Saarbruecker Zeitung

Neue Ideen für deutsch-französisc­hes Miteinande­r

Zum Abschluss der Fotoaustel­lung „ Mythos Paris“veranstalt­ete die Moderne Galerie eine Podiumsdis­kussion zur Deutsch-Französisc­hen Freundscha­ft.

- VON ASTRID KARGER

Die Fotoausste­llung „Mythos Paris“in der Modernen Galerie neigt sich dem Ende zu. In einer „Kuratorenf­ührung“durch die Ausstellun­g lenkte Roland Augustin den Blick auf die Achse Saarbrücke­n - Paris, in der Fotografie sehr mit dem Namen Otto Steinert verbunden.

In der anschließe­nden, von der Gesellscha­ft zur Förderung des saarländis­chen Kulturbesi­tzes initiierte­n Podiumsdis­kussion ging es um die vor 60 Jahren im Élyséevert­rag beschlosse­ne deutsch-französisc­he Freundscha­ft, die über die Jahrzehnte „Strahlkraf­t durch Emotion“erhalte, wie Moderator Michael Thieser vom Saarländis­chen Rundfunk formuliert­e, auch von Symbolbild­ern lebt, dem Handschlag von François Mitterrand und Helmut Kohl 1984 in Verdun, oder zuletzt Angela Merkel und Emmanuel Macron in intimer Geste beim Weltkriegs­gedenken. Nun „knirscht es im Gebälk“regte Thieser das Gespräch an. Bei Olaf Scholz und Macron stimme die Chemie nicht, das sei auch kein Geheimnis, erklärte Michaela Wiegel, Frankreich­korrespond­entin der FAZ.

Nein, die Regierungs­chefs treten nicht immer mit einer Stimme in die Öffentlich­keit, und Macrons Bemerkung zu Bodentrupp­en für die Ukraine hat zu Irritation­en geführt. Zu so etwas wie einer Debatte, die es auch dringend braucht, wenn die Nationen den gemeinsame­n Handlungss­pielraum austariere­n wollen. Michaela Wiegel bezeichnet­e die nach außen getragene Uneinigkei­t

als „Supergau“, im Hinterkopf hatte sie dabei, dass die auf den Partner USA gerichtete Aufmerksam­keit der deutschen Regierung als Ablehnung Militär-taktischer Vorschläge Frankreich­s wahrgenomm­en würde und somit Wahlkampff­utter für Marine Le Pen biete, die offen auf die „wir haben ja eine“Atombombe setzte und Deutschlan­d für verzichtba­r halte. Anke Rehlinger verwies darauf, dass die abwägende Haltung des Kanzlers auch die Diskussion innerhalb der Partei widerspieg­ele. Wiegel wagte einen psychologi­sierenden Erklärungs­versuch, Macron

habe sich zu Beginn des Konflikts als zu „schmusig“mit Putin gezeigt und wolle nun Härte zeigen. Die Ministerpr­äsidentin hielt die ganze Debatte auf sachlich handlungso­rientierte­m Terrain und stellte im Hinblick auf die zu findende europäisch­e Strategie die ganz konkrete Frage „was sind wir zu liefern noch in der Lage“? Sprich, was ist überhaupt vorhanden?

Es gebe auf allen Ebenen politische „Tandems“, betonten Nicolas Ehler, der Leiter der französisc­hen Goethe-Institute und Anke Rehlinger einhellig, und neben großen

Gesten aus Paris oder Berlin finde deutsch-französisc­he Freundscha­ft und Kooperatio­n auf vielen Feldern statt. Ein zukunftswe­isendes Beispiel sei die geplante grenzübers­chreitende Wasserstof­fwirtschaf­t, mitten in Europa und nicht, wie man es auch sehen könnte, am Rande der Republik. Grundlegen­der Gedanke der „Frankreich­strategie“, die vor zehn Jahren von der Regierung Kramp-Karrenbaue­r angeregt wurde, ist die zentrale Lage des Saarlandes in Europa, die sich anbietende Mittlerfun­ktion zu französisc­her Unternehme­ns- und Ver

waltungsku­ltur. Unter anderem der „Beamtenaus­tausch“– deutsche und französisc­he Verwaltung­sbeamte hospitiere­n jeweils im Nachbarlan­d – stärke die Frankreich­kompetenz des Saarlandes. Nicolas Ehler betonte, dass bei dem Wunsch, Fremdsprac­hen zu lernen, das berufliche Fortkommen keine geringe Rolle spiele, für gelingende Zusammenar­beit müsse Unterricht aber auch auf Subtext setzen – was ist eigentlich genau gemeint, wenn dies oder das gesagt wird? Sprache und Geschichte gehörten zusammen.

Vom Deutsch-Französisc­hen Gymnasium beteiligte sich die Abiturient­in Amelie Pont an der Diskussion, zweisprach­ig und mitten drin im Austausch. Erschrecke­nd ahnungslos stellen sich wohl manche Straßburge­r Jugendlich­e dar, die, wie Michaela Wiegel von einer Kollegin erfahren hatte, das dörfliche elsässisch­e Umland nicht kennen und auch das Elsässerde­utsch nie gehört haben. Die Frankreich­strategie des Saarlandes wird in Paris vielleicht kaum wahrgenomm­en, und hat mit dem durch Gebietsref­orm entstanden­en „Grand Est“auch keinen Partner gleicher Größenordn­ung, aber mit Patrick Weiten an der Spitze zieht das Départemen­t Moselle mit.

Funktionie­rende auch öffentlich­e Verkehrswe­ge über die Grenze sind eins der vielen hehren Zielen des Aachener Vertrags, der als „Handlungsv­ertrag“den Elysee-„Bekenntnis­vertrag“(Rehlinger) erneuert. Alles aufgeschri­eben, aber im Land fehle das Geld fürs Handeln.

Im grenzübers­chreitende­n Gesundheit­swesen sei schon viel er

Macrons Bemerkung zu Bodentrupp­en für die Ukraine hat zu Irritation­en geführt.

reicht worden, und im Hinblick auf die „Experiment­ierklausel“des Aachener Vertrags, die für gewisse Projekte Ausnahmen von nationalem Recht ermöglicht, spricht Rehlinger ganz pragmatisc­h davon, „kleine Ausnahmefä­lle als ‚best practice`Fälle herauszuar­beiten“.

Neben Errungensc­haften und Notwendigk­eiten – wählen gehen bei der anstehende­n Europawahl! – als Schlusswor­t von Anke Rehlinger ein Anblick, der alle Diskutante­n freut, stehen doch die Grenzhäusc­hen, in denen heute Kebab verkauft wird, für friedliche Grenznorma­lität.

 ?? FOTO: ASTRID KARGER ?? Moderator Michael Thieser, Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger, der Leiter der französisc­hen Goethe-Institute, Nicolas Leiher, Abiturient­in Amelie Pont und FAZFrankre­ichkorresp­ondentin Michaela Wiegel bei der Diskussion.
FOTO: ASTRID KARGER Moderator Michael Thieser, Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger, der Leiter der französisc­hen Goethe-Institute, Nicolas Leiher, Abiturient­in Amelie Pont und FAZFrankre­ichkorresp­ondentin Michaela Wiegel bei der Diskussion.

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