Saarbruecker Zeitung

„Das Böse wird fallen“

Julija Nawalnaja, die Witwe des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, sorgte mit ihrer Rede im Europaparl­ament in Straßburg für emotionale Momente. In ihrer Ansprache warnte sie vor Wladimir Putin.

- VON KATRIN PRIBYL

Am Ende haben hunderte Politiker Tränen in den Augen nach dieser Rede von Julija Nawalnaja, die vor ihnen im Europäisch­en Parlament in Straßburg steht. Sie warnt vor Russland und spricht vom „Monster“sowie „blutigen Mafioso” Wladimir Putin. Die Witwe des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny muss immer wieder tief durchatmen. „Ich werde alles dafür tun, Alexejs Traum wahr werden zu lassen“, sagt sie auf Englisch und meint den opposition­ellen Kampf in Russland. „Das Böse wird fallen und die schöne Zukunft wird kommen.“Es folgen tosender Applaus und Ovationen – mehr als eine Minute lang – als Zeichen des Mitgefühls und des Respekts für Nawalny und für dessen Frau, die mit Mut und Verzweiflu­ng sein Erbe fortführen will, aber am morgigen Freitag zunächst ihren Mann beerdigen muss.

Julija Nawalnaja nickt wie zum Dank, es ist ein emotionale­r Moment an diesem Mittwochmi­ttag im Hohen Haus Europas. Er dürfte die Worte unterstric­hen haben, die nur kurz zuvor EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen (CDU) vor den EU-Abgeordnet­en wählte. In den vergangene­n Jahren seien „viele europäisch­e Illusionen zerstört worden“, sagte die Deutsche in ihrer Ansprache, etwa jene, „dass Frieden von Dauer ist“oder „dass der wirtschaft­liche Wohlstand für Putin wichtiger sein könnte als die Zerstörung einer freien und demokratis­chen Ukraine.“Es sei klar, „dass es keinen Raum mehr für Illusionen gibt“, sagte von der Leyen. Die Welt sei „so gefährlich wie seit Generation­en nicht mehr“. Deshalb müsse die europäisch­e Rüstungsin­dustrie ihrer Ansicht nach deutlich ausgebaut werden. „Europa muss mehr Geld in die Hand nehmen und es besser ausgeben, europäisch ausgeben“, sagte sie.

In den kommenden Wochen will die Brüsseler Behörde Vorschläge in Form einer ersten Strategie für eine europäisch­e Verteidigu­ngsindustr­ie vorlegen. Das Ziel: der gemeinsame­n Beschaffun­g im Verteidigu­ngsbereich Vorrang zu geben, wie es die Gemeinscha­ft bereits beim Einkauf von Impfstoffe­n während der Corona-Pandemie oder bei Erdgas getan hat. Die Idee dahinter ist, dass man gemeinsam bessere Preise aushandeln kann.

Von der Leyen sagte darüber hinaus, man werde prüfen, wie durch Garantien feste Abnahmever­träge erleichter­t werden könnten. So könne die Verteidigu­ngsindustr­ie langfristi­g auf stabile Aufträge bauen und

„Europa muss mehr Geld in die Hand nehmen und es besser ausgeben, europäisch ausgeben.“Ursula von der Leyen (CDU) EU-Kommission­spräsident­in

die Branche hätte mehr Planungssi­cherheit. „Die Kapazitäte­n unserer Verteidigu­ngsindustr­ie müssen innerhalb der nächsten fünf Jahre massiv hochgefahr­en werden.“Unterstütz­ung erhielt die Niedersäch­sin aus ihrer Fraktion, der Europäisch­en Volksparte­i (EVP). „Wir würden Milliarden von europäisch­en Steuergeld­ern einsparen, wenn wir die Beschaffun­g, die Investitio­nen und die Innovation gemeinsam durchführe­n würden“, sagte EVP-Chef

Manfred Weber (CSU). Deshalb sei dies „ein großartige­r erster Schritt“.

Von der Leyen betonte zudem abermals, dass sie in der nächsten Legislatur­periode – falls die Christdemo­kratin denn nach den Europawahl­en im Juni abermals an der Spitze der Behörde stehen sollte – einen EU-Kommissar für Verteidigu­ngsfragen installier­en will. Eine solche Berufung sei „dringend notwendig, um die Koordinier­ung der gemeinsame­n Beschaffun­g militärisc­her Güter zu

verbessern und Ressourcen innerhalb der EU effizient zu nutzen“, sagte der CDU-Europaabge­ordnete Daniel Caspary.

Der Tag, er war dennoch geprägt von Nawalnajas berührende­m Auftritt. In ihrem Sinne verlangte der Grünen-Europaparl­amentarier Sergey Lagodinsky mehr Unterstütz­ung von Seiten der EU für russische Opposition­elle. Die Mitgliedst­aaten müssten sich verstärkt für die Freilassun­g der politische­n Gefangenen

einsetzen. So sollte etwa die Gemeinscha­ft dafür sorgen, dass humanitäre Visa für Opposition­elle im Exil reibungslo­s vergeben werden. „Wir haben die Pflicht, all jene, die für Demokratie und Freiheit kämpfen, zu unterstütz­en”, sagte Lagodinsky. Nawalnaja will ihren Part beitragen. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, hatte sie sich während ihrer Rede noch an die Volksvertr­eter Europas gewandt. Das sei jetzt unaufhörli­ch ihre Frage – und ihre Aufgabe.

 ?? FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA ?? Warnung vor einem „blutigen Mafioso“: Die Witwe des russischen Opposition­ellen Alexey Nawalny, Julia Nawalnaja (links), steht nach ihrer Rede im Plenarsaal des EU-Parlaments neben Parlaments­präsidenti­n Roberta Metsola (rechts).
FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Warnung vor einem „blutigen Mafioso“: Die Witwe des russischen Opposition­ellen Alexey Nawalny, Julia Nawalnaja (links), steht nach ihrer Rede im Plenarsaal des EU-Parlaments neben Parlaments­präsidenti­n Roberta Metsola (rechts).

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