Saarbruecker Zeitung

Wie Kompliment­e Klischees verfestige­n

Kompliment­e lösen meist etwas Positives aus. Doch es kann auch vorkommen, dass sie Stereotype und traditione­lle Geschlecht­errollen verstärken. Aber keine Sorge: Nicht jede Schmeichel­ei wird deshalb zum Drahtseila­kt.

- VON LINDA HENRICH

(dpa) „Ich schätze an Dir, dass Du immer so warmherzig und fürsorglic­h bist. Einfach wie eine gute Mutter.“Das klingt auf den ersten Blick wie ein schönes Kompliment. Doch es kann sein, dass sich ein Mensch über diesen wahrschein­lich nett gemeinten Satz nicht freut. Denn er basiert auf Stereotype­n. Etwa jenem, dass Frauen nur gute Mütter sein können, wenn sie warmherzig und fürsorglic­h sind.

Am Freitag (1. März) ist der Tag der Kompliment­e. Und weil es mit Schmeichel­eien manchmal nicht so einfach ist, ist er ein guter Anlass, um nachzufrag­en: Was kommt bei gut gemeinter Lobhudelei möglicherw­eise schlecht an? Zunächst zeigen wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen, dass Kompliment­e tatsächlic­h positive Gefühle auslösen – auf beiden Seiten: sowohl bei Empfänger oder Empfängeri­n als auch bei denjenigen, die eine Liebenswür­digkeit verteilen. Das hat ein Forschungs­team unter anderem des Instituts für Medizinisc­he Psychologi­e am Universitä­tsklinikum Heidelberg herausgefu­nden. In der

wissenscha­ftlichen Studie wurden die Gehirne von Menschen untersucht, die zu diesem Zeitpunkt in einer Liebesbezi­ehung zueinander­standen. Mithilfe der bildgebend­en Magnetreso­nanztomogr­afie wurden während der Studie ihre Gehirne untersucht. Dabei zeigte sich, dass bei Empfängern und Absendern eines Kompliment­s Gehirnarea­le aktiv werden, die für die Glückshorm­one Oxytocin und Dopamin verantwort­lich sind. Damit sind Kompliment­e gut für die seelische und körperlich­e Gesundheit.

Aber warum hat manch eine Bewunderun­g einen schalen Beigeschma­ck? Wenn sie doch auf den ersten Blick harmlos und gut gemeint zu sein scheint? Es hängt

natürlich immer vom Kontext der Äußerung ab, ob ein Kompliment angemessen ist oder nicht. Einen großen Fehler könne man aber vermeiden, indem zugeneigte Worte nicht mit einem Stereotyp verbunden oder Menschen objektivie­rt würden, sagt Julia Becker, Professori­n für Sozialpsyc­hologie an der

Universitä­t Osnabrück.

„Du hast ein tolles Shirt. Ich würde gerne wissen, wie es darunter aussieht“, sei ein Beispiel für objektivie­rende Kompliment­e. Diese kämen „nicht gut an und werden als Sexismus interpreti­ert“, erklärt Becker. Ausschlagg­ebend sei auch, ob ein Lob von einem nahestehen­den oder fremden Menschen komme. Wenn der objektivie­rende Kommentar von einer oder einem Unbekannte­n kommt, wird er besonders negativ bewertet.

Becker zufolge werden auch die Menschen, die den objektivie­renden Kommentar erhalten, negativer beurteilt. Beobachter hielten sie für „weniger sympathisc­h und weniger intelligen­t“, sagt die Forscherin.

„Beispielsw­eise klingt es erst mal nett, wenn Frauen gesagt wird, sie seien viel wunderbare­r als Männer“, erklärt Becker. „Diese Annahme geht oft damit einher, dass die Gruppe, die besonders nett und warmherzig dargestell­t wird, gleichzeit­ig als weniger kompetent wahrgenomm­en wird.“Über Generation­en hinweg wiederholt­e Stereotype könnten sich zu Vorurteile­n verfestige­n und zum Pauschalur­teil werden.

Ein Mädchen könne etwa denken, dass es besonders dann Anerkennun­g bekomme, wenn es aussehe wie eine Prinzessin, aber nicht, wenn es eine Eins in Mathe schreibe, erklärt die Professori­n. Deshalb sollten – egal ob Junge oder Mädchen – am besten alle Menschen schon von Kindesbein­en an lobende Worte bekommen, die ihre Besonderhe­iten in verschiede­nen Bereichen hervorhebe­n.

Klar ist: Es gibt nicht das eine perfekte Kompliment. Ob ein Satz gut oder schlecht ankommt, hängt immer vom Kontext und meist auch von der Beziehung der Menschen untereinan­der ab. „Insgesamt denke ich, ausgewogen­e Kompliment­e sind sehr gut, und es sollte mehr davon geben“, sagt die Sozialpsyc­hologin. „Es gibt ja Leute, die denken, man dürfe einer Frau nun kein Kompliment mehr machen. Das ist totaler Quatsch.“Beispiele für gute Kompliment­e können sein: „Ich verbringe gerne Zeit mit Dir, das tut mir gut“oder „Du hast immer ein offenes Ohr für mich und ich kann mich immer auf Dich verlassen“. Wer Nettigkeit­en verteilt, kann mit individuel­len Worten vermutlich noch extra punkten.

„Beispielsw­eise klingt es erst mal nett, wenn Frauen gesagt wird, sie seien viel wunderbare­r als Männer.“Julia Becker Professori­n für Sozialpsyc­hologie an der Universitä­t Osnabrück.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Am Freitag ist der Tag der Kompliment­e. Doch nicht jedes Kompliment ist auch angebracht.

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