem Revolver, mit dem Schleyer erschossen wird, kommen am 10. Oktober 1986 auch die tödlichen Schüsse auf den Bonner Diplomaten Gerold von Braunmühl. Auch hier bleibt der Täter unklar.

Karl Heinz Beckurts: Der SiemensMan­ager wird am 9. Juli 1986 in der Nähe von München mit einer Bombe getötet. Zu der Tat bekennt sich das RAF-„Kommando Mara Cagol“, das zur dritten Generation der Terroriste­ngruppe gehört. Wer konkret dahinterst­eckt, ist noch heute ein Rätsel. Der verdächtig­te Horst Ludwig Meyer wird 1999 in Wien erschossen. Auf das Konto der nicht identifizi­erten Beckurts-Mörder geht nach Einschätzu­ng der Behörden bereits der tödliche Anschlag auf den Industriel­len Ernst Zimmermann am 1. Februar 1985 in Gauting bei München.

Alfred Herrhausen: Rätsel bleiben auch nach dem Mord an Alfred Herrhausen, dem Chef der Deutschen Bank. Wer am 30. November 1989 in Bad Homburg seine gepanzerte Limousine in die Luft sprengt, wissen die Ermittler bis heute nicht genau. Gegen 8.30 Uhr verlässt der Manager sein Haus. Begleitet von Sicherheit­sleuten in zwei weiteren Limousinen bewegt sich der Tross gen Frankfurt am Main. Ein lauter Knall. Mehrere Kilogramm Sprengstof­f, deponiert auf einem Kinderrad, explodiere­n. Zur Tat bekennt sich das „Kommando Wolfgang Beer“der dritten RAF-Generation. Die Ermittlung gegen eine Verdächtig­e muss mangels Beweisen eingestell­t werden.

Detlev Karsten Rohwedder: Der Treuhandch­ef wird am 1. April 1991 in seinem Düsseldorf­er Haus am Schreibtis­ch erschossen. Der bis heute unbekannte Scharfschü­tze trifft aus 63 Metern Entfernung. Die Tatwaffe bleibt verschwund­en und auch das Motiv ist unbekannt. Das Attentat reklamiert das RAF-„Kommando Ulrich Wessel“für sich. Haar-Analysen bringen den 1993 in Bad Kleinen erschossen­en Wolfgang Grams mit der Tat in Verbindung. Das Attentat gilt als einer der letzten der mehr als 30 RAF-Morde. Zehn davon gehen auf das Konto der dritten Generation, die meisten unaufgeklä­rt. Ein Grund: Die Kommando-Ebene ist namentlich kaum bekannt. Diese Anonymität führte auch dazu, dass eine Reihe von Theorien aufblühten. Dazu gehört, dass die unaufgeklä­rten Morde womöglich gar nicht auf das Konto der RAF gehen.

 ?? ARCHIV: PA/DPA ?? Die Einschussl­öcher im Fenster, durch das Detlev Karsten Rohwedder 1991 erschossen wurde.
ARCHIV: PA/DPA Die Einschussl­öcher im Fenster, durch das Detlev Karsten Rohwedder 1991 erschossen wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany