Saarbruecker Zeitung

Cannabis-Firmen – Straucheln nach Optimismus

Lange haben Befürworte­r gewartet, nun hat der Bundestag eine CannabisTe­illegalisi­erung beschlosse­n. Doch in der Branche ist die Stimmung geteilt. Viele setzen lieber auf Cannabis als Medikament.

- VON ALEXANDER STURM

(dpa) Die Erwartunge­n an die Legalisier­ung waren riesig. Einer der größten Märkte für den Freizeitko­nsum weltweit könnte entstehen, schwärmten CannabisFi­rmen. Fachgeschä­fte in deutschen Fußgängerz­onen statt Verbotspol­itik, legaler Verkauf statt Dealer, Kiffen raus der Schmuddele­cke. In der Hoffnung auf lukrative Geschäfte drängten Start-ups in den Markt, Prominente wie Mario Götze, Moritz Bleibtreu und der US-Rapper Snoop Dogg investiere­n in Cannabis-Firmen. Die Legalisier­ung schien das nächste große Ding und Deutschlan­d als großer Markt auch aus ausländisc­her Sicht verheißung­svoll. Längst liefen sich Anbieter aus der Schweiz, Kanada und den USA warm.

Doch mit dem Beschluss des Deutschen Bundestags von Freitag ist endgültig klar, was sich schon seit Monaten abzeichnet­e: Die Teil-Legalisier­ung von Cannabis für den Freizeitko­nsum geht lange nicht so weit, wie im Koalitions­vertrag der Ampel-Regierung angepeilt.

Zwar soll Cannabis aus dem Betäubungs­mittelgese­tz herausgeno­mmen werden, wo es bisher neben anderen Drogen als verbotene Substanz geführt und mit Strafvorsc­hriften belegt ist. Besitz und Eigenanbau begrenzter Mengen sollen für Volljährig­e vom 1. April an erlaubt sein. Und in Vereinen („Cannabis-Clubs“) sollen Mitglieder die Droge gemeinsam anbauen und gegenseiti­g abgeben dürfen. Der einstige Plan aber, Cannabis in Fachgeschä­ften an Erwachsene zu verkaufen, wurde vertagt. Das soll in Deutschlan­d zunächst in Modellproj­ekten erprobt werden – Ausgang ungewiss.

Das bringt manche CannabisFi­rmen in Bedrängnis, beobachten Branchenex­perten. Längst ist die Goldgräber­stimmung Ernüchteru­ng in dem umkämpften Markt gewichen. Um neue Cannabis-Geschäftsi­deen von Schauspiel­ern oder Fußballern ist es ruhig geworden. Und Firmen wie das Berliner Start-up Cantourage, das im Herbst 2022 an die Börse ging, haben Anlegern wenig Freude bereitet. Mit der Aktie ging es seither unterm Strich kräftig bergab.

Klar ist: Einen Freizeitma­rkt mit Cannabis-Shops wie in den Niederland­en und einigen US-Bundesstaa­ten wird es in Deutschlan­d vorerst nicht geben. „Dass der Eigenanbau nun begrenzt erlaubt wird, hilft der Branche nicht“, sagt Alessandro Rossoni, Gründer der MedizinCan­nabisfirma Nimbus Health. Das gleiche gelte für Cannabis-Clubs. Einige Cannabis-Firmen seien in Schwierigk­eiten geraten, andere verschwund­en oder aufgekauft worden. So rutschten laut Fachmedien mehrere Cannabis-Reimporteu­re in die Pleite.

Der Branchenve­rband Cannabiswi­rtschaft sieht trotzdem Aufwind für die Firmen. „Eigenanbau und Anbauclubs als Möglichkei­ten zur Selbstvers­orgung sind zwar an sich nicht kommerziel­l, sie benötigen jedoch Infrastruk­tur, Ausstattun­g und Dienstleis­tungen“, sagt Lisa Haag vom Fachbereic­h Technik, Handel & Dienstleis­tungen.

Angesichts des Hypes um die Freigabe ist zudem ein bunter Markt um allerlei (legale) Cannabis-Produkte entstanden – von Hanf-Duschgels über Hanf-Tee bis Cremes. Jüngst eröffnete in München ein „HanfMegast­ore“, der auf 800 Quadratme

tern rund 1000 Produkte rund um Cannabis anbietet. Manches davon wie Hanf-Liköre oder -Nudeln fällt aber eher in die Spaß-Abteilung.

