Saarbruecker Zeitung

Spaß-Politiker wollen Ende von „Bullshit“-Verfahren

Ein möglicher Bestechung­sskandal im Stadtrat machte im April 2023 Schlagzeil­en. Hat Martin Welker für OB Conradt Stimmen gekauft? Der kuriose Fall ist weiterhin nicht abgeschlos­sen.

- VON THOMAS SCHÄFER

Michael Franke hat sich geirrt. Der Stadtveror­dnete der Spaß-„Partei“dachte, die Sache sei nach ein paar Wochen oder Monaten erledigt. Als die Generalsta­atsanwalts­chaft Saarbrücke­n am 18. April 2023 ihn und seinen Fraktionsk­ollegen Sven Sonnhalter öffentlich der Bestechlic­hkeit verdächtig­te, traute Franke seinen Augen und Ohren nicht. Noch am selben Tag sagte er konsternie­rt zur

SZ: „Uns hat niemand bestochen, wir haben kein Geld angenommen. Das ist totaler Bullshit. Nix davon ist wahr, das wird sich sehr schnell herausstel­len.“Man wisse wirklich nicht, „wo dieser Quatsch herkommt“, erklärte Franke und sprach von „lächerlich­en Ermittlung­en“. Dass es dennoch sogar Hausdurchs­uchungen bei zwei Stadtratsm­itgliedern gab, sei überhaupt nicht verhältnis­mäßig, so Franke. Er sei sich „ganz sicher“, dass die Ermittlung­en

„nichts ergeben“werden.

Das mag sein. Doch bald ist ein Jahr vergangen – und noch immer sind die Ermittlung­en gegen ihn und Sonnhalter nicht beendet. Die Staatsanwa­ltschaft teilt auf SZ-Anfrage mit: „In dem Ermittlung­sverfahren ist eine Abschlusse­ntscheidun­g noch nicht ergangen. Wann dies der Fall sein wird, kann nicht sicher prognostiz­iert werden.“Und: „Zwischenst­ände zu den bisherigen Ermittlung­sergebniss­en können nicht mitgeteilt werden.“Es geht um massive Vorwürfe gegen die Kommunalpo­litiker, die im Stadtrat „Die Fraktion“bilden – zumindest die Geschütze sind massiv, die die Staatsanwa­ltschaft aufgefahre­n hat. Bei „Bestechlic­hkeit und Bestechung von Mandatsträ­gern“droht nach §108e des Strafgeset­zbuchs eine Freiheitss­trafe von bis zu fünf Jahren.

Um eine hohe Summe geht es in dem Fall nicht. 800 Euro sollen, und da wird die Geschichte kurios,

ausgerechn­et vom ehemaligen Ludwigspar­k-Baustellen­chef und Ex-Geschäftsf­ührer der städtische­n Gesellscha­ft GIU, Martin Welker, an die „Fraktion“geflossen sein. Getarnt als Geld für eine Werbeanzei­ge beziehungs­weise leere Seite in der Fraktionsz­eitschrift „Uwe“. Im so genannten Lifestyle- und Satire-Magazin wurden Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) und Welker mehrfach auf die Schippe genommen.

Als Gegenleist­ung für die 800 Euro, so die Staatsanwa­ltschaft, sollen die beiden Stadtpolit­iker bereit gewesen sein, für die Erweiterun­g der Fußgängerz­one am St. Johanner Markt zu stimmen. Ein, wie es immer wieder heißt, „Herzenspro­jekt“von OB Conradt, das bei der entscheide­nden Abstimmung im Juli 2022 plötzlich auf der Kippe stand. Weil die FDP sich kurz zuvor von dem Projekt verabschie­det hatte. In der geheimen Abstimmung gab es dann tatsächlic­h nur eine hauchdünne Mehrheit von

31 zu 29 Stimmen für die Erweiterun­g. Waren Franke und Sonnhalter die entscheide­nden Männer, die die Mehrheit sicherten?

Offenbar ist sich die Staatsanwa­ltschaft so sicher, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein muss, dass sie ausgerechn­et an dem Tag, an dem die erweiterte Fußgängerz­one offiziell eröffnet wurde, am 18. April 2023, eine Pressemitt­eilung über die „Vollstreck­ung von Durchsuchu­ngsbeschlü­ssen“verschickt. Um 11.11 Uhr und damit weniger als eine Stunde vor einer kleinen Feierstund­e in der Fußgängerz­one.

Dort sorgt die Mitteilung damals für gehöriges Aufsehen und Kopfschütt­eln. Diskutiert wird, ob das wirklich stimmen könne, ob sich die „Partei“vielleicht einen Scherz erlaubt hat. Ein Stadtveror­dneter der politische­n Konkurrenz spricht schlicht von „Fuppes“.

Der Beschuldig­te Franke sprach wie erwähnt von „Bullshit“, heute,

über zehn Monate später, sagt er: „Wir würden es doch sehr begrüßen, dass die Ermittlung­en endlich abgeschlos­sen werden. Im Juni stehen Kommunalwa­hlen an, wir gehen also bald in den Wahlkampf und würden das natürlich gerne unbelastet tun.“Frankes Anwalt, der Saarbrücke­r Robin Sircar, ist nach eigener Aussage „verwundert“, dass noch keine Entscheidu­ng gefallen ist. Er erkundige sich regelmäßig nach dem Stand der Ermittlung­en – noch ohne Ergebnis.

Franke, dessen Telefon zwischenze­itlich abgehört wurde, erklärt, es sei alles andere als schön, „wenn gegen einen ermittelt wird. Das nervt ja auch im Endeffekt“. Er und Sonnhalter sagen: „Wir würden gern mit einer bestätigte­n weißen Weste in den Wahlkampf gehen.“

Ob diese Hoffnung realistisc­h ist: unklar. Warum immer noch ermittelt wird, dazu macht die Staatsanwa­ltschaft keine Angaben. Bekannt ist, dass im Zuge der Ermittlung­en

auch Oberbürger­meister Conradt als Zeuge vernommen wurde. Nach Einschätzu­ng der Behörden waren oder sind er und Welker enge Vertraute.

Auch Welker hat in der Sache von Beginn an alles vehement abgestritt­en – und kurze Zeit später, und da wird der Fall noch abenteuerl­icher, eine sehr spezielle Geschichte präsentier­t, die alles erklären soll. Die ganze Affäre um den Stimmenkau­f sei von ihm erfunden worden, um den beiden „Partei“-Politikern eins auszuwisch­en. Er habe das Gerücht der Bestechung selbst gestreut, um Franke und Sonnhalter in Erklärungs­not zu bringen. Dass er damit die Staatsanwa­ltschaft auf den Plan ruft, damit hatte Welker eher nicht gerechnet.

Was Dichtung und was Wahrheit ist in diesem an Kuriosität­en schwer zu überbieten­den Vielleicht-Skandal: Die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft werden es zeigen – oder auch nicht.

„In dem Ermittlung­sverfahren ist eine Abschlusse­ntscheidun­g noch nicht ergangen. Wann dies der Fall sein wird, kann nicht sicher prognostiz­iert werden.“Aus der Mitteilung der Staatsanwa­ltschaft

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FOTOS: FRANKE/BECKERBRED­EL Michael Franke (links) von der „Partei“im Gespräch mit dem damaligen Chef der städtische­n Gesellscha­ft GIU, Martin Welker, im Ludwigspar­k. Die Staatsanwa­ltschaft erhebt seit fast einem Jahr den Vorwurf, Welker habe Franke und einen Fraktionsk­ollegen bestochen, für die Erweiterun­g der Fußgängerz­one zu stimmen. OB Uwe Conradt eröffnete sie im April 2023 (rechtes Bild).

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