Separatisten in Transnistrien bitten Russland wohl um „Schutz“
Lange schon fürchtet der EU-Beitrittskandidat Moldau eine russische Aggression im Separatistengebiet Transnistrien. Nun wenden sich die dortigen Machthaber an Moskau.
Die prorussischen Machthaber der abtrünnigen Region Transnistrien in der Republik Moldau haben Medienberichten zufolge Russland um „Schutz“gebeten. Ein Kongress des international nicht anerkannten Separatistengebiets, das an die Ukraine grenzt, stimmte am Mittwoch für eine entsprechende Resolution, aus der moldauische Medien zitierten. Transnistrien will sich demnach an den russischen Föderationsrat sowie die Staatsduma wenden: „mit der Bitte über die Realisierung von Maßnahmen zum Schutz Transnistriens angesichts des zunehmenden Drucks durch Moldau“. Was genau sie von Russland erwarten, war zunächst nicht klar.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Michael Roth (SPD), hat angesichts dieser Entwicklungen auf dem Gebiet der Republik Moldau vor einer Ausweitung des russischen Angriffskriegs gewarnt. „Die dramatischen Entwicklungen in Moldau zeigen, dass der russische Imperialismus nicht allein auf die Ukraine beschränkt ist. Während Europa abermals streitet und gespalten ist, eskaliert Russland munter weiter. Putin will mehr und nimmt nun auch Moldau ins Visier“, sagte Roth unserer Redaktion. „Russland hat überall in seiner Nachbarschaft eingefrorene Konflikte geschaffen, die nun nach Belieben aufgetaut werden können, um die Destabilisierung Osteuropas voranzutreiben. Der Hilferuf der prorussischen Separatisten in Transnistrien an Moskau ist ein abgekartertes Spiel und erinnert an die Entwicklungen in der Ostukraine kurz vor Russlands Einmarsch“, so Roth.
Russische Nachrichtenagenturen zitierten am Mittwoch das Außenministerium in Moskau mit den Worten, „der Schutz der Interessen der Bewohner Transnistriens, unserer Landsleute, ist eine der Prioritäten“.
An diesem Donnerstag wird eine Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin zur Lage der Nation erwartet. Beim EU-Beitrittskandidaten Moldau, der zwischen der Ukraine und Rumänien liegt, dürften diese Nachrichten die Angst vor einer russischen Aggression auch auf ihrem Staatsgebiet schüren – erst recht, weil Russland bereits seit Jahrzehnten eigene Soldaten in Transnistrien stationiert hat.
SPD-Außenpolitiker Roth sagte, das Ziel sei klar: „Putin will verhindern, dass sich Moldau weiter an die EU annähert“, sagte Roth. Er appellierte an die Europäische Union: „Die EU muss jetzt entschlossen und geschlossen an der Seite Moldaus stehen und deutlich machen: Osteuropa ist nicht der Vorhof der Macht Putins.“
Die Region ist seit den 1990er-Jahren von Moldau abtrünnig. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 haben sich moldauische Politiker immer wieder sehr besorgt gezeigt. Beobachter warfen Russland zudem vor, die Lage in der Region gezielt mit Provokationen zu destabilisieren.
Die Machthaber in Transnistrien verwiesen in ihrem Appell an Moskau nun auch auf russische Staatsbürger, die in dem Separatistengebiet lebten. Auch das dürfte viele beunruhigen. Laut russischer Militärdoktrin sind Einsätze der Armee auch außerhalb des eigenen Staatsgebiets erlaubt, wenn es um den vermeintlichen Schutz russischer Staatsbürger geht. Zurzeit hat aber auch der Kreml Transnistrien nicht als eigenen Staat anerkannt.
Angesichts der jüngsten Entwicklungen zeigten sich weitere
Außen- und Verteidigungspolitiker aus Deutschland besorgt. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), rief zu Entschlossenheit gegen Russlands Vorgehen auf. „Es hat alles Methode und ist nicht wirklich überraschend. Putin provoziert jetzt an allen geografischen Ecken und Enden. Umso wichtiger ist es, dass wir besonders in der Ukraine nicht nur Position beziehen, sondern den Worten Taten folgen lassen und wirklich alles tun, damit die Ukraine den Krieg gewinnt“, sagte sie auf Anfrage. „Putin riecht es, wenn wir schwächeln und er und seine Proxies werden alles tun, um uns weiter zu verunsichern. Nicht eiern ist das Gebot der Stunde, sondern Klarheit und Entschlossenheit“, sagte Strack-Zimmermann.
Auch der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen mahnte mehr Unterstützung für die Ukraine an. „In der moldauischen Region Transnistrien zeichnet sich ab, wovor viele seit zwei Jahren warnen: Nämlich, dass der Krieg sich ausweitet. Auch in den Grenzgebieten der Ukraine hatten russlandtreue Separatisten Moskau zunächst um Hilfe gebeten, bevor es zur Annexion durch Russland kam“, sagte Röttgen. „Es folgte die Vollinvasion der Ukraine. Umso schwächer der Westen in seiner Unterstützung der Ukraine auftritt, desto sicherer fühlt sich Putin in seinen imperialistischen Bestrebungen. Um diesen Prozess zu stoppen, müssen wir dafür sorgen, dass Russland in der Ukraine scheitert“, sagte der CDU-Politiker.
Der Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), brachte neue Sanktionen gegen Russland ins Gespräch. „Ich schaue mit großer Sorge auf die Entwicklungen in Transnistrien“, sagte er. Die Parallelen zu den seit 2014 in der Ostukraine von Russland besetzten Gebieten seien erkennbar.