Auf der Suche nach dem passenden Laufschuh
Die Saarbrückerin Nele Scharfenberg will Ende September beim BerlinMarathon starten. Dazu braucht es das richtige Training und die passende Ausrüstung. In einer Serie begleiten wir sie bei den Vorbereitungen. Heute geht es um die richtigen Schuhe.
Egal ob MarathonLäufer oder Einsteiger – die Schuhe sind einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Begleiter für jeden Läufer. Müssen sie doch für den Träger quasi zur zweiten Haut werden, Woche für Woche Tausende von Schritten absolvieren und dabei ein Vielfaches des Körpergewichts abfedern.
„Ein großer Prozentsatz der Deutschen geht regelmäßig laufen. Doch leider haben viele die falschen Schuhe. Sie kaufen im Internet, gehen nach Farben und Optik, reagieren auf Empfehlung von Freunden oder Schnäppchen – all dies sind keine guten Faktoren, wenn es um den passenden Laufschuh geht“, sagt Henning Jochum mit Überzeugung. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Schuhe dann nicht zur Anatomie und zu den Bewegungsabläufen passen, ist sehr groß.“
Henning Jochum führt seit 14 Jahren ein Geschäft in Quierschied mit allem, was das Läufer-Herz höherschlagen lässt: Neben Funktionsbekleidung und Sportuhren sind das vor allem Schuhe. Über 100 verschiedene Modelle stehen im Regal. Jochum, selbst passionierter Läufer, arbeitete jahrelang in Büro, als ihm eine Verletzung die Augen öffnete: „Ich hatte einfach die falschen Schuhe. Daraufhin habe ich viel nachgeforscht und irgendwann kam ich auf die Idee, dass ich vielleicht auch anderen Menschen helfen könnte, die richtigen Schuhe zu finden.“
2010 hat der 54-Jährige sein Hobby zum Beruf gemacht und das Spezial-Geschäft „Sport Jochum“eröffnet. Sein Ziel: für jeden Kunden den richtigen Schuh zu finden. „Bei uns ist es egal, ob jemand Profi-Sportler oder Lauf-Anfänger ist“, betont Henning Jochum. „Wir nehmen uns für jeden die gleiche Zeit.“Bevor Jochum seinen Kunden einen Schuh empfiehlt, geht es erst mal auf ein spezielles Lamellen-Laufband. Hier werden die Bewegungsabläufe in der Lande-, Stütz- und Abrollphase zuerst beim „Barfuß-Lauf“und dann mit verschiedenen Schuhen mittels Digitalkamera aufgezeichnet. Am PC werden die Bewegungen in Einzelbildern dargestellt und das Verhalten des Knies, des Fußes und die Stellung und Winkel der Achillessehne ausgewertet. „Wir schauen uns ganz genau an, was mit den Füßen, der Hüfte und dem Rücken passiert“, erklärt
Henning Jochum. „Aber als Erstes wird die Beinachse angeschaut, also ob der Läufer O-Beine oder X-Beine hat und ob die Knie in der Bewegung zum Beispiel nach innen rotieren.“
Nach der Analyse greift der Experte zielsicher ins Regal und sucht das passende Modell raus. „Ich kenne von jedem Schuh die Eigenschaften und laufe eigentlich fast jeden Schuh zur Probe, einfach um zu sehen, wie er sich am Fuß verhält.“Tatsächlich verrät er, dass er bei jedem Kunden schon beim Betreten des Ladens eine Vorab-Auswahl trifft: „Allein anhand des ersten Eindrucks, der Beinachse und Fußstellung kann ich schon über die Hälfte der Schuhe gedanklich aussortieren.“
Der richtige Laufschuh sei etwas sehr Individuelles und trotz genauer Analyse kommt es auch auf persönliche Vorlieben an, betont Jochum, der selbst zweimal Marathon gelaufen ist und immer noch mehrmals die Woche die Laufschuhe schnürt: „Man kann Läufer nicht über einen
Kamm scheren. Jeder muss verschiedene Modelle ausprobieren, um den für sich richtigen Schuh zu finden. Ich empfehle, nicht an einer Marke oder einer Firma festhalten, sondern sich komplett freizumachen. Die Firmen entwickeln sich ständig weiter und man muss schauen, was zum jeweiligen Zeitpunkt das Beste für den individuellen Bedarf ist. Deswegen ist eine gute Beratung auch so wichtig.“
Wichtig sei, dass Laufschuhe nicht zu klein sind. „Wenn beim langen Laufen die Muskulatur nachlässt, wird der Fuß platter“, erklärt Henning Jochum. „Die Gefahr ist dann, dass die Zehen vorne anstoßen und man anfängt, mit den Zehen zu krallen.“Deswegen empfiehlt er, Schuhe lieber eine Größe größer zu kaufen.
Gut sei es, zwei bis drei Paar Schuhe im Wechsel zu tragen. „Ein Schuh braucht etwa 48 Stunden, bis sich die Dämpfung wieder erholt hat. Außerdem schwitzt der Fuß und der Schuh muss trocknen. Zudem ist
es sinnvoll für die Muskulatur, mit unterschiedlichen Schuhen unterschiedliche Reize zu setzen.“Für schnelle Intervall-Läufe empfiehlt er leichte, dynamische Schuhe. Für Läufe in unebenem Gelände gibt es spezielle Trailschuhe, die stabiler gearbeitet sind und ein größeres Profil haben. „Solche Läufe sind eine tolle Abwechslung und sollten im Trainings-Alltag eingebaut werden.“
Nach 800 bis 1000 gelaufenen Kilometern sei es geraten, die Schuhe zu wechseln. „Auch wenn sie von außen vielleicht noch gut aussehen, ist die Dämpfung durchgelaufen.“Ein weiterer Tipp: „Den Schuh beim An- und Ausziehen immer wieder schnüren und nicht einfach ‚rausschlüpfen`, sonst geht die Fersenkappe kaputt.“
Auch bei der restlichen Ausstattung rät Henning Jochum, auf hochwertige Materialien zu setzen und lieber etwas mehr Geld auszugeben: „Die Kleidung sollte nahtfrei sein, damit sie nicht am Körper scheuert. Die Materialien sollten die Feuchtigkeit vom Körper wegtransportieren.“Im Winter sei es wichtig, eine gute Jacke zu haben, die warm hält und dafür sorgt, dass keine kalte Zugluft an die verschwitzte Haut kommt. Eine gute Regenjacke halte die Feuchtigkeit ab, erlaubt aber trotzdem zu atmen. „Viele Leute ziehen sich zu warm an“, ist die Erfahrung des Experten. Er gibt einen Tipp mit auf den Weg: „Man schwitzt schneller, als man denkt. Als Faustformel kann man etwa fünf Grad dazu addieren. Wenn es also zehn Grad sind, sollte man sich so anziehen, als seien es 15 Grad.“Wenn es in der Marathon-Vorbereitung auf die langen Läufe über zwei Stunden zugehe, sei es zudem ratsam, in einem speziellen Lauf-Rucksack oder einer Weste etwas zum Trinken oder Essen dabei zu haben.
„Egal, ob Schuhe, Kleidung oder sonstige Ausrüstung“, so das Fazit; „Bei einem Marathon ist man über mehrere Stunden mit den Sachen unterwegs – da können Kleinigkeiten einen großen Unterschied machen.“