Saar-Politiker beichten ihre größten Fehler
Über Erfolge reden Politiker immer gern – aber über Niederlagen? Auf der Saar in Saarbrücken haben es einige nun getan, bei der ersten „Fuckup-Night“für Demokratie.
„A big fuck-up“, so steht es im Englischwörterbuch, ist „eine große Scheiße“. Etwas softer übersetzt geht es um großen Mist, den man vielleicht gebaut hat, um Fehler, um Versagen. Bei „Fuckup-Nights“, wie es sie seit Jahren auch in Deutschland gibt, erzählen Menschen vom beruflichen Scheitern. Neuerdings auch Politiker. Im Saarland hat jetzt die erste „FuckupNight“für die Demokratie stattgefunden, am Donnerstagabend auf dem Schiff „Frohsina“mitten in Saarbrücken.
Veranstalter Thorsten Klein, einst Regierungssprecher (bei Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer) und heute als Kommunikationsberater tätig, hatte in der Einladung für den Abend große Erwartungen geschürt: „Stellen Sie sich vor, vier Politiker packen aus. Sie erzählen von ihren größten Niederlagen.“Dass wirklich ausgepackt worden wäre, konnte man nach fast zwei Stunden Diskussion über Fehlerkultur, Verantwortung, Angst und die „Sucht“Politik zwar nicht unbedingt behaupten. Tatsächlich aber berichteten die Politiker zumindest stellenweise überraschend ehrlich von eigenen Fehlern und dunklen Zeiten.
Sie hatten dafür zunächst nur zwei Minuten Zeit. Den Anfang machte Jorgo Chatzimarkakis (57) – leider nur per Videobotschaft. Der Landeschef der ÖDP, früher für die FDP im Europaparlament und auch
Dozent an der Saar-Uni, musste, so wurde berichtet, dringend nach Aserbaidschan. Doch auch seine aufgezeichneten Worte wurden von den meisten der rund 50 Zuhörer, die 20 Euro Eintritt zahlten, verblüfft zur Kenntnis genommen.
Der Deutsch-Grieche nannte seinen größten politischen Fehler den Versuch, mit einer von ihm selbst gegründeten Partei ins EU-Parlament zu kommen. Der teure Wahlkampf habe ihn beinahe ruiniert: „Ich habe sehr viel Geld verloren. Und auch viel Kraft. Ich musste mein Haus verkaufen, um meine Schulden zu begleichen. Das war ganz schön hart.“Sein Fehler sei es konkret gewesen, nicht von der Politik loslassen zu können.
Ähnlich beeindruckend waren die sehr persönlichen Worte des SPD-Landtagsabgeordneten Sascha Haas. „Leider habe ich den großen Fehler gemacht, dass ich mein politisches und ehrenamtliches Engagement eher nach vorne gestellt habe als mein privates Glück“, sagte der 33-Jährige. Das habe nach achteinhalb Jahren Beziehung im Vorjahr zur Trennung von seinem Freund geführt.
Saarbrückens Wirtschafts- und Sozialdezernent Tobias Raab (41, Ex-FDP) berichtete von einem Fehler aus seiner Arbeit im Rathaus. Die Räumung von Obdachlosenzelten an der Westspange Anfang 2023 sei zwar „formell richtig“gewesen, „daran gab es wenig auszusetzen“, man sei nach bestem Wissen und Gewissen vorgegangen. Informell allerdings habe man vieles lernen müssen, „wie wir mit den Betroffenen, der Presse und den Einrichtungen umgehen“. Eine weitere Räumung im Herbst sei dann „deutlich besser für alle Beteiligten“gelaufen.
Carolin Mathieu, die Vize-Generalsekretärin der CDU Saar und mit 24 der jüngste Gast auf dem Podium, räumte sofort ein, erst seit Kurzem in der Politik zu sein und dass sie noch gar keine Gelegenheit gehabt habe, groß Fehler zu machen. Ihr größter bislang sieht so aus: „Ich hatte geglaubt, dass alle wohlwollend reagieren, wenn ich als junge Frau für einen Spitzenposten in der CDU kandidiere. Es war ein Fehler zu glauben, dass das in und außerhalb der Partei alle gut finden, dass sich eine junge Frau für die Zukunft ihrer Generation und die Zukunft des Landes einsetzt.“Ein böser Leserbrief, in dem Mathieu jegliche Kompetenz abgesprochen wurde, habe sie da schnell eines Besseren belehrt.
Mögliche Kritik an der Auswahl der teils wenig erfahrenen Gäste hatte Veranstalter Klein mit dem Hinweis auszuräumen versucht, es sei ihm wichtig, dass jene zu Wort kommen, die mittendrin sind, vieles noch vor sich haben und die Atmosphäre in der Politik künftig noch maßgeblich beeinflussen können. Gleichwohl wäre es extrem spannend gewesen, zum Beispiel Kleins langjährige Chefin Annegret KrampKarrenbauer, Ex-Ministerpräsidentin und Ex-CDU-Bundesvorsitzende, über gemachte Fehler reden zu hören. Vielleicht bei einer zweiten „Fuckup-Night“am Ufer der Saar?