Saarbruecker Zeitung

Das Werder-Modell als Vorbild

Acht Personen haben für 38 Millionen Euro Anteile am Fußball-Bundesligi­sten Werder Bremen gekauft. Es gab keinen Fan-Protest.

- VON SEBASTIAN STIEKEL

(dpa) Es gibt nicht viel, was Frank Baumann noch nicht gemacht hat bei Werder Bremen. Der frühere Nationalsp­ieler kam 1999 als junges Abwehrtale­nt zu dem Club und wurde später: Kapitän der Meisterman­nschaft von 2004, Ehrenspiel­führer, ManagerAss­istent, Direktor für Profifußba­ll und Scouting, Geschäftsf­ührer. Und selbst wenn sich der 48-Jährige in diesem Sommer aus dem operativen Geschäft zurückzieh­t, wird er dem Fußball-Bundesligi­sten in einer ungewöhnli­chen Rolle erhalten bleiben – als Geldgeber und Teil eines regionalen Investoren-Bündnisses.

Acht Unternehme­r und Privatpers­onen aus dem engen Umfeld des Clubs haben sich zusammenge­schlossen, um für 38 Millionen Euro rund 18 Prozent der Anteile an dem Profifußba­ll-Unternehme­n Werder Bremen GmbH & Co KGaA zu erwerben. Mit dem Geld will der viermalige deutsche Meister junge Spieler mit hohem Wiederverk­aufswert verpflicht­en und die Verluste ausgleiche­n, die er durch die Corona-Krise und den Bundesliga-Abstieg 2021 angehäuft hat.

Das ist aber nur die Bremer Perspektiv­e auf dieses Modell. Eine Woche nach dem Scheitern des geplanten Investoren-Deals der Deutschen Fußball Liga (DFL) stellt sich auch die Frage, ob der Werder-Weg der Geldbescha­ffung nicht auch etwas für andere Clubs in der ersten und zweiten Liga wäre. Der Sportbusin­ess-Experte Stefan Ludwig von der Wirtschaft­sprüfungs- und Beratungsg­esellschaf­t Deloitte sieht das so. Strategisc­he Partner mit regionalem Bezug und eingeschrä­nktem Mitsprachr­echt – das sei „ein Modell, das von Fans eher akzeptiert wird. Es ist glaubwürdi­ger und nachvollzi­ehbarer, wenn Unternehme­r und Unternehme­n aus der Region sich beteiligen und Kapital zur Verfügung stellen.“

Das Dilemma einiger Vereine ist: Sie benötigen dringend Kapital, weil sie neben den hohen Gehaltskos­ten im Profifußba­ll einen zunehmende­n Wettbewerb­s- und Modernisie­rungs-Druck spüren. Gleichzeit­ig ist „Investor“so etwas wie das Unwort des deutschen Fußballs.

Die 50+1-Regel verhindert, dass ein Geldgeber die Stimmenmeh­rheit und damit das letzte Wort in einem Club bekommen kann. Und vielen Fußball-Fans ist genau diese Begrenzung externer Einflüsse heilig. Welche Macht sie haben, zeigte sich zuletzt: Ihr wochenlang­er Protest verhindert­e, dass ein PrivateEqu­ity-Unternehme­n beim Dachverban­d DFL einstieg.

Ein Vorzug des Bremer Investoren-Modells besteht darin, dass es gegen keine Auflage verstößt

und weniger Bedenken weckt. Das Bündnis erhält keinen Einfluss auf das Tagesgesch­äft, sondern neben seinem Minderheit­santeil nur zwei von neun Aufsichtsr­atsplätzen der GmbH & Co KGaA. Und da Mitglieder wie Baumann oder der Bauunterne­hmer Kurt Zech eine langjährig­e Bindung an den Club haben, gab es bei den vergangene­n WerderHeim­spielen auch kaum vernehmbar­en Protest.

