Keine EU-Pflicht zu Medizinchecks für ältere Fahrer
Am Mittwoch hat das EU-Parlament in Straßburg über neue Regeln für Führerscheine in Europa abgestimmt. Die Abgeordneten möchten es den EU-Staaten überlassen, ob sie verpflichtende regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen von Autofahrern einführen wollen.
Der Widerstand kam vorweg aus Deutschland und zog sich in seltener Einigkeit durch fast alle Fraktionen im Europaparlament. Es ging um die kontroverse Forderung, dass Autofahrer künftig regelmäßig verpflichtet werden sollen, ihre Gesundheit überprüfen zu lassen. Am gestrigen Mittwoch stimmten die EU-Abgeordneten über die Reform der EU-Führerscheinrichtlinie ab. Und die Antwort auf die Frage beim Thema verpflichtende Gesundheitstests lautete im Anschluss: Vielleicht.
Zumindest ließ sich die Richtlinie unterschiedlich interpretieren. Während der liberale Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen den Text so verstand, dass „die GrünenKontrollfantasien“keine Mehrheit gefunden hätten, hieß es vom Parlament, man wolle es den EU-Staaten überlassen, ob sie regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen von
Autofahrern zur Pflicht machen wollen. Weil Deutschland solche bislang ablehnte, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Bundesrepublik Fahrtauglichkeitstests einführt, also gering.
Trotzdem zeigte sich der christdemokratische EU-Abgeordnete Jens Gieseke zerknirscht. Die Richtlinie sei in diesem Punkt nicht kohärent, sagte er nach dem Votum. So wurden an einigen Stellen die Verweise darauf gestrichen, an anderer Stelle beibehalten. Im Änderungsantrag 205 etwa steht, dass sich Antragsteller „einer ärztlichen Untersuchung, einschließlich einer angemessenen Untersuchung des Sehvermögens“
unterziehen müssen. Antragsteller, so fasste es Gieseke auf, kann jedoch nicht nur jemand sein, der den Führerschein zum ersten Mal erwirbt, sondern auch Bürger, die ihren Führerschein erneuern. Im Moment ist der sogenannte Lappen 15 Jahre lang gültig, dann muss er verlängert werden. Das betrifft das Dokument und nicht die Fahrerlaubnis.
Bisher habe die Richtlinie für Millionen von Fahrern „einen echten Mehrwert“geliefert, befand der EU-Abgeordnete Gieseke: „Zum Einkaufen schnell über die Grenze, im Urlaub einen Mietwagen fahren, – kein Problem dank europaweiter
Anerkennung“. Diesen Mehrwert hätten Grüne, Linke und Sozialdemokraten für „zunichtegemacht“.
Trotz der Diskussionen im hohen Haus Europas und unterschiedlich auslegbaren Worten im Gesetzestext sieht es nicht danach aus, als ob die Checks europaweit obligatorisch werden. Denn die Mitgliedstaaten, die bereits ihre Position für die nun anstehenden Trilogverhandlungen zwischen Rat und Parlament festgelegt haben, dürften in der Streitfrage für Klarheit sorgen.
Länder wie Deutschland, Frankreich und Polen hatten sich gegen verpflichtende medizinische Checks ausgesprochen, deshalb ist es kaum vorstellbar, dass diese es in den finalen Kompromiss schaffen werden.
Dabei gibt es in vielen Ländern bereits Vorgaben. So müssen dänische Autofahrer ab dem 80. Lebensjahr jedes Jahr einen Test ablegen. In den Niederlanden besteht eine ärztliche Bescheinigungspflicht, die ab dem
„Zum Einkaufen schnell über die Grenze, im Urlaub einen Mietwagen fahren, – kein Problem dank europaweiter Anerkennung“Jens Gieseke (CDU) EU-Abgeordneter
75. Lebensjahr eine Überprüfung der Fahrtüchtigkeit alle fünf Jahre vorsieht. In Spanien ist für Bürger ab 65 alle fünf Jahre ein obligatorischer Gesundheitstest vorgeschrieben. Auch die Italiener sind zu regelmäßigen Untersuchungen verpflichtet.
Breite Zustimmung fand am Mittwoch die europaweite Anerkennung des begleiteten Fahrens ab 17 Jahren. Wer unter Alkohol- oder Drogeneinfluss oder mit überhöhter Geschwindigkeit fährt, muss mit strengeren Strafen rechnen. Außerdem soll ab 2033 ein digitaler Führerschein als Ergänzung zur Plastikkarte eingeführt werden. Vom Tisch ist dagegen „die Altersdiskriminierung durch eine verkürzte Gültigkeitsdauer des Führerscheins“, wie FDP-Mann Oetjen es nannte.