Saarbruecker Zeitung

Merz und Lindner bei Schuldenbr­emse isoliert

Der Druck von SPD, Grünen und aus den Ländern, die Schuldenbr­emse zu lockern, wird immer größer. Noch stemmen sich der FDP-Chef und der CDU-Chef dagegen.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Lucas Hochstein

Die Spitzen von CDU und FDP geraten in der Diskussion um die Reform der Schuldenbr­emse zunehmend in die Defensive: Nicht nur SPD und Grüne, auch mehrere CDU-Ministerpr­äsidenten plädieren mittlerwei­le für eine Reform, um mehr Spielraum in den öffentlich­en Haushalten zu gewinnen. Zuletzt hatte sich auch der hessische Ministerpr­äsident Boris Rhein (CDU), zugleich Chef der Ministerpr­äsidentenk­onferenz, offen für neue Schuldenre­geln im Grundgeset­z gezeigt. FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr erteilte dem stellvertr­etend für Parteichef Christian Lindner erneut eine Absage und forderte stattdesse­n Sozialstaa­tsreformen. „Nicht die Schuldenbr­emse muss reformiert werden, sondern der Sozialstaa­t“, sagte Dürr.

Auch CDU-Chef Friedrich Merz will SPD und Grünen bislang nicht die Hand für eine Grundgeset­zänderung reichen. Um die Regeln der Schuldenbr­emse zu ändern, wären Zwei-Drittel-Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat notwendig, für die Änderungen wäre also die Zustimmung der Union notwendig. Auch Gewerkscha­ften, Sozialverb­ände und viele Ökonomen, etwa der Wirtschaft­s-Sachverstä­ndigenrat, dringen auf die Reform der Schuldenbr­emse. Davon verspreche­n sie sich mehr öffentlich­e Investitio­nen und mehr Mittel zur Absicherun­g des Sozialstaa­ts. Denn längst absehbar ist, dass der Bund spätestens ab 2028 die Verteidigu­ngsausgabe­n im Etat verdoppeln muss.

Er sei dafür, zunächst die Möglichkei­ten zu nutzen, die die Schuldenbr­emse jetzt schon biete, hatte der hessische Regierungs­chef Rhein gesagt. Er fügte aber hinzu: „Es liegen kluge Vorschläge zur Reform der Schuldenbr­emse auf dem Tisch, insbesonde­re des Sachverstä­ndigenrate­s, die man sehr ernst nehmen muss.“Und: „Ich bin bereit, darüber zu sprechen“, sagte Rhein.

Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Dröge forderte den Kanzler daraufhin auf, bereits bei der Ministerpr­äsidentenk­onferenz kommende Woche mit den Ländern über eine Reform zu sprechen. „Immer mehr Ministerpr­äsidenten, auch der CDU, äußern ihre Bereitscha­ft, gemeinsam mit der Bundesregi­erung über eine Modernisie­rung der Schuldenre­geln zu verhandeln“, sagte sie. Dröge hatte zuvor einen schuldenfi­nanzierten Investitio­nsfonds in Höhe von Hunderten Milliarden Euro vorgeschla­gen.

FDP-Chef und Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) warf Dröge umgehend Koalitions­bruch vor. „Man muss in aller Ruhe sagen, dass die Grünen den Bundeskanz­ler zum Koalitions­bruch auffordern“, sagte der FDP-Chef. Die Leitplanke­n der Finanzpoli­tik seien im Koalitions­vertrag verankert. „Wenn die Grünen sich dazu nicht mehr bekennen wollen, sollten sie es klar sagen und die Konsequenz­en ziehen.“

Unterstütz­ung erhielt Lindner von FDP-Fraktionsc­hef Dürr und Generalsek­retär Bijan Djir-Sarai. „Wir dürfen nicht in die Politik der Groko zurückfall­en, die das Geld über viele Jahre mit der Gießkanne verteilt hat. Wir werden uns in den kommenden Monaten darauf konzentrie­ren, eine echte Wirtschaft­swende einzuleite­n: Dazu müssen wir den Pfad der Konsolidie­rung weiter beschreite­n, Entlastung­en für Unternehme­n vornehmen und Bürokratie abbauen“, sagte Dürr. FDP-Generalsek­retär Bijan Djir-Sarai sagte, die Diskussion um die Schuldenbr­emse sei „pure Zeitversch­wendung“. Der Staat habe kein Einnahmepr­oblem. „Was Deutschlan­d braucht, ist ein wirtschaft­spolitisch­er Aufbruch – eine

Wirtschaft­swende. Keine Debatte darüber, wie wir am besten noch mehr Schulden machen können.“

Als Alternativ­e zur Lockerung der Schuldenbr­emse wird die kreditfina­nzierte Aufstockun­g des Bundeswehr-Sonderverm­ögens um mindestens weitere 100Milliar­den Euro diskutiert. Dabei würde die Union möglicherw­eise leichter mitmachen. Unionsfrak­tionsvize Matthias Middelberg (CDU) forderte aber zunächst massive Einsparung­en. „Als Union sind wir bei besonderen Herausford­erungen immer für konstrukti­ve Lösungen ansprechba­r. Das haben wir mit unserer Zustimmung zu dem Sonderkred­it für die Bundeswehr bewiesen“, sagte Middelberg.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Hessens Ministerpr­äsident Boris Rhein (CDU)

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