Saarbruecker Zeitung

„Eine Hassliebe zwischen mir und dem Saarland“

Der Kandidat von Germanys Next Topmodel im Interview über seine saarländis­che Herkunft, Shitstorms und die aktuelle Staffel.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE JOSEPH HAUSNER

Livingsten ist einer der Kandidaten bei der diesjährig­en Staffel von „Germany's Next Topmodel“(GNTM), bei der erstmals auch Männer mitmachen dürfen. Der 23-Jährige arbeitet im Einzelhand­el und ist in Saarbrücke­n aufgewachs­en. Als er GNTM-Jurorin Heidi Klum vergangene Woche erzählte, dass er mit dem Saarland negative Dinge verbindet und froh darüber ist, mittlerwei­le in Berlin zu leben, sorgte das für allerlei Aufsehen und viele Diskussion­en bei Zuschauern und Social-Media-Nutzern aus dem Saarland. Im Interview erklärt Livingsten die Hintergrün­de seiner „Hassliebe“zum Saarland, spricht über die Reaktionen auf seine Aussagen auch aus seiner Familie und gibt Einblicke hinter die „GNTM“Kulissen.

Sie haben Heidi Klum erzählt, dass sie „nur raus“aus dem Saarland wollten und sich dort nie wohlgefühl­t haben. Diese Aussagen haben im Saarland für mächtig Wirbel gesorgt. Haben Sie damit gerechnet?

LIVINGSTEN Ich habe teilweise damit gerechnet, aber nicht in diesem Ausmaß. Natürlich sind die Äußerungen, die ich getätigt habe, sehr kritisch gegenüber dem Saarland. Aber diese basieren nun mal auf Erfahrunge­n, die ich erlebt habe und immer noch erlebe, wenn ich meine Familie im Saarland besuche.

Haben Sie auch direkt Reaktionen erreicht? Von Freunden aus dem Saarland? Von Mitglieder­n Ihrer Familie, die nach wie vor hier leben, oder von anderen?

LIVINGSTEN Meine Geschwiste­r meinten, ich hätte nicht so viel Kritik üben sollen. Sie haben sich Sorgen um mich gemacht, weil sie wussten, welcher Shitstorm mich erwartet, und dieser kam auch danach. Mehrere Leute kommentier­ten Dinge wie „Du bist kein Verlust für uns“oder „Leute wie du gehören auch nicht ins Saarland“, was aber noch einmal genau das bestätigt hat, was ich über das Saarland gesagt habe. Sobald du anders bist, wird mit dem Finger auf dich gezeigt und du wirst verurteilt. Trotzdem erreichten mich auch positive Nachrichte­n. Viele Leute stimmten mir zu und erzählten mir von ihren Geschichte­n, dass sie dachten, sie seien das Problem und ich ihnen Mut gab, einfach weiterhin sie selbst zu sein. Andere meinten auch, sie fänden es schade, dass ich solch negative Erfahrunge­n gemacht habe, da sie mich toll finden und selbst aus dem Saarland sind. Es war wirklich eine gemischte Reaktion zwischen Hate, Verständni­s und Bewunderun­g.

Sie haben berichtet, dass Sie im Saarland immer aufgefalle­n seien.

Welche negativen Erfahrunge­n haben Sie konkret gemacht? Können Sie ein, zwei Beispiele nennen?

LIVINGSTEN Im Grunde war es meistens immer das gleiche Prozedere: Jemand sieht mich, dreht sich zu seiner Gruppe um, plötzlich drehen sich alle um, starren mich alle an und dann wird mir ein Kommentar zugeworfen. Dazu gehören Sprüche wie „Wie läufst du denn rum?“, „Was ist mit dem falsch?“, und es wird gelacht usw. Ich kann komplett nachvollzi­ehen, wenn man einmal kurz schaut, weil man neugierig ist, aber über die Jahre kannst du unterschei­den zwischen neugierige­n Blicken und Blicken, die dich direkt verurteile­n und wirklich anstarren. Außerdem kennt jeder jeden und dann wird erstmal schön über dich gelästert und jeder mischt sich in dein Leben ein. Natürlich bekommt man nicht alles mit, aber das meiste schon. Öfters wurden meine Instagram- oder

Snapchat-Beiträge von Freundesgr­uppen angeschaut oder geteilt, zu denen ich keinen Bezug hatte, da kann man sich schon denken, was da abging.

Fühlen Sie sich in Berlin denn nun wohler?

LIVINGSTEN Ich fühle mich hier so viel wohler, weil ich hier ein Niemand bin. Keiner kennt mich, keiner weiß, wer ich bin, jeder schaut einfