Zeuge schildert grausame Kindheitserlebnisse
„Ich hab mich ehrlich gesagt die letzten Jahre darum gekümmert zu vergessen und neu anzufangen“, sagt Dennis (Name geändert) am Donnerstag im Saarbrücker Landgericht. Er ist ein mutmaßliches Opfer und der zweite Zeuge, der im Prozess um angeblich schweren Missbrauch von nun erwachsenen Pflegekindern durch ihre Pflegeeltern aussagt. Nachdem zunächst seine Zwillingsschwester Marina (Name geändert) an zwei Prozesstagen ausgesagt hatte, spricht auch er über zwei Prozesstage hinweg über seine Erlebnisse, räumt eigene Taten und Vergehen ein.
„Als ich meine Geschwister wieder gesehen hab, habe ich mich entschuldigt für mein Verhalten und die Sachen, die ich gemacht hab`.“Er schildert etwa, dass er Marina mit ihrem eigenen Erbrochenen gefüttert habe – auf Anweisung seiner Pflegemutter Sabine D. Er habe Angst gehabt, selbst bestraft zu werden. Wie oft so was vorgekommen sei, kann er auf Rückfrage von Verteidiger Jens Schmidt nicht sagen. Schätzen fällt Dennis schwer: „Ich habe gerade das Gefühl, dass ich dann wieder mutmaßen muss. Ich kann das nicht einschätzen. Für mich war es irgendwann gefühlt zu oft.“
Dennis wirkt während der Befragung der Verteidigung meist gefestigt, doch wie auch seine Schwester weint er bei Themen, die ihn anscheinend besonders belasten. Dennis schildert, dass sein Pflegevater ihn in den Kniekehlen gepackt und kopfüber in einen Eimer Wasser gesteckt habe, weil Dennis den Schafen der Familie kein Wasser gegeben habe. „Ich habe in dem Moment einfach nur Angst gehabt, weil ich dachte, ich krieg` keine Luft mehr. Ich hab` geschrien, ich hab` geheult“. Die Situation würde ihn auch im Erwachsenenalter noch nachts verfolgen: „Ich sehe immer wieder diesen grünen Eimer.“
Außerdem berichtet er von einer brutalen Strafe, bei der Patrick D. seine Hand auf Holz gelegt und mit einem Beil in der anderen Hand ausgeholt habe. „Als Kind habe ich gedacht, dass er mir die Hand abhackt. Als Erwachsener habe ich gemerkt, dass er locker gelassen hat, damit ich die Hand wegziehen kann.“
Verteidiger Jens Schmidt kritisiert, dass diese Geschichte dem Zeugen erst wieder eingefallen sei, als er ihn konkret auf die Aktion mit einem Beil angesprochen habe. Dennis erwidert, er habe an diesen Vorfall nicht mehr gedacht. „Solche Fragen an die Erinnerungsfähigkeit des Zeugen sind nicht zulässig“, mahnt der Vorsitzende Richter Thomas Emanuel. Schon seit dem ersten Prozesstag geraten der Vorsitzende und der Verteidiger – manchmal lautstark – aneinander.
Auch als Dennis von einem Urlaub mit der Pflegefamilie in Ägypten berichtet. Schmidt appelliert an Dennis, sich an die Planung des Urlaubes zu erinnern. Doch der gibt an, er könne sich nicht erinnern. „Ich gewinne zunehmend das Gefühl, dass sie nicht antworten beziehungsweise Zeit gewinnen wollen“, moniert Schmidt. „Er hat gesagt, ‚ich weiß es nicht`“, entgegnet der Vorsitzende Richter und mahnt: „Seien Sie auch gegenüber dem Zeugen fair.“Bereits seit dem ersten Prozesstag droht Schmidt dem Vorsitzenden Richter mit einem Befangenheitsantrag.