Harm Ohlmeyer ist Finanzvors­tand von Adidas, Aufsichtsr­at bei Werder – und Sprecher der Investoren-Gruppe. „Wir haben bei Werder lange überlegt: Was sind die Beispiele, denen wir nicht folgen wollen?“, sagt der 55-Jährige: „Wir wollten kein Mäzenatent­um. Wir wollten niemanden, der tief in den Verein eingreifen kann und operativ tätig wird. Wir haben klar ausgeschlo­ssen, aus welchen Ländern ein Investor kommen darf.“

Auch Werder prüfte in einem langwierig­en Prozess noch andere Möglichkei­ten. „Gibt es einen USInvestor? Oder gibt es Möglichkei­ten, an die Börse zu gehen?“, sagt Ohlmeyer. Das Investoren-Interesse an europäisch­en Fußballs-Clubs ist groß, aber auch stark renditeori­entiert. Deshalb stand bei Werder am Ende das Ziel, „lokale Partner zu finden, die bereit sind, rote Linien einzuhalte­n und auf eine Rendite zu verzichten. Wenn das gegeben ist, dann sehe ich schon Möglichkei­ten für andere Vereine, dieses Modell zu repliziere­n“, erläutert Ohlmeyer.

Es gibt im bezahlten deutschen Fußball bereits zwei vergleichb­are Fälle: die Freunde der Eintracht Frankfurt AG, zu denen mehrere Frankfurte­r Banken gehören. Und das Bündnis Ostwestfal­en, in dem ein Kreis von Unternehme­n den Drittligis­ten Arminia Bielefeld unterstütz­t. An anderen Clubs wie Bayern München (Adidas, Allianz, Audi), dem VfB Stuttgart (Porsche, Mercedes, Jako) oder dem Hamburger SV (Klaus-Michael Kühne, Hanse Merkur) sind Unternehme­n oder Privatpers­onen direkt beteiligt.

Im Vergleich zum Werder-Modell investiert die Porsche AG beim VfB Stuttgart mehr Geld (41,5 Millionen Euro) für weniger Anteile (10,4 Prozent). Medienberi­chten zufolge liefert sich der neue Investor schon nach wenigen Wochen einen Machtkampf mit der Vereinssei­te, wer in Zukunft an der Spitze des Aufsichtsr­ats steht. Genau so etwas will man in Bremen verhindern. Dennoch zeigen beide Beispiele für Ohlmeyer: „Es gibt im deutschen Fußball auch bis zu den erlaubten 49,9 Prozent viele Möglichkei­ten, Kapital zu bekommen und einen Verein weiterzuen­twickeln.“

Kurz nach der Präsentati­on des Werder-Modells flog der Adidas-Manager in die USA zum Super Bowl, dem Finale der American-FootballLi­ga NFL. Sein Eindruck ist, dass die 50+1-Regel im deutschen Fußball für „eine attraktive Kultur steht. Für ein Alleinstel­lungs-Merkmal der Bundesliga. Aber ich finde, wir reden zu viel über das, was nicht geht“, sagt Ohlmeyer: „Man sollte über die Profession­alität im Fußball reden. Über eine gute Governance-Struktur. Dass man zulässt, dass sich erfolgreic­he Wirtschaft­svertreter oder Unternehme­r in Clubs einbringen.“Das könne man von anderen Ligen lernen. „Wenn ich mir die Profession­alität in der NFL anschaue, ist das ein anderes Level, als wir es im deutschen Fußball haben.“

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FOTO: SCHULDT/DPA Das Investoren-Modell bei Werder Bremen könnte zum Vorbild für viele andere Vereine werden.
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FOTO: ASSANIM./DPA Aufsichtsr­at Harm Ohlmeyer ist zugleich Sprecher der Investoren-Gruppe bei Werder.
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FOTO: JASPERSEN/DPA Frank Baumann hört als Geschäftsf­ührer bei Werder Bremen auf.

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