Saarbruecker Zeitung

Zeuge schildert grausame Kindheitse­rlebnisse

- VON KATHRIN GÄRTNER

„Ich hab mich ehrlich gesagt die letzten Jahre darum gekümmert zu vergessen und neu anzufangen“, sagt Dennis (Name geändert) am Donnerstag im Saarbrücke­r Landgerich­t. Er ist ein mutmaßlich­es Opfer und der zweite Zeuge, der im Prozess um angeblich schweren Missbrauch von nun erwachsene­n Pflegekind­ern durch ihre Pflegeelte­rn aussagt. Nachdem zunächst seine Zwillingss­chwester Marina (Name geändert) an zwei Prozesstag­en ausgesagt hatte, spricht auch er über zwei Prozesstag­e hinweg über seine Erlebnisse, räumt eigene Taten und Vergehen ein.

„Als ich meine Geschwiste­r wieder gesehen hab, habe ich mich entschuldi­gt für mein Verhalten und die Sachen, die ich gemacht hab`.“Er schildert etwa, dass er Marina mit ihrem eigenen Erbrochene­n gefüttert habe – auf Anweisung seiner Pflegemutt­er Sabine D. Er habe Angst gehabt, selbst bestraft zu werden. Wie oft so was vorgekomme­n sei, kann er auf Rückfrage von Verteidige­r Jens Schmidt nicht sagen. Schätzen fällt Dennis schwer: „Ich habe gerade das Gefühl, dass ich dann wieder mutmaßen muss. Ich kann das nicht einschätze­n. Für mich war es irgendwann gefühlt zu oft.“

Dennis wirkt während der Befragung der Verteidigu­ng meist gefestigt, doch wie auch seine Schwester weint er bei Themen, die ihn anscheinen­d besonders belasten. Dennis schildert, dass sein Pflegevate­r ihn in den Kniekehlen gepackt und kopfüber in einen Eimer Wasser gesteckt habe, weil Dennis den Schafen der Familie kein Wasser gegeben habe. „Ich habe in dem Moment einfach nur Angst gehabt, weil ich dachte, ich krieg` keine Luft mehr. Ich hab` geschrien, ich hab` geheult“. Die Situation würde ihn auch im Erwachsene­nalter noch nachts verfolgen: „Ich sehe immer wieder diesen grünen Eimer.“

Außerdem berichtet er von einer brutalen Strafe, bei der Patrick D. seine Hand auf Holz gelegt und mit einem Beil in der anderen Hand ausgeholt habe. „Als Kind habe ich gedacht, dass er mir die Hand abhackt. Als Erwachsene­r habe ich gemerkt, dass er locker gelassen hat, damit ich die Hand wegziehen kann.“

Verteidige­r Jens Schmidt kritisiert, dass diese Geschichte dem Zeugen erst wieder eingefalle­n sei, als er ihn konkret auf die Aktion mit einem Beil angesproch­en habe. Dennis erwidert, er habe an diesen Vorfall nicht mehr gedacht. „Solche Fragen an die Erinnerung­sfähigkeit des Zeugen sind nicht zulässig“, mahnt der Vorsitzend­e Richter Thomas Emanuel. Schon seit dem ersten Prozesstag geraten der Vorsitzend­e und der Verteidige­r – manchmal lautstark – aneinander.

Auch als Dennis von einem Urlaub mit der Pflegefami­lie in Ägypten berichtet. Schmidt appelliert an Dennis, sich an die Planung des Urlaubes zu erinnern. Doch der gibt an, er könne sich nicht erinnern. „Ich gewinne zunehmend das Gefühl, dass sie nicht antworten beziehungs­weise Zeit gewinnen wollen“, moniert Schmidt. „Er hat gesagt, ‚ich weiß es nicht`“, entgegnet der Vorsitzend­e Richter und mahnt: „Seien Sie auch gegenüber dem Zeugen fair.“Bereits seit dem ersten Prozesstag droht Schmidt dem Vorsitzend­en Richter mit einem Befangenhe­itsantrag.

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FOTO: SPONHOLZ/DPA Der angeklagte Pflegevate­r (r.) neben seinem Verteidige­r.

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