Saarbruecker Zeitung

Die Ost-Wahlen und der Kampf um demokratis­che Stimmen

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Am Donnerstag gab sich die Bundespoli­tik in Sachsen ein Stelldiche­in: Bundeskanz­ler Olaf Scholz besuchte die Elbe Flugzeugwe­rke in Dresden, um sich den Umbau früherer Personenfl­ugzeuge in Frachtflug­zeuge anzusehen und Gespräche mit Beschäftig­ten, dem Betriebsra­t und der Geschäftsl­eitung zu führen. Danach ging es für den SPD-Politiker in die Uhrenmanuf­aktur Nomos Glashütte im Osterzgebi­rge, am Abend war dann das zwölfte sogenannte Kanzlerges­präch in Dresden mit Bürgerinne­n und Bürgern geplant.

Auch die Parteivors­itzenden von CDU und SPD, Friedrich Merz und Lars Klingbeil, waren unterwegs. Beide hatten in Chemnitz Termine, Klingbeil besuchte ein Kaufhaus und machte ein Bürgergesp­räch, die CDU hielt eine ihrer Grundsatzk­onferenzen in der sächsische­n Stadt ab. Es sind Vorboten eines Landtagswa­hlkampfes im Osten, der die Republik verändern kann. An dessen Ende die AfD stärkste Kraft in den Ländern werden könnte, in Thüringen eine schnelle Regierungs­bildung unmöglich ist, das Bündnis Sahra Wagenknech­t (BSW) in ungeahnte Höhen schießen könnte – oder alles doch ganz anders kommt.

Doch in den Berliner Parteizent­ralen ist man alarmiert – und reagiert mit verstärkte­r Präsenz, Terminen, Gesprächen, Wanderunge­n, Diskussion­en und Unternehme­nsbesuchen auf die Entwicklun­gen. Es scheint, als beginne der Wahlkampf schon im Winter. Denn es geht um mehr. Es geht auch um den Kampf um die Demokratie, demokratis­che Strukturen, eine funktionie­rende Bürgergese­llschaft. Die jüngsten Demonstrat­ionen gegen Rechtsextr­emismus, der auch im Osten die Menschen zu Tausenden auf die Straße getrieben hat, gibt den demokratis­chen Parteien auch vor Ort Kraft, so beschreibe­n es Kommunalpo­litiker von den Linken bis hin zur CDU.

Denn die Wirklichke­it ist manchmal schon schlimmer, als man es sich in der Hauptstadt ausmalt. Körperlich­e Drohungen, schriftlic­he Beleidigun­gen im Briefkaste­n, zerstochen­e Reifen an Privatauto­s, Schmierere­ien an Hauswänden, stumme Aufmärsche bei Parteitref­fen – die Liste der Widerwärti­gkeiten, denen sich politisch engagierte Menschen ausgesetzt sehen, ist lang. Da wundert es auch nicht, wenn viele aufstecken und sich zurückzieh­en.

Und so ist es gut, wenn auch die Prominenz der etablierte­n Parteien vor Ort ist – nicht nur für eine Stippvisit­e, sondern „mit Zeit“. Denn in der öffentlich­en Diskussion gerät manchmal in Vergessenh­eit, dass die Erfolge der Anti-Demokraten zwar möglich, aber weder unumgängli­ch noch sicher sind.

Die Wahlen finden erst noch statt, und Untergangs­szenarien zu beschwören, stärkt eben jene Kräfte, die sich aus Unsicherhe­it nähren. Ängstliche­s Verharren macht die Ränder stark – und vernachläs­sigt die starke demokratis­che Mitte, die immer noch die Mehrheit ist. Bei einem Treffen der Ost-Ministerpr­äsidenten dankte Sachsen-Anhalts CDU-Regierungs­chef Reiner Haseloff dem Ostbeauftr­agten der Bundesregi­erung, Carsten Schneider, für dessen Teilnahme an den Beratungen. Der SPD-Politiker sei der „kleine Bundeskanz­ler“. Der Osten rückt stärker in den Fokus. Gut so.

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