Spaß-Politiker wollen Ende von „Bullshit“-Verfahren
Ein möglicher Bestechungsskandal im Stadtrat machte im April 2023 Schlagzeilen. Hat Martin Welker für OB Conradt Stimmen gekauft? Der kuriose Fall ist weiterhin nicht abgeschlossen.
Michael Franke hat sich geirrt. Der Stadtverordnete der Spaß-„Partei“dachte, die Sache sei nach ein paar Wochen oder Monaten erledigt. Als die Generalstaatsanwaltschaft Saarbrücken am 18. April 2023 ihn und seinen Fraktionskollegen Sven Sonnhalter öffentlich der Bestechlichkeit verdächtigte, traute Franke seinen Augen und Ohren nicht. Noch am selben Tag sagte er konsterniert zur
SZ: „Uns hat niemand bestochen, wir haben kein Geld angenommen. Das ist totaler Bullshit. Nix davon ist wahr, das wird sich sehr schnell herausstellen.“Man wisse wirklich nicht, „wo dieser Quatsch herkommt“, erklärte Franke und sprach von „lächerlichen Ermittlungen“. Dass es dennoch sogar Hausdurchsuchungen bei zwei Stadtratsmitgliedern gab, sei überhaupt nicht verhältnismäßig, so Franke. Er sei sich „ganz sicher“, dass die Ermittlungen
„nichts ergeben“werden.
Das mag sein. Doch bald ist ein Jahr vergangen – und noch immer sind die Ermittlungen gegen ihn und Sonnhalter nicht beendet. Die Staatsanwaltschaft teilt auf SZ-Anfrage mit: „In dem Ermittlungsverfahren ist eine Abschlussentscheidung noch nicht ergangen. Wann dies der Fall sein wird, kann nicht sicher prognostiziert werden.“Und: „Zwischenstände zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen können nicht mitgeteilt werden.“Es geht um massive Vorwürfe gegen die Kommunalpolitiker, die im Stadtrat „Die Fraktion“bilden – zumindest die Geschütze sind massiv, die die Staatsanwaltschaft aufgefahren hat. Bei „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“droht nach §108e des Strafgesetzbuchs eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
Um eine hohe Summe geht es in dem Fall nicht. 800 Euro sollen, und da wird die Geschichte kurios,
ausgerechnet vom ehemaligen Ludwigspark-Baustellenchef und Ex-Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft GIU, Martin Welker, an die „Fraktion“geflossen sein. Getarnt als Geld für eine Werbeanzeige beziehungsweise leere Seite in der Fraktionszeitschrift „Uwe“. Im so genannten Lifestyle- und Satire-Magazin wurden Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) und Welker mehrfach auf die Schippe genommen.
Als Gegenleistung für die 800 Euro, so die Staatsanwaltschaft, sollen die beiden Stadtpolitiker bereit gewesen sein, für die Erweiterung der Fußgängerzone am St. Johanner Markt zu stimmen. Ein, wie es immer wieder heißt, „Herzensprojekt“von OB Conradt, das bei der entscheidenden Abstimmung im Juli 2022 plötzlich auf der Kippe stand. Weil die FDP sich kurz zuvor von dem Projekt verabschiedet hatte. In der geheimen Abstimmung gab es dann tatsächlich nur eine hauchdünne Mehrheit von
31 zu 29 Stimmen für die Erweiterung. Waren Franke und Sonnhalter die entscheidenden Männer, die die Mehrheit sicherten?
Offenbar ist sich die Staatsanwaltschaft so sicher, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein muss, dass sie ausgerechnet an dem Tag, an dem die erweiterte Fußgängerzone offiziell eröffnet wurde, am 18. April 2023, eine Pressemitteilung über die „Vollstreckung von Durchsuchungsbeschlüssen“verschickt. Um 11.11 Uhr und damit weniger als eine Stunde vor einer kleinen Feierstunde in der Fußgängerzone.
Dort sorgt die Mitteilung damals für gehöriges Aufsehen und Kopfschütteln. Diskutiert wird, ob das wirklich stimmen könne, ob sich die „Partei“vielleicht einen Scherz erlaubt hat. Ein Stadtverordneter der politischen Konkurrenz spricht schlicht von „Fuppes“.
Der Beschuldigte Franke sprach wie erwähnt von „Bullshit“, heute,
über zehn Monate später, sagt er: „Wir würden es doch sehr begrüßen, dass die Ermittlungen endlich abgeschlossen werden. Im Juni stehen Kommunalwahlen an, wir gehen also bald in den Wahlkampf und würden das natürlich gerne unbelastet tun.“Frankes Anwalt, der Saarbrücker Robin Sircar, ist nach eigener Aussage „verwundert“, dass noch keine Entscheidung gefallen ist. Er erkundige sich regelmäßig nach dem Stand der Ermittlungen – noch ohne Ergebnis.
Franke, dessen Telefon zwischenzeitlich abgehört wurde, erklärt, es sei alles andere als schön, „wenn gegen einen ermittelt wird. Das nervt ja auch im Endeffekt“. Er und Sonnhalter sagen: „Wir würden gern mit einer bestätigten weißen Weste in den Wahlkampf gehen.“
Ob diese Hoffnung realistisch ist: unklar. Warum immer noch ermittelt wird, dazu macht die Staatsanwaltschaft keine Angaben. Bekannt ist, dass im Zuge der Ermittlungen
auch Oberbürgermeister Conradt als Zeuge vernommen wurde. Nach Einschätzung der Behörden waren oder sind er und Welker enge Vertraute.
Auch Welker hat in der Sache von Beginn an alles vehement abgestritten – und kurze Zeit später, und da wird der Fall noch abenteuerlicher, eine sehr spezielle Geschichte präsentiert, die alles erklären soll. Die ganze Affäre um den Stimmenkauf sei von ihm erfunden worden, um den beiden „Partei“-Politikern eins auszuwischen. Er habe das Gerücht der Bestechung selbst gestreut, um Franke und Sonnhalter in Erklärungsnot zu bringen. Dass er damit die Staatsanwaltschaft auf den Plan ruft, damit hatte Welker eher nicht gerechnet.
Was Dichtung und was Wahrheit ist in diesem an Kuriositäten schwer zu überbietenden Vielleicht-Skandal: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft werden es zeigen – oder auch nicht.
„In dem Ermittlungsverfahren ist eine Abschlussentscheidung noch nicht ergangen. Wann dies der Fall sein wird, kann nicht sicher prognostiziert werden.“Aus der Mitteilung der Staatsanwaltschaft