Die „Wirtschaftswende“zur Profilierung der FDP
Die Ampel-Koalition zu verlassen, wäre die schlechteste Option für die FDP. Um sich aber inhaltlich abzusetzen, setzt Parteichef Lindner auf ein Ur-Thema der Liberalen.
Die FDP bringt es in aktuellen Umfragen zwar nur noch auf etwa fünf Prozent, doch in der Bundesregierung ist sie sehr einflussreich, wie sich am Mittwoch wieder zeigte: Bei der Brüsseler Abstimmung über die EU-Lieferkettenrichtlinie sorgte die FDP dafür, dass sich Deutschland enthält. Das EU-Gesetz ist damit vorerst gescheitert – sehr zum Unmut von SPD und Grünen, die den Liberalen den Bruch einer Koalitionsvereinbarung vorwerfen. Es war nicht das erste Mal, dass die FDP ausschert: Ihr Veto legte sie in dieser Legislaturperiode auch schon beim Verbrenner-Aus, beim Atomausstieg oder immer wieder gegen die Aufgabe der Schuldenbremse ein.
Sie trug damit ihren Teil zur Entfremdung der Ampel-Parteien bei – so weithin wahrnehmbar, dass sich Beobachter fragen, wie lange es die Liberalen in der Koalition mit den beiden linken Partnern noch aushalten wollen. Die Antwortet lautet: Bis zum bitteren Ende dieser Legislaturperiode. Parteichef Christian Lindner, die unumstrittene Nummer eins bei den Liberalen, will die Ampelkoalition nicht platzen lassen. Er hat dafür gute Gründe: Die FDP soll nicht Auslöserin einer Regierungskrise werden, die die wirtschaftliche Schwäche noch vertiefen würde. Bei einer Neuwahl könnte dies das Aus für die FDP im Bundestag bedeuten.
Da diese Grundsatzentscheidung gefallen ist, sieht Lindner die Chance der FDP nur in einer besseren Profilierung innerhalb der Ampel. Er will die FDP wegbringen vom
Image einer Wendehals-Partei, die ihr Fähnchen stets nach dem Wind dreht – hin zu einer staatstragenden und vernünftigen Kraft, die einzige in der Bundesregierung, die wirklich für eine „Wirtschaftswende“sorgen kann, weil sie über die besseren, die richtigen Konzepte dafür verfügt.
Lindner hat sich dem Vernehmen nach sehr geärgert über die Worte seines Generalsekretärs vor zwei Wochen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass eine bürgerliche Koalition aus CDU, CSU und FDP in der Lage wäre, die Probleme des Landes nicht nur gemeinsam richtig zu analysieren, sondern tatsächlich auch gemeinsam Lösungen zu finden“, hatte Bijan Djir-Sarai in einem Interview gesagt. Das kam nicht gut an bei den Koalitionspartnern, aber auch nicht in weiten Teilen der eigenen Partei.
CDU-Chef Friedrich Merz ließ Djir-Sarais unnötige Avancen abtropfen. Die Union mache keine Koalitionsaussagen, auch nicht für die FDP, so Merz. Wenn sich abzeichne, dass die FDP ohnehin keine Chance habe, in den nächsten Bundestag zu kommen, werde die Union ihr Stimmen abjagen.
Mit Lindner soll sich Djir-Sarai nicht abgesprochen haben, doch seine Worte wirkten immerhin in die Partei hinein wie ein Weckruf. In der Schwäche der deutschen Wirtschaft hat die FDP ihr neues Hauptthema erkannt. Bundesfinanzminister Lindner arbeitet intensiv an einem Konzept für die „Wirtschaftswende“, ein Wort, für das er das Copyright beanspruchen kann. Lindner will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Beine machen – oder Paroli bieten, wie immer man das sehen will.
Fest steht, dass sein Plan zur Ankurbelung von Investitionen und Wachstum ein völlig anderer sein wird als der Habecks: Statt wie der Grüne eher auf staatliche Industriepolitik und Subventionen will Lindner auf Entlastungen über steuerliche Reformen und Bürokratieabbau setzen. „Die FDP will alles tun, damit es Deutschland wirtschaftlich wieder besser geht“, formuliert es der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel.
Intern drückt der Parteichef aufs Tempo. Bereits in zehn Tagen, am 11. März, soll das FDP-Präsidium seine Vorschläge für die „Wirtschaftswende“beschließen. Einen Tag später, am 12. März, debattiert darüber die Bundestagsfraktion in einer Klausurtagung.
In der Schwäche der deutschen Wirtschaft hat die FDP ihr neues Hauptthema erkannt.