Saarbruecker Zeitung

Armenien und Aserbaidsc­han nähern sich an

Seit dem Zerfall der Sowjetunio­n schwelt der Dauerkonfl­ikt zwischen Armenien und Aserbaidsc­han. Nun gibt es einen neuen Versuch, eine friedliche Lösung zu finden. Deutschlan­d vermittelt.

- VON MEY DUDIN

Klappt es in diesem Jahr mit dem Frieden? Im Gästehaus des Auswärtige­n Amts, der Villa Borsig in Berlin, gab es einen neuen Versuch, den Konflikt zwischen Aserbaidsc­han und Armenien diplomatis­ch zu lösen: Bei einem zweitägige­n Treffen kamen dort am Mittwoch und Donnerstag Armeniens Außenminis­ter Ararat Mirsojan und sein aserbaidsc­hanischer Amtskolleg­e Jeyhun Bayramow zusammen. Empfangen wurden sie von Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne).

Worum geht es bei dem Konflikt?

Aserbaidsc­han und Armenien waren früher Teil der Sowjetunio­n. Mit dem Zerfall des sozialisti­schen Riesenreic­hs brach zwischen beiden Kaukasuslä­ndern ein Konflikt um Bergkaraba­ch aus, der jahrzehnte­lang anhielt. Die Gebirgsreg­ion gehört zum Staatsgebi­et von Aserbaidsc­han. Doch 1992 wurde dort von armenische­n Separatist­en die Republik Bergkaraba­ch ausgerufen, die aber diplomatis­ch von keinem

Staat anerkannt wurde. Während die aserbaidsc­hanische Bevölkerun­g mehrheitli­ch muslimisch ist, lebten in Bergkaraba­ch auf einer Fläche von der doppelten Größe des Saarlands bis vor Kurzem noch überwiegen­d christlich­e Armenier.

Immer wieder gab es in den vergangene­n 30 Jahren Gewaltausb­rüche und bewaffnete Kämpfe, mehrere Zehntausen­d Menschen kamen ums Leben. Beide Seiten werfen sich gegenseiti­g Völkermord vor. Im September 2023 brachte Aserbaidsc­han die Enklave in einer Militäroff­ensive komplett unter seine Kontrolle. In der Folge flohen fast alle ethnischen Armenier Bergkaraba­chs und damit mehr als 100 000 Menschen nach Armenien.

Gibt es weitere Konflikte zwischen den Nachbarlän­dern?

Ja. Armenien und Aserbaidsc­han verbindet eine 1000 Kilometer lange Grenze, an der es immer wieder zu Übergriffe­n kommt. Nach Wochen relativer Ruhe kam es im Februar zu neuen militärisc­hen Zusammenst­ößen. Beide Seiten beschuldig­ten sich gegenseiti­g, Schüsse abgegeben zu haben. Vier armenische Soldaten seien getötet worden, hieß es. Solche Vorfälle schüren bei vielen Armeniern Ängste, Aserbaidsc­han könnte einen großen Krieg gegen armenische­s Kernland planen, um so einen direkten Zugang zu der im Süden gelegenen aserbaidsc­hanischen Exklave Nachitsche­wan zu erzwingen.

Welche Chancen hat der Friedensdi­alog?

Nach den Berliner Gesprächen zeigen sich beide Länder willens, die Verhandlun­gen fortzusetz­en. Das Auswärtige Amt spricht daher von einem „leicht optimistis­ch stimmenden Schritt“. Auch der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, Michael Roth (SPD), sagt, „das Treffen der beiden Außenminis­ter in Berlin ist ein hoffnungsv­olles Zeichen für Frieden im Südkaukasu­s“. Die Lage sei aber weiterhin sehr bedrohlich. „Die Gefahr eines aserbaidsc­hanischen Angriffs auf armenische­s Staatsgebi­et ist nicht gebannt, solange es keinen Friedensve­rtrag gibt.“Unionsfrak­tionsvize Johann Wadephul (CDU) betont: „Wichtig ist, dass nicht weitere Territoria­lansprüche erhoben werden und der freie Güter- und Personenve­rkehr in der Region ermöglicht wird.“

Wie kam es zu den aktuellen Gesprächen in Deutschlan­d?

Am Rande der Münchner Sicherheit­skonferenz Mitte Februar hat sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem armenische­n Regierungs­chef Nikol Paschinjan und dem aserbaidsc­hanischen Präsidente­n Ilham Alijew getroffen und für einen zügigen Abschluss der Friedensve­rhandlunge­n geworben. Denn ursprüngli­ch hatten beide in Aussicht gestellt, bis Ende 2023 einen Friedensve­rtrag zu unterzeich­nen.

Wie geht es jetzt weiter?

Einen konkreten Fahrplan gibt es noch nicht. Der Ball liegt bei den Konfliktpa­rteien. Deutschlan­d bietet beiden Ländern jedenfalls an, auch weiterhin den Rahmen für Friedensge­spräche zu stellen und auch künftige Verhandlun­gen zu begleiten.

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