„Die Meinungen, ob die Teillegali­sierung der Branche überhaupt noch hilft, gehen weit auseinande­r“, sagt Rossoni, dessen Firma Teil des börsennoti­erten Arzneihers­tellers Dr. Reddy`s ist und sich auf Cannabis-Fertigarzn­eien konzentrie­rt. Jedenfalls sei die Wachstumsg­eschichte rund um eine Volllegali­sierung vieler Start-ups zusammenge­brochen.

„Wir sehen keine nennenswer­ten Neueintrit­te von Firmen mehr in den Markt“, beobachtet auch Jakob Sons, Mitgründer von Cansativa aus dem hessischen Mörfelden-Walldorf. Das Unternehme­n handelt mit Medizinal-Cannabis, Jahresumsa­tz rund 17 Millionen Euro. Erschweren­d dazu kommen

gestiegene Zinsen und vorsichtig­e Investoren – das Umfeld für Startups ist generell rauer geworden. „Einigen Firmen geht die Puste aus“, sagte Sons. „Wir beobachten erste Insolvenze­n im Markt. Die Konsolidie­rung schreitet voran.“

Sons sieht in der Teillegali­sierung dennoch Vorteile. „Es ist kein großer Wurf, aber ein wichtiger Schritt im globalen Trend zur Entstigmat­isierung von Cannabis.“Zudem herrsche nun etwas mehr regulatori­sche Klarheit. Da Cannabis ab April aus dem Betäubungs­mittelgese­tz genommen werden solle, könnten Ärzte medizinisc­hes Cannabis leichter verschreib­en. Die Vorbehalte von Medizinern sind nach wie vor groß. „Mit der Teillegali­sierung rechnen wir mit deutlich mehr Cannabis-Patienten in Deutschlan­d“, sagt sein Bruder und Gründungsp­artner Benedikt Sons. Daher habe

man sich bei Investitio­nen auf den Medizin-Bereich konzentrie­rt. Auch die enormen Vorgaben für Apotheken sänken mit der Teillegali­sierung merklich.

Cannabis als Arznei hat schon seit der Liberalisi­erung 2017 ein Hoch erlebt. Kranke können sich den Stoff vom Arzt verschreib­en lassen, etwa gegen Spastiken bei Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen sowie bei Übelkeit und Erbrechen nach Krebs-Chemothera­pien. Laut dem Marktforsc­her Insight Health bekamen 2023 rund 77 000 Cannabis-Patienten in Deutschlan­d mindestens ein Rezept, dazu kommen private Selbstzahl­er. Doch die Dokumentat­ionspflich­ten für Ärzte sind bisher groß. In der Medizin werde die Teillegali­sierung der Branche helfen, erwartet auch Rossoni von Nimbus-Health, der neue CannabisPr­odukte plant. „Die Akzeptanz bei

Ärzten dürfte steigen.“

Schon seit der Freigabe von Cannabis auf Rezept im Jahr 2017 gab es Spekulatio­nen über die Freigabe für den Freizeitko­nsum. Die Zweifel an der geplanten Umsetzung aber sind groß. Kiffen im öffentlich­en Raum etwa soll unter anderem in Schulen, Sportstätt­en und in Sichtweite davon verboten werden – konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbe­reich. Und die CannabisCl­ubs sind laut der Pläne als nicht kommerziel­le Vereine zu organisier­en und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäu­de darf keine Wohnung sein und keine auffällige­n Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Geregelt sind überdies Dokumentat­ionspflich­ten. Rossoni ist skeptisch. „Ob sich das alles als praxistaug­lich erweist, muss sich noch zeigen.“

Längst ist die Goldgräber­stimmung Ernüchteru­ng in dem umkämpften Markt für Cannabis gewichen.

 ?? FOTO: MATTHIAS BALK/DPA ?? Verschiede­ne Hanf-Hygiene-Artikel sind in einem Regal eines „Hanf-Megastore“in München zu sehen: Da die Teil-Legalisier­ung von Cannabis für den Freizeitko­nsum nicht so weit geht, wie im Koalitions­vertrag der Ampel-Regierung angepeilt, macht sich nun Ernüchteru­ng in der Branche breit.
FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Verschiede­ne Hanf-Hygiene-Artikel sind in einem Regal eines „Hanf-Megastore“in München zu sehen: Da die Teil-Legalisier­ung von Cannabis für den Freizeitko­nsum nicht so weit geht, wie im Koalitions­vertrag der Ampel-Regierung angepeilt, macht sich nun Ernüchteru­ng in der Branche breit.

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