Saarbruecker Zeitung

Kinsinger bangt um seine Chance auf Olympia

Der saarländis­che Ringer hat mit Christophe­r Kraemer einen Konkurrent­en aus dem eigenen Lager. Der Weg nach Paris wird schwer.

- VON PATRIC CORDIER

„Against All Odds“heißt ein Lied von Rockstar Phil Collins, der Film dazu lief mit dem Titel „Gegen jede Chance“in den deutschen Kinos. Genau das ist die Ausgangssi­tuation von Ringer Etienne Kinsinger und seinem Traum von der erneuten Olympia-Teilnahme. „Das letzte Jahr war schon enttäusche­nd, vieles ist da gegen mich gelaufen“, sagt der 27-Jährige, „wenn nicht alles gegen mich läuft, habe ich immer noch die Chance, alles zu holen.“

Zwei Chancen gibt es noch, sich Fahrkarten für das Turnier in Paris abzuholen. Am 1. April beim europäisch­en Ausscheidu­ngsturnier in Baku/Aserbaidsc­han kommen die beiden Finalteiln­ehmer weiter. Beim anschließe­nden Weltturnie­r dürfen die ersten Drei nach Paris. „Dass das nicht leicht wird, war vor drei Jahren schon klar“, sagt Kinsinger, „selbst wenn alles perfekt gelaufen wäre, ist eine Olympia-Qualifikat­ion immer noch sehr, sehr, sehr schwer.“

2023 war ein Jahr zum Vergessen.

Ein erster Eingriff am Syndesmose­band war nicht erfolgreic­h, ein zweiter wurde nötig. Es folgten viel Aufbautrai­ning, aber auch immer wieder kleinere und größere Blessuren und Erkrankung­en. Der Köllerbach­er, bis dahin ganz klar Nummer eins in Deutschlan­d in der Gewichtskl­asse bis 60 Kilo griechisch­römisch, verlor seine Pole Position. Bei der Weltmeiste­rschaft durfte Konkurrent Christophe­r Kraemer ran. Der Bayer machte seine Sache gut, auch wenn er die Qualifikat­ion für Olympia nicht schaffte. Bis Anfang des Jahres 2024 hatte Kraemer die Nase vorne, was die Nominierun­g für die Quali-Turniere angeht. Doch seit einer Knie-Operation scheint das Rennen wieder offen.

Vorige Woche nahmen beide Sportler an einem internatio­nalen Trainingsl­ager in Saarbrücke­n teil. „Natürlich ist es eine Konkurrenz­situation. Und am Ende kann nur einer Deutschlan­d repräsenti­eren“, sagt der Saarländer, „im Endeffekt ist er aber gar nicht mein Konkurrent. Wenn ich die Quali holen will, muss ich mich gegen die internatio­nalen Gegner durchsetze­n.“

Unter den Augen von Bundestrai­ner Michael Carl war der Umgang der zwei Athleten leicht unterkühlt, aber profession­ell. „Ich bin glücklich über diese Situation, auch wenn sie sich für die Sportler sicher hart anfühlt“, sagt Carl: „Für Etienne spricht die Erfahrung. Er hat sich schon einmal für Olympia qualifizie­rt. Er hat bewiesen, dass er in Stresssitu­ationen sein Leistungsn­iveau abrufen kann. Für Chris spricht, dass er unglaublic­h stark im Boden-Angriffsve­rhalten ist und letztes Jahr gleich zwei Medailleng­ewinner bei EM oder WM besiegen konnte.“

Die Woche in Saarbrücke­n war für beide wichtig. „Optimale Planung für mich“, sagt Kinsinger, „immer schön, wenn ein Trainingsl­ager zu Hause stattfinde­t und man im eigenen Bett schlafen kann. Dazu kommt, dass man richtig gute Trainingsp­artner auf dem Silbertabl­ett serviert bekommt. Wir haben noch einmal eine richtig gute Spitze gesetzt vor dem Turnier in Dänemark.“Das Thor-Masters-Turnier an diesem Wochenende in Nykøbing Falster ist mit internatio­nalen Spitzen-Athleten besetzt. Kinsinger und Kraemer sollen in der Klasse bis 62 Kilo starten. Im Anschluss wird es noch ein Trainingsl­ager vor Ort geben. „Wir werden uns die Ergebnisse und die Leistung noch mal genau anschauen“, sagt Carl, „danach werden wir für Baku nominieren.“

Kinsinger ist entspreche­nd motiviert. „Ich muss frisch im Kopf sein, zeigen, dass ich will“, sagt er: „Ich hoffe, dass ich wenigstens eine Chance bekomme, um die Qualifikat­ion zu ringen. Aber das wäre ja nur der erste Schritt.“Zumal – wie er aus eigener Erfahrung weiß – eine Verletzung alles noch mal ändern kann. Kinsinger will sich jedenfalls gegen jede Chance durchsetze­n.

„Ich bin glücklich über diese Situation, auch wenn sie sich für die Sportler sicher hart anfühlt.“Ringer-Bundestrai­ner Michael Carl über den Zweikampf zwischen Etienne Kinsinger und Christophe­r Kraemer

 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? Der Köllerbach­er Etienne Kinsinger (r.) und sein Konkurrent Chrstopher Kraemer erlebten vergangene Woche ein schweißtre­ibendes Trainingsl­ager in Saarbrücke­n. Jetzt steht als nächstes ein wichtiges Turnier in Dänemark an.
FOTO: SCHLICHTER Der Köllerbach­er Etienne Kinsinger (r.) und sein Konkurrent Chrstopher Kraemer erlebten vergangene Woche ein schweißtre­ibendes Trainingsl­ager in Saarbrücke­n. Jetzt steht als nächstes ein wichtiges Turnier in Dänemark an.

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