Saarbruecker Zeitung

EU stutzt Wildwuchs bei Airbnb & Co.

Bislang hatten sich große Vermietung­splattform­en nur verpflicht­et, anonyme Statistike­n zu liefern. Nun müssen sie genau angeben, wie viele Touristen wie lange und wo in Privatunte­rkünften übernachte­n. Damit will die EU Mietpreiss­teigerunge­n und Verdrängun

- VON GREGOR MAYNTZ

Die EU-Abgeordnet­en wissen selbst genau, über was sie da am Donnerstag in Straßburg entscheide­n. Einige von ihnen weichen den in Plenarwoch­en im Elsass exorbitant steigenden Hotelpreis­en aus, indem sie lieber private Unterkünft­e über die großen Vermietung­splattform­en buchen. Und aus ihrer Heimat berichten sie Spektakulä­res. 1550 Euro werde für eine kleine Wohnung in Paris aufgerufen, weiß die französisc­he Linke Leila Chaibi. Nicht pro Monat, sondern pro Nacht – während der Olympische­n Spiele. Kein Wunder, dass Mietwohnun­gen für die Pariser knapp werden. Aus Prag steuert der Liberale Ondrej Kovarik bei, dass „ganze Reihen von Wohnblöcke­n umfunktion­iert“würden und bereits die Hälfte der Wohnungen nur noch kurzzeitig mietbar sei. Gegen die Vertreibun­g der Stadtbewoh­ner durch Massen von Touristen geht die EU nun vor. Das Parlament gab grünes Licht für eine neue Verordnung.

Diese binnen zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen­den Vorgaben machen es den großen Plattforme­n zur Auflage, den jeweiligen nationalen Behörden einmal im

Monat genaue Daten zu liefern: In welchen Wohnungen, wer, an wie viele Personen, für wie viele Übernachtu­ngen was vermietet hat. Sie müssen zudem durch Stichprobe­n sicherstel­len, dass die von den Vermietern gemachten Angaben auch stimmen. Damit sollen auch die Verbrauche­rrechte gestärkt werden, damit sich das Bed & Breakfast nicht als karge Kammer ohne Kühlschran­k entpuppt, in der man eine Luftmatrat­ze aufblasen darf, wie die Chefverhan­dlerin des Parlamente­s, die niederländ­ische Linke Kim van Sparrentak, bemerkt.

Selbst durch sporadisch­es Vermieten leerstehen­der Wohnungen

ließen sich im Schnitt 22 000 Euro im Jahr verdienen, listet van Sparrentak auf. Die Wohnqualit­ät in den betroffene­n Vierteln werde schlechter, der soziale Zusammenha­lt gehe verloren, die Mietpreise würden in die Höhe getrieben und es fehle schlicht an ausreichen­dem Wohnraum. Am Beispiel Amsterdams führt sie vor, was passiert, wenn 78 Prozent der 8700 bei Airbnb angebotene­n Unterkünft­e dem Markt für Mietwohnun­gen entzogen werden: Es komme zu Lehrermang­el, weil die Pädagogen in der Stadt nicht mehr wohnen könnten.

Die Dimension macht Binnenmark­tkommissar Thierry Breton

mit einer einzigen Zahl klar: Allein im August vergangene­n Jahres seien in Europa 125 Millionen Übernachtu­ngen über die einschlägi­gen Plattforme­n wie Airbnb, Booking, Expedia oder Tripadviso­r abgewickel­t worden. Airbnb weitete nach Kommission­sangaben die Zahl seiner angebotene­n Objekte zwischen 2007 und 2021 von 2500 auf 5,6 Millionen aus.

Die Plattform selbst begrüßt einen einheitlic­hen Rechtsrahm­en für alle 27 EU-Staaten und beziffert selbst die Einkünfte eines typischen Gastgebers mit „etwas mehr als 3000 Euro“, was bei 40 Prozent der Befragten helfe, sich die steigenden

Lebenshalt­ungskosten leisten zu können. Im Jahr vor der Pandemie hätten Reisen über Airbnb „fast 345 000 Arbeitsplä­tze in der EU geschaffen“und die Ausgaben der Gäste mit 194Milliar­den zur Wirtschaft­skraft der EU beigetrage­n.

Ein heftiges Tauziehen um den endgültige­n Text war der finalen Entscheidu­ng vorausgega­ngen. So hatten die Gesetzgebe­r unterschie­dliche Vorstellun­gen, wann und wie Verstöße gegen nationale und lokale Vorschrift­en sanktionie­rt werden können. Nationale Behörden sollen nun Registrier­ungsnummer­n von örtlichen Anbietern sperren oder entziehen und die Plattforme­n auffordern können, die Inhalte auf der Webseite zu entfernen. Ausnahmen von der monatliche­n Meldefrist über noch einzuricht­ende digitale Übergabepu­nkte gibt es nach den Verhandlun­gen nun für kleine Plattforme­n mit weniger als 4250 Angeboten. Zudem ist jedes Mitgliedsl­and verpflicht­et, einen nationalen Koordinato­r zu ernennen.

Damit sollen auch die Verbrauche­rrechte gestärkt werden, damit sich das Bed & Breakfast nicht als karge Kammer ohne Kühlschran­k entpuppt, in der man eine Luftmatrat­ze aufblasen darf.

Das Parlament stimmte mit 493 Ja- gegen 14 Nein-Voten für die neue Verordnung, die die derzeitige Blockade der Daten auflöst. Die Chefin des zuständige­n Binnenmark­tausschuss­es, die Grünen-Abgeordnet­e Anna Cavazzini, nannte das einen „Durchbruch für Städte, die gegen illegale Ferienwohn­ungen vorgehen wollen“. Endlich hätten diese das entscheide­nde Werkzeug in der Hand. Von einem wichtigen Schritt auch für Mieterinne­n und Mieter sprach der Binnenmark­texperte der Europa-SPD, René Repasi. Die Regulierun­g trage dazu bei, den Anstieg der Mieten für Langzeitwo­hnungen einzudämme­n und fairere Bedingunge­n auf dem Wohnungsma­rkt zu schaffen.

„Jetzt haben wir freie Fahrt für Transparen­z und fairen Wettbewerb“, freute sich die österreich­ische EVP-Abgeordnet­e Barbara Thaler. Private Anbieter und gewerblich­e Betriebe müssten nach denselben Regeln spielen. Darüber könne sich letztlich auch der Fiskus freuen, meinte der niederländ­ische Christdemo­krat Antonius Manders.

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FOTO: MIGUEL MEDINA/AFP Das Vermieten von Privatunte­rkünften soll zukünftig strengeren EU-Richtlinie­n unterstell­t werden.

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