Bürger helfen im Kampf gegen Tigermücken
Der Klimawandel hat viele Nachteile, einer davon ist, dass Insekten, die sonst nur in sehr warmen Regionen vorkommen, sich auf einmal in unserer Heimat wohlfühlen und sich vermehren. Ein Beispiel ist die Tigermücke. Ihr Vorkommen soll nun gezählt und doku
Am 31. August 2023 hatten wir es schwarz auf weiß: Im Regionalverband Saarbrücken ist erstmals offiziell die Asiatische Tigermücke aufgetaucht. Während einer Woche sandten Bürger gleich zwei Exemplare aus dem Saarbrücker Stadtgebiet – unabhängig voneinander – zur Bestimmung an die „Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage“eingesandt. Diese bestätigte den Fund dem Gesundheitsamt.
Experten wissen natürlich: Die Tigermücke hat schon länger bei uns Quartier bezogen, lange, bevor ein menschliches Auge sie sieht. Oder andersherum: Wenn man sie sieht, ist sie hier schon längst heimisch geworden und vermehrt sich ungehindert.
„Die Thematik der durch Stechmücken übertragbaren Krankheiten, die bislang nur in den Tropen und Subtropen vorkamen, ist wichtiger Teil des öffentlichen Gesundheitsschutzes im Saarland“, betont der saarländische Gesundheitsminister Magnus Jung.
Deshalb begrüße und unterstütze er das Projekt Moskito des Univer
sitätsklinikums und der Universität des Saarlandes, das darauf abzielt, den Bestand an Tigermücken zu erheben und die Menschen aufzuklären. Jung will alle Bürger dazu ermutigen, in einem ersten Schritt den Online-Fragebogen zum Umgang mit Stechmücken auszufüllen und sich in einem zweiten Schritt an der Stechmücken-Sammelaktion zu beteiligen.
Daraus sollen geeignete Vorsorge- und Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. Die Landesregierung befindet sich im engen Austausch mit Professor Sören Becker, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum, und Projektleiterin Dr. Sophie Schneitler, um auch die saarländische Ärzteschaft und die Gesundheitsämter im Saarland auf die Gefahr hinzuweisen.
Worum geht es? Der Klimawandel und die Globalisierung führen zunehmend krankheitsübertragende Stechmücken aus den Tropen nach Europa. Die besonders aggressive und tagaktive Tigermücke hat sich bereits im gesamten südlichen Mittelmeerraum verbreitet und wandert zunehmend weiter nördlich.
Mittlerweile hat sich die asiatische Tigermücke mit dem Fach
namen „Aedes albopictus“an das europäische Klima angepasst und besiedelt bereits ganz Italien, Österreich, Tschechien und die Balkanländer, fast ganz Frankreich und weite Teile von Süd- und Mitteldeutschland, so Sören Becker.
Die Tigermücke ist ein Überträger einiger Krankheitserreger, die dem Menschen gefährlich werden können, wie beispielsweise das Dengue- oder Chikungunya-Virus. Ebenso können diese Stechmücken das Zika-Virus und parasitäre Erreger wie Dirofilaria spp in sich tragen. Spätestens seit dem eingeschleppten Fall von Dengue-Fieber in Straßburg ist die Thematik auch in unser Bewusstsein gerückt.
Wie die aktuelle Lage im Saarland ist und welche Maßnahmen Abhilfe und Schutz gegen invasive Arten bieten könnten, soll in dem Bürgerbeteiligungs-Projekt Moskito unter der Leitung von Sophie Schneitler, Oberärztin im Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene des Universitätsklinikums, untersucht werden.
Das saarländische Gesundheitsministerium, das Landeskompetenzzentrum Infektionsepidemiologie des Saarlandes (LKI), der Regionalverband Saarbrücken
(Gesundheitsamt) aber auch das saarländische Umweltministerium (Zentrum für Biodokumentation) sowie weitere lokale Partner arbeiten bei dem Vorhaben zusammen, darunter der Zoo Saarbrücken und der Zoo Neunkirchen, der DeutschFranzösische Garten in Saarbrücken und der Garten der Sinne in Merzig-Wadern, wo fachgerechte Mückenfallen platziert und abgesammelt werden.
Auch der Verein der Freunde des UKS fördert das Projekt Moskito, das auch vergleichende Studien zu Stechmücken-Populationen und Präventionsmaßnahmen in einem Endemiegebiet in GuineaBissau in Afrika durchführen wird, wo die Tigermücke beheimatet ist und als Dengue-Überträger vorherrscht. Hierzu kooperieren die Projektpartner mit der Universität Jean Piaget in Guinea-Bissau und dem Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der Universität Leipzig, das bei der Methodik und Analytik unterstützt. „Hauptziel des Projektes Moskito ist es, systematisch die Stechmückenbesiedelung im Saarland zu erheben und zu untersuchen, ob die gefundenen Mücken Träger von Viren wie beispielsweise Dengue
sind“, erläutert Sophie Schneitler. „Durch umfassende Umfragen in der Bevölkerung im Saarland soll das Bewusstsein geschärft und Maßnahmen zur Eindämmung entwickelt werden.“
Übrigens gab es für das MückenProjekt 2023 den mit 8000 Euro dotierten Forschungspreis des Vereins der Freunde des Universitätsklinikums. Das Team um Professor Sören Becker und Dr. Sophie Schneitler wurden für ihre experimentelle Forschung Ende vergangenen Jahres in Homburg ausgezeichnet.
Sören Becker, der Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, hat schon lange als Steckenpferd die Tropenmedizin, durch die er auch anhand von Vorträgen einem breiteren Publikum bekannt geworden ist. Einer seiner Forschungsschwerpunkte auf diesem Gebiet beschäftigt sich damit, inwieweit der Klimawandel invasive Arten, die in Europa nie etwas verloren hatten, dazu bringt, sich nun bei uns ausbreiten. Dazu gehört zum Beispiel die besagte Tigermücke, leicht erkennbar an ihren langen, weiß gestreiften Beinen.
Eingeschleppt wurde sie vermutlich durch Autoreifen auf Schiffen, „und jetzt erobert sie Europa immer mehr“, so Becker. Die Mücke habe mehrere gravierende Nachteile, sie sticht auch tagsüber, ist aggressiv, und verbreitet Krankheiten. Sie hat sich inzwischen so gut an unser Klima angepasst, dass ihre Eier sogar bei minus zehn Grad überleben können.
Bisher, so Sophie Schneitler, sei bei den Feldforschungen, die der angehende Mediziner Kamran Dousti unter anderem im Saarpfalz-Kreis durchführte, noch keine Tigermücke gefangen worden. „Aber das will gar nichts heißen“, sagt Dousti, „wenn wir eine finden, bedeutet das, dass sie hier verbreitet ist“. Da zwei Exemplare nun schon eindeutig in Saarbrücken gefangen wurde, wird sie auch im östlichen Saarland heimisch sein, sie sei nur noch nicht in die Falle gegangen.
Wie groß ist in Europa die Gefahr, sich mit einem Mückenstich an einer Krankheit zu infizieren? Generell komme es in Europa im Vergleich zu den Tropen eher selten vor, dass Mückenstiche wirklich potenziell gefährliche Infektionen übertragen, informiert Sören Becker. Am 20. August 1897 fand der britische Arzt Sir Ronald Ross heraus, dass die Tropenkrankheit Malaria von weiblichen Stechmücken übertragen wird. Die Malaria, eine durch Parasiten verursachte Erkrankung, komme in Europa aber bisher nur noch als aus anderen Erdteilen importierte Infektion vor.
Könnte Malaria wieder nach Europa zurückkommen? „Theoretisch kommen die Überträgermücken einiger Malaria-Formen auch in gemäßigten Klimazonen in Europa vor, aber für ein dauerhaftes Etablieren der Malaria bräuchte es noch viele andere Faktoren“, erklärt Professor Becker. So sei im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Malaria in Deutschland durch das Trockenlegen von Sümpfen, Mücken-Kontrollmaßnahmen sowie hygienische Verbesserungen und einen höheren Lebensstandard mit entsprechenden Veränderungen möglich geworden. Professor Becker, der auch in Medizingeschichte bewandert ist, erwähnt, dass es Malaria nicht nur in Italien, sondern sogar in Holland und in Norddeutschland gegeben hat: „1848 ist Malaria in Schleswig-Holstein dokumentiert.“
„Wenn wir noch keine Tigermücke in unseren Fallen gefunden haben, will das gar nichts heißen. Wenn wir eine finden, bedeutet das, dass es davon mehrere gibt und sie hier schon verbreitet ist.“Kamran Dousti Medizinstudent