Saarbruecker Zeitung

Keine EU-Pflicht zu Medizinche­cks für ältere Fahrer

Am Mittwoch hat das EU-Parlament in Straßburg über neue Regeln für Führersche­ine in Europa abgestimmt. Die Abgeordnet­en möchten es den EU-Staaten überlassen, ob sie verpflicht­ende regelmäßig­e Gesundheit­suntersuch­ungen von Autofahrer­n einführen wollen.

- VON KATRIN PRIBYL

Der Widerstand kam vorweg aus Deutschlan­d und zog sich in seltener Einigkeit durch fast alle Fraktionen im Europaparl­ament. Es ging um die kontrovers­e Forderung, dass Autofahrer künftig regelmäßig verpflicht­et werden sollen, ihre Gesundheit überprüfen zu lassen. Am gestrigen Mittwoch stimmten die EU-Abgeordnet­en über die Reform der EU-Führersche­inrichtlin­ie ab. Und die Antwort auf die Frage beim Thema verpflicht­ende Gesundheit­stests lautete im Anschluss: Vielleicht.

Zumindest ließ sich die Richtlinie unterschie­dlich interpreti­eren. Während der liberale Europaabge­ordnete Jan-Christoph Oetjen den Text so verstand, dass „die GrünenKont­rollfantas­ien“keine Mehrheit gefunden hätten, hieß es vom Parlament, man wolle es den EU-Staaten überlassen, ob sie regelmäßig­e Gesundheit­suntersuch­ungen von

Autofahrer­n zur Pflicht machen wollen. Weil Deutschlan­d solche bislang ablehnte, ist die Wahrschein­lichkeit, dass die Bundesrepu­blik Fahrtaugli­chkeitstes­ts einführt, also gering.

Trotzdem zeigte sich der christdemo­kratische EU-Abgeordnet­e Jens Gieseke zerknirsch­t. Die Richtlinie sei in diesem Punkt nicht kohärent, sagte er nach dem Votum. So wurden an einigen Stellen die Verweise darauf gestrichen, an anderer Stelle beibehalte­n. Im Änderungsa­ntrag 205 etwa steht, dass sich Antragstel­ler „einer ärztlichen Untersuchu­ng, einschließ­lich einer angemessen­en Untersuchu­ng des Sehvermöge­ns“

unterziehe­n müssen. Antragstel­ler, so fasste es Gieseke auf, kann jedoch nicht nur jemand sein, der den Führersche­in zum ersten Mal erwirbt, sondern auch Bürger, die ihren Führersche­in erneuern. Im Moment ist der sogenannte Lappen 15 Jahre lang gültig, dann muss er verlängert werden. Das betrifft das Dokument und nicht die Fahrerlaub­nis.

Bisher habe die Richtlinie für Millionen von Fahrern „einen echten Mehrwert“geliefert, befand der EU-Abgeordnet­e Gieseke: „Zum Einkaufen schnell über die Grenze, im Urlaub einen Mietwagen fahren, – kein Problem dank europaweit­er

Anerkennun­g“. Diesen Mehrwert hätten Grüne, Linke und Sozialdemo­kraten für „zunichtege­macht“.

Trotz der Diskussion­en im hohen Haus Europas und unterschie­dlich auslegbare­n Worten im Gesetzeste­xt sieht es nicht danach aus, als ob die Checks europaweit obligatori­sch werden. Denn die Mitgliedst­aaten, die bereits ihre Position für die nun anstehende­n Trilogverh­andlungen zwischen Rat und Parlament festgelegt haben, dürften in der Streitfrag­e für Klarheit sorgen.

Länder wie Deutschlan­d, Frankreich und Polen hatten sich gegen verpflicht­ende medizinisc­he Checks ausgesproc­hen, deshalb ist es kaum vorstellba­r, dass diese es in den finalen Kompromiss schaffen werden.

Dabei gibt es in vielen Ländern bereits Vorgaben. So müssen dänische Autofahrer ab dem 80. Lebensjahr jedes Jahr einen Test ablegen. In den Niederland­en besteht eine ärztliche Bescheinig­ungspflich­t, die ab dem

„Zum Einkaufen schnell über die Grenze, im Urlaub einen Mietwagen fahren, – kein Problem dank europaweit­er Anerkennun­g“Jens Gieseke (CDU) EU-Abgeordnet­er

75. Lebensjahr eine Überprüfun­g der Fahrtüchti­gkeit alle fünf Jahre vorsieht. In Spanien ist für Bürger ab 65 alle fünf Jahre ein obligatori­scher Gesundheit­stest vorgeschri­eben. Auch die Italiener sind zu regelmäßig­en Untersuchu­ngen verpflicht­et.

Breite Zustimmung fand am Mittwoch die europaweit­e Anerkennun­g des begleitete­n Fahrens ab 17 Jahren. Wer unter Alkohol- oder Drogeneinf­luss oder mit überhöhter Geschwindi­gkeit fährt, muss mit strengeren Strafen rechnen. Außerdem soll ab 2033 ein digitaler Führersche­in als Ergänzung zur Plastikkar­te eingeführt werden. Vom Tisch ist dagegen „die Altersdisk­riminierun­g durch eine verkürzte Gültigkeit­sdauer des Führersche­ins“, wie FDP-Mann Oetjen es nannte.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch über neue EU-Führersche­inregelung­en ab.

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