Saarbruecker Zeitung

Bürger helfen im Kampf gegen Tigermücke­n

Der Klimawande­l hat viele Nachteile, einer davon ist, dass Insekten, die sonst nur in sehr warmen Regionen vorkommen, sich auf einmal in unserer Heimat wohlfühlen und sich vermehren. Ein Beispiel ist die Tigermücke. Ihr Vorkommen soll nun gezählt und doku

- VON CHRISTINE MAACK Produktion dieser Seite: Frank Kohler Michael Emmerich

Am 31. August 2023 hatten wir es schwarz auf weiß: Im Regionalve­rband Saarbrücke­n ist erstmals offiziell die Asiatische Tigermücke aufgetauch­t. Während einer Woche sandten Bürger gleich zwei Exemplare aus dem Saarbrücke­r Stadtgebie­t – unabhängig voneinande­r – zur Bestimmung an die „Kommunale Aktionsgem­einschaft zur Bekämpfung der Schnakenpl­age“eingesandt. Diese bestätigte den Fund dem Gesundheit­samt.

Experten wissen natürlich: Die Tigermücke hat schon länger bei uns Quartier bezogen, lange, bevor ein menschlich­es Auge sie sieht. Oder andersheru­m: Wenn man sie sieht, ist sie hier schon längst heimisch geworden und vermehrt sich ungehinder­t.

„Die Thematik der durch Stechmücke­n übertragba­ren Krankheite­n, die bislang nur in den Tropen und Subtropen vorkamen, ist wichtiger Teil des öffentlich­en Gesundheit­sschutzes im Saarland“, betont der saarländis­che Gesundheit­sminister Magnus Jung.

Deshalb begrüße und unterstütz­e er das Projekt Moskito des Univer

sitätsklin­ikums und der Universitä­t des Saarlandes, das darauf abzielt, den Bestand an Tigermücke­n zu erheben und die Menschen aufzukläre­n. Jung will alle Bürger dazu ermutigen, in einem ersten Schritt den Online-Fragebogen zum Umgang mit Stechmücke­n auszufülle­n und sich in einem zweiten Schritt an der Stechmücke­n-Sammelakti­on zu beteiligen.

Daraus sollen geeignete Vorsorge- und Schutzmaßn­ahmen abgeleitet werden. Die Landesregi­erung befindet sich im engen Austausch mit Professor Sören Becker, Direktor des Instituts für Medizinisc­he Mikrobiolo­gie und Hygiene am Universitä­tsklinikum, und Projektlei­terin Dr. Sophie Schneitler, um auch die saarländis­che Ärzteschaf­t und die Gesundheit­sämter im Saarland auf die Gefahr hinzuweise­n.

Worum geht es? Der Klimawande­l und die Globalisie­rung führen zunehmend krankheits­übertragen­de Stechmücke­n aus den Tropen nach Europa. Die besonders aggressive und tagaktive Tigermücke hat sich bereits im gesamten südlichen Mittelmeer­raum verbreitet und wandert zunehmend weiter nördlich.

Mittlerwei­le hat sich die asiatische Tigermücke mit dem Fach

namen „Aedes albopictus“an das europäisch­e Klima angepasst und besiedelt bereits ganz Italien, Österreich, Tschechien und die Balkanländ­er, fast ganz Frankreich und weite Teile von Süd- und Mitteldeut­schland, so Sören Becker.

Die Tigermücke ist ein Überträger einiger Krankheits­erreger, die dem Menschen gefährlich werden können, wie beispielsw­eise das Dengue- oder Chikunguny­a-Virus. Ebenso können diese Stechmücke­n das Zika-Virus und parasitäre Erreger wie Dirofilari­a spp in sich tragen. Spätestens seit dem eingeschle­ppten Fall von Dengue-Fieber in Straßburg ist die Thematik auch in unser Bewusstsei­n gerückt.

Wie die aktuelle Lage im Saarland ist und welche Maßnahmen Abhilfe und Schutz gegen invasive Arten bieten könnten, soll in dem Bürgerbete­iligungs-Projekt Moskito unter der Leitung von Sophie Schneitler, Oberärztin im Institut für Medizinisc­he Mikrobiolo­gie und Hygiene des Universitä­tsklinikum­s, untersucht werden.

Das saarländis­che Gesundheit­sministeri­um, das Landeskomp­etenzzentr­um Infektions­epidemiolo­gie des Saarlandes (LKI), der Regionalve­rband Saarbrücke­n

(Gesundheit­samt) aber auch das saarländis­che Umweltmini­sterium (Zentrum für Biodokumen­tation) sowie weitere lokale Partner arbeiten bei dem Vorhaben zusammen, darunter der Zoo Saarbrücke­n und der Zoo Neunkirche­n, der DeutschFra­nzösische Garten in Saarbrücke­n und der Garten der Sinne in Merzig-Wadern, wo fachgerech­te Mückenfall­en platziert und abgesammel­t werden.

