„Dieses Projekt war ein Monster“
„Dune: Part Two“startet im Kino. Ein Gespräch mit Regisseur Denis Villeneuve über Ehrgeiz und seine Pläne nach „Dune“.
Mit eigenwilligen Kino-Dramen in seiner franko-kanadischen Heimat hat Regisseur Denis Villeneuve seine Karriere begonnen, der Durchbruch gelang ihm 2011 mit dem Oscar-nominierten Film „Die Frau, die singt“. Inzwischen ist der 56-Jährige Hollywoods Experte für große, anspruchsvolle Science-Fiction-Projekte. Nach „Arrival“und „Blade Runner 2049“legt er nun „Dune: Part Two“vor, die Fortsetzung seines Oscar-prämierten Films von 2021.
2021 startete Ihr Film „Dune“, der nur eine Hälfte des legendären Science-Fiction-Romans von Frank Herbert erzählt und reichlich abrupt endet. Dabei wussten Sie damals noch gar nicht, ob Sie den zweiten Teil überhaupt würden drehen können, oder?
VILLENEUVE Sagen wir es so: Offiziell grünes Licht für „Dune: Part Two“hatte ich damals nicht. Aber ich glaube, es hätte einer Katastrophe bedurft, damit mir die Produzenten den Stecker für die Fortsetzung ziehen. Spätestens nach Ansicht des fertigen Films sagten sie mir deutlich, dass sie einen zweiten wollen, unabhängig vom Einspielergebnis des ersten. Ob ich nach einem Flop noch Lust gehabt hätte, steht auf einem anderen Blatt.
War die Arbeit an „Dune: Part
Two“leichter als beim ersten Mal, weil Sie in eine vertraute Welt zurückkehren? Oder war der Druck noch größer?
VILLENEUVE Beides. Manches war natürlich einfacher, denn ein Großteil der Crew war der gleiche wie beim ersten Mal, und tatsächlich waren wir vertraut mit dieser Welt und dem Vokabular, mit dem wir von ihr erzählen. Viele wichtige Entscheidungen waren also schon getroffen. Von daher gab es am Anfang durchaus einen kurzen Moment, wo meine Frau und Produktionspartnerin Tanya Lapointe und
ich dachten: Das kriegen wir dieses Mal gut hin, schließlich haben wir ja schon eine Runde hinter uns. Allerdings ist dieser zweite Teil als Film doch noch einmal um einiges ambitionierter. Und so stellten wir schnell fest, dass dieses Projekt ein Monster war – alles war größer und komplexer, es gab keinen einzigen Drehtag, der ein Kinderspiel war.
In welcher Hinsicht ambitionierter?
VILLENEUVE Die Geschichte spannt dieses Mal einen noch größeren Bogen, das Tempo ist anders, erzählerisch wie visuell ist es noch komplexer, nicht zuletzt in der Bildgestaltung und bei den Spezialeffekten. Mein Anspruch war, in jeder Hinsicht noch eins draufzusetzen – und dabei entwickelte ich eine gewisse Dickköpfigkeit. Der Ritt auf einem Sandwurm ist dafür nur eines von vielen Beispielen. Überhaupt die Wüste! Bei „Dune“haben wir ungefähr 30 Prozent des Films in Jordanien gedreht. Dieses Mal waren es deutlich mehr Wüstenszenen, nun gedreht in Abu Dhabi.
Für die Szenen mit den Sandwürmern zeichnete dieses Mal auch
Ihre Ehefrau verantwortlich, der Sie den Dreh dieser Sequenzen größtenteils übertrugen. Fiel Ihnen als Perfektionisten schwer, die Sequenz aus der Hand zu geben? VILLENEUVE Nein, denn ohne sie hätte ich es nicht geschafft. Und Tanya verbringt ohnehin sieben Tage die Woche rund um die Uhr mit mir und meinen Projekten. Wir lernten uns beim Dreh zu meinem Film „Arrival“kennen, danach hat sie mit mir bei „Blade Runner 2049“und dem ersten „Dune“-Film zusammengearbeitet. Niemand kennt mich und meine Vision so sehr wie sie. Das heißt nicht, dass es vollkommen unkompliziert war. Die Arbeit an diesen Sandwurm-Szenen nahm mehrere Wochen in Anspruch, das hätte ich alleine parallel zu allem anderen nicht geschafft. Aber mit jemand anderem als ihr hätte ich das so nicht gemacht, dazu gebe ich wirklich zu ungern Verantwortung ab.
Muss man als Regisseur bis zu einem gewissen Grad Egomane sein?
VILLENEUVE Vermutlich. Im Grunde ist das ein anmaßender Beruf. Man darf Millionen von Dollar
dafür ausgeben, um Bilder auf die Leinwand zu bringen, die man sich ausgedacht hat. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich da eine andere Wahl habe, als stur und so perfekt wie möglich das umzusetzen, wofür man mir das Geld gegeben hat.
„Dune: Part Two“bietet nicht nur mehr Action, auch die Romanze zwischen den von Timothée Chalamet und Zendaya verkörperten Figuren nimmt einen größeren Raum ein. Wie fanden Sie die Balance zwischen diesen beiden Elementen?
VILLENEUVE Die Romanvorlage gab da die Richtung vor. Was die Umsetzung angeht, empfand ich die zwischenmenschlichen Beziehungen als deutlich größere Herausforderung. Die Actionszenen waren technisch auch kompliziert. Aber ich finde immer, dass die Arbeit daran auch etwas Spielerisches hat, so als würde man mit Legosteinen eine Szenerie bauen. Die Arbeit an den Figuren und ihrem Innenleben bedarf sehr viel mehr Feingefühl und Ernsthaftigkeit. Da musste ich viel mehr auf der Hut sein, dass mir keine Patzer unterlaufen.
Begonnen haben Sie Ihre Karriere in Kanada mit schmal budgetierten Dramen, und auch Ihre ersten US-Filme wie „Prisoners“hatten noch längst nicht die Größenordnung Ihrer heutigen Arbeiten. Sehnen Sie sich manchmal nach diesen Zeiten zurück?
VILLENEUVE Nein, denn aktuell habe ich die Energie und die Möglichkeiten, mich diesen großen Projekten zu widmen, und das will ich ausnutzen. Kleinere, intimere Geschichten kann ich auch in 20 Jahren noch erzählen. Wobei sich die eigentliche Arbeit letztlich gar nicht so sehr unterscheidet. Worauf es mir am meisten ankommt, ist die enge, intensive Zusammenarbeit mit meinen Schauspielerinnen und Schauspielern, meinem Kameramann und dem engsten Team. Daran ändert die Höhe des Budgets nichts.
Die Verfilmung von „Dune“war seit Jahrzehnten Ihr größter Traum. Was kommt jetzt, wo dieser Traum in Erfüllung gegangen ist? VILLENEUVE Mein eigentlicher Traum wäre noch ein dritter Film, der dann auf Herberts Buch „Dune Messiah“basieren würde. So ganz bin ich nämlich noch nicht bereit dafür, dass meine „Dune“-Reise nun nach rund sechs Jahren wirklich an einem Ende angekommen sein soll. Das merkte ich schon unmittelbar nach der Fertigstellung des neuen Films. Aber ich habe zum Glück auch noch ein paar andere Träume. Ideen gibt es jede Menge, und vor allem genug Ehrgeiz, immer noch etwas besser zu machen. Sollte der Moment kommen, an dem ich das Gefühl habe, den perfekten Film geschaffen zu haben, dann höre ich auf. „Dune: Part Two“läuft in vielen Kinos der Region. Kritik zum Film in unserer Beilage treff.region.