Saarbruecker Zeitung

Schafft es der Trump-Flüsterer an die Nato-Spitze?

Der Niederländ­er Mark Rutte gilt als Favorit für die Nachfolge von Nato- Generalsek­retär Stoltenber­g. Der scheidende Premier hat einen großen Makel.

- VON KATRIN PRIBYL Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein Isabelle Schmitt

Bei der Nato gilt seit jeher eine ungeschrie­bene Regel bei der Besetzung des Spitzenpos­tens: Alle Kandidaten, über die zuerst spekuliert wird, schaffen es am Ende nicht auf die Position des Generalsek­retärs. Würde man dieser Logik folgen, wird Mark Rutte definitiv nicht die Nachfolge von Jens Stoltenber­g antreten. Denn der Name des scheidende­n niederländ­ischen Premiermin­isters steht seit Monaten auf Platz eins der Liste der potenziell­en Bewerber.

Vielleicht kommt es dieses Mal aber auch ganz anders. Der Prozess zieht sich nämlich bereits so lange hin, dass die Verzweiflu­ng groß scheint, zumal die Partner einstimmig entscheide­n müssen. Einige Mitgliedst­aaten haben sich schon jetzt hinter Rutte gestellt. So ließen nicht nur Großbritan­nien, Frankreich und

Deutschlan­d über Vertraute ihre Unterstütz­ung für den Niederländ­er bekunden. Auch die US-Amerikaner sprachen sich für ihn aus. Und sie geben schlussend­lich den Ausschlag. In Brüssel wird gerne gelästert, das Prozedere zur Bestimmung eines NatoGenera­lsekretärs lasse die Wahl eines neuen Papstes wie den Inbegriff von Transparen­z erscheinen. Tatsächlic­h wird viel geschacher­t und gedealt. Immerhin handelt es sich bei der Rolle um einen politische­n Job, mehr Sekretär als General.

Während die USA traditione­ll den Oberbefehl­shaber der Nato, den sogenannte­n Saceur, stellen, pochen die EU-Länder darauf, dass der nächste Generalsek­retär wieder aus dem Club der 27 kommt. Rutte, der seit fast 14 Jahren niederländ­ischer Ministerpr­äsident ist, erfüllt aber nicht nur dieses Kriterium. So wurde er von den Amerikaner­n für sein „tiefes Verständni­s für die Bedeutung des Bündnisses“gelobt. Außerdem sei er eine natürliche Führungspe­rsönlichke­it und ein guter Kommunikat­or.

Als solcher schwirrt der 57-Jährige seit Wochen aus, als sei er auf Kampagnent­our. Erst kürzlich forderte Rutte auf der Münchner Sicherheit­skonferenz, ganz auf Nato-Linie, die Europäer müssten mehr in ihre Verteidigu­ng investiere­n. Man solle dies aber nicht wegen einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus machen, „sondern weil es in unserem Interesse ist“. Das klang allein deshalb bemerkensw­ert, weil die Niederland­e in Ruttes Amtszeit das Zwei-Prozent-Ziel stets verfehlten. Es sieht vor, dass die Bündnismit­glieder mindestens zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s in Verteidigu­ng stecken. Die jahrelange Nicht-Erfüllung ist der größte Makel in seiner Bewerbung und könnte insbesonde­re Trump aufstoßen, sollte dieser abermals zum US-Präsidente­n ernannt werden. Der betrachtet die Europäer als Schmarotze­r in Sachen Militär und die Frage ist, ob er sich noch an sein Urteil von vor sechs Jahren erinnert. Damals verdiente sich Rutte den Spitznamen „der Trump-Flüsterer“, nachdem er ein angespannt­es Treffen der Staatsund Regierungs­chefs des Bündnisses gerettet und einen tobenden Trump „zur Vernunft gebracht“hatte, wie es im Anschluss hieß.

Der damalige US-Präsident hatte sich einmal wieder über die Knausrigke­it anderer Länder beschwert. Mittlerwei­le herrscht bei der Verteidigu­ngsallianz zwar Einigkeit darüber, dass Europa mehr investiere­n muss, egal ob der Demokrat Joe Biden in Washington die Geschäfte leitet oder der Republikan­er Trump. Trotzdem werden die Streitigke­iten beim Thema Geld zu den Herausford­erungen gehören, die der künftige Generalsek­retär zu lösen hat.

Dass es derweil wieder auf eine Notlösung namens Jens Stoltenber­g hinausläuf­t, ist unwahrsche­inlich. Der Norweger geht nun wirklich, nachdem er bereits zwei Mal aus Mangel an Kandidaten und auf Wunsch der US-Amerikaner verlängert hat. Eigentlich wollte er schon 2022 aufhören. Neuerdings wird hinter den Kulissen auch der rumänische Präsident Klaus Johannis als

Überraschu­ngskandida­t gehandelt. Nur, braucht die Nato nach 75 Jahren nicht einmal eine Frau an der Spitze? Vor einem Jahr galt die Ministerpr­äsidentin Estlands Kaja Kallas als aussichtsr­eiche Bewerberin. Aber die 46-jährige hat den Ruf einer Falkin, die schärfere Worte gegen Russland wählt als viele andere im Bündnis.

Diese Botschaft wollen nicht alle Verbündete­n aussenden. Im Gegenteil. Stoltenber­g wird häufig für sein Geschick gepriesen, das Bündnis auf eine gemeinsame Linie zu bringen und Konsens auszuloten. Pünktlich zum Jubiläumsg­ipfel im Juli in Washington, wenn die Allianz ihr 75-jähriges Bestehen feiert, soll die Nachfolge offiziell bekanntgeg­eben werden.

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FOTO: DURGUT/AP/DPA Der niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte könnte der nächste Nato-Generalsek­retär werden.

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