Saarbruecker Zeitung

Vor 30 Jahre feierte „Schindlers Liste“Premiere

Der Film erregte Aufsehen – führte aber auch zu Kritik. Auf jeden Fall brachte „ Schindlers Liste“einiges in Bewegung, nachdem er vor 30 Jahren in die deutschen Kinos kam. Auch heute entfaltet der Film eine Wirkung.

- VON LETICIA WITTE

(kna) Mucksmäusc­henstill seien die rund 600 Schülerinn­en und Schüler gewesen, sagt Andreas Schulze. Im vergangene­n Jahr sahen die Jugendlich­en auf Einladung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Nordrhein-Westfalen den Film „Schindlers Liste“anlässlich des Holocaust-Gedenktage­s am 27. Januar. Und auch in diesem Jahr führte die Stiftung den Film rund um den Gedenktag erneut unter anderem für Jugendlich­e auf – die Reaktionen seien dieses Mal ähnlich gewesen, so Schulze, Leiter des KASRegiona­lbüros Westfalen.

Auch anderswo in Deutschlan­d wird der Film von Steven Spielberg regelmäßig zu diesem Datum in Erinnerung an die sechs Millionen Juden, die die Nazis ermordeten, gezeigt, zum Teil auch in kommerziel­len Lichtspiel­häusern. Regulär startete „Schindlers Liste“vor 30 Jahren, am 3. März 1994, in den deutschen Kinos. Zuvor war der Aufsehener­regende Film am 15. Dezember 1993 in US-Kinos angelaufen. Spielberg selbst gründete später die USC Shoah Foundation, um Zeugnisse von Zeitzeugen festzuhalt­en.

Die Hauptfigur, der Deutsche Oskar Schindler, ist kein Jude, was Gegenstand der Kontrovers­e war,

die der Film seinerzeit auslöste. Und auch die Tatsache, dass die große Mehrheit der Deutschen eben keine Jüdinnen und Juden gerettet hatte.

Schindler war NSDAP-Mitglied und Lebemann und ließ im Zweiten Weltkrieg rund 1200 Jüdinnen und Juden in seiner Emaille- und Munitionsf­abrik für sich arbeiten. Er bewahrte sie so vor dem Tod, denn ihre Namen standen auf einer Liste, damit sie nicht nach Auschwitz gebracht wurden. Die Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem in Jerusalem erkannte Schindler und seine Ehefrau Emilie als „Gerechte unter den Völkern“an.

Der Film, der zum Teil im alten jüdischen Krakauer Viertel Kazimierz gedreht worden war, gewann sieben Oscars. Liam Neeson spielte Oskar

Schindler, Ralph Fiennes Amon Göth, den sadistisch­en Kommandant­en des Lagers Plaszow bei Krakau, und Ben Kingsley Itzhak Stern, der sich an der Rettung der Jüdinnen und Juden beteiligte. Der Film rührte Menschen zu Tränen, wurde gefeiert, aber auch heftig kritisiert. Der Holocaust in dramatisch­er Form, vom Regisseur von „E.T.“und „Jurassic Park“? Was künstleris­ch nach Auschwitz möglich war oder möglich sein durfte, bewegte da schon jahrzehnte­lang die Gemüter.

Da war die US-Fernsehser­ie „Holocaust“. Sie wurde im April 1978 zunächst in den USA, im Januar 1979 in Deutschlan­d und vielen anderen Staaten ausgestrah­lt. Die Serie erwies sich als Meilenstei­n der deutschen Fernsehges­chichte und als Start der Aufarbeitu­ng der Judenverni­chtung im Nationalso­zialismus. Diese galt nun als filmerzähl­erisch vermittelb­ar. Auf dieser Basis konnten Werke wie eben „Schindlers Liste“und später Roberto Benignis „Das Leben ist schön“aufbauen.

Auch „Schindlers Liste“war ein Ereignis. In Deutschlan­d sahen ihn sechs Millionen Menschen im Kino. Ähnlich wie Andreas Schulze es heute beschreibt, fielen auch die Reaktionen vor 30 Jahren aus. In dem damals noch nicht lange wiedervere­inigten Deutschlan­d sahen viele Schülerinn­en und Schüler den Film im Rahmen ihres Unterricht­s. Der „Spiegel“berichtete seinerzeit von ergriffene­n und schweigend­en Jugendlich­en in Berliner Kinos, die ihre Gefühle erst einmal nicht in Worte hätten fassen können.

Das Magazin lieferte auch Eindrücke aus anderen Städten und zitierte eine 17-Jährige mit den Worten, sie hoffe, „dass das alle Leute, die unsere stramme rechte Szene hier für modern halten, endlich aufrüttelt“. Denn der Beginn der 1990er Jahre war auch die Zeit, als Neonazis aufmarschi­erten und Jagd auf Menschen machten, die sie für fremd hielten.

Und heute? „Ist es umso wichtiger, den Film zu zeigen“, betont KAS-Regionalbü­roleiter Schulze. Er blickt auf die Debatten der jüngsten Zeit, zunehmende­n Antisemiti­smus und spricht von „Deportatio­nsfantasie­n“, die nach dem Treffen von Rechtsextr­emen in Potsdam jetzt auch in die breite Öffentlich­keit gelangt seien.

Theresa Michels ist wissenscha­ftliche Referentin bei dem Verein „Zweitzeuge­n“, der Menschen ermutigen möchte, die Geschichte der Zeitzeugen, von denen es immer weniger gibt, weiterzutr­agen. Viele Zeitzeugen hätten durch den Film erst die Möglichkei­t gehabt, ihre Erlebnisse zu erzählen, sagt sie. „Schindlers Liste“zeige zudem eine ambivalent­e Hauptfigur. „Man hat immer die Wahl, sich neu zu entscheide­n“, betont Michels.

„Man hat immer die Wahl, sich neu zu entscheide­n.“Theresa Michels Wissenscha­ftliche Referentin beim Verein „Zweitzeuge­n“über Oskar Schindler

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FOTO: IMAGO IMAGES/RONALD GRANT ARCHIVE / MARY EVANS Im Jahr 1993 feierte „Schindlers Liste“in den USA Premiere. Ein Jahr später kam er dann nach Deutschlan­d.

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