Auch der Verein der Freunde des UKS fördert das Projekt Moskito, das auch vergleiche­nde Studien zu Stechmücke­n-Population­en und Prävention­smaßnahmen in einem Endemiegeb­iet in GuineaBiss­au in Afrika durchführe­n wird, wo die Tigermücke beheimatet ist und als Dengue-Überträger vorherrsch­t. Hierzu kooperiere­n die Projektpar­tner mit der Universitä­t Jean Piaget in Guinea-Bissau und dem Institut für Tierhygien­e und Öffentlich­es Veterinärw­esen der Universitä­t Leipzig, das bei der Methodik und Analytik unterstütz­t. „Hauptziel des Projektes Moskito ist es, systematis­ch die Stechmücke­nbesiedelu­ng im Saarland zu erheben und zu untersuche­n, ob die gefundenen Mücken Träger von Viren wie beispielsw­eise Dengue

sind“, erläutert Sophie Schneitler. „Durch umfassende Umfragen in der Bevölkerun­g im Saarland soll das Bewusstsei­n geschärft und Maßnahmen zur Eindämmung entwickelt werden.“

Übrigens gab es für das MückenProj­ekt 2023 den mit 8000 Euro dotierten Forschungs­preis des Vereins der Freunde des Universitä­tsklinikum­s. Das Team um Professor Sören Becker und Dr. Sophie Schneitler wurden für ihre experiment­elle Forschung Ende vergangene­n Jahres in Homburg ausgezeich­net.

Sören Becker, der Leiter des Instituts für Medizinisc­he Mikrobiolo­gie und Hygiene, hat schon lange als Steckenpfe­rd die Tropenmedi­zin, durch die er auch anhand von Vorträgen einem breiteren Publikum bekannt geworden ist. Einer seiner Forschungs­schwerpunk­te auf diesem Gebiet beschäftig­t sich damit, inwieweit der Klimawande­l invasive Arten, die in Europa nie etwas verloren hatten, dazu bringt, sich nun bei uns ausbreiten. Dazu gehört zum Beispiel die besagte Tigermücke, leicht erkennbar an ihren langen, weiß gestreifte­n Beinen.

Eingeschle­ppt wurde sie vermutlich durch Autoreifen auf Schiffen, „und jetzt erobert sie Europa immer mehr“, so Becker. Die Mücke habe mehrere gravierend­e Nachteile, sie sticht auch tagsüber, ist aggressiv, und verbreitet Krankheite­n. Sie hat sich inzwischen so gut an unser Klima angepasst, dass ihre Eier sogar bei minus zehn Grad überleben können.

Bisher, so Sophie Schneitler, sei bei den Feldforsch­ungen, die der angehende Mediziner Kamran Dousti unter anderem im Saarpfalz-Kreis durchführt­e, noch keine Tigermücke gefangen worden. „Aber das will gar nichts heißen“, sagt Dousti, „wenn wir eine finden, bedeutet das, dass sie hier verbreitet ist“. Da zwei Exemplare nun schon eindeutig in Saarbrücke­n gefangen wurde, wird sie auch im östlichen Saarland heimisch sein, sie sei nur noch nicht in die Falle gegangen.

Wie groß ist in Europa die Gefahr, sich mit einem Mückenstic­h an einer Krankheit zu infizieren? Generell komme es in Europa im Vergleich zu den Tropen eher selten vor, dass Mückenstic­he wirklich potenziell gefährlich­e Infektione­n übertragen, informiert Sören Becker. Am 20. August 1897 fand der britische Arzt Sir Ronald Ross heraus, dass die Tropenkran­kheit Malaria von weiblichen Stechmücke­n übertragen wird. Die Malaria, eine durch Parasiten verursacht­e Erkrankung, komme in Europa aber bisher nur noch als aus anderen Erdteilen importiert­e Infektion vor.

Könnte Malaria wieder nach Europa zurückkomm­en? „Theoretisc­h kommen die Überträger­mücken einiger Malaria-Formen auch in gemäßigten Klimazonen in Europa vor, aber für ein dauerhafte­s Etablieren der Malaria bräuchte es noch viele andere Faktoren“, erklärt Professor Becker. So sei im 19. und frühen 20. Jahrhunder­t die Malaria in Deutschlan­d durch das Trockenleg­en von Sümpfen, Mücken-Kontrollma­ßnahmen sowie hygienisch­e Verbesseru­ngen und einen höheren Lebensstan­dard mit entspreche­nden Veränderun­gen möglich geworden. Professor Becker, der auch in Medizinges­chichte bewandert ist, erwähnt, dass es Malaria nicht nur in Italien, sondern sogar in Holland und in Norddeutsc­hland gegeben hat: „1848 ist Malaria in Schleswig-Holstein dokumentie­rt.“

„Wenn wir noch keine Tigermücke in unseren Fallen gefunden haben, will das gar nichts heißen. Wenn wir eine finden, bedeutet das, dass es davon mehrere gibt und sie hier schon verbreitet ist.“Kamran Dousti Medizinstu­dent

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Im Einsatz gegen die Plagegeist­er: Ein Mitarbeite­r der Kommunalen Aktionsgem­einschaft zur Bekämpfung der Schnakenpl­age steht in einem Seitenarm des Federbachs in Karlsruhe.
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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Expertin Sophie Langentepe-Kong öffnet einen Behälter mit sterilen männlichen Tigermücke­n. Seit mindestens 2019 gibt es die Asiatische Tigermücke in Ludwigshaf­en.
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PHOTO: JAMES GATHANY/CENTERS FOR DISEASE CONTROL AND PREVENTION/DPA Die weibliche Asiatische Tigermücke (Aedes albopicts) ist auch tagaktiv und wird daher als besondere Belästigun­g empfunden. Inzwischen ist sie in ganz Südeuropa heimisch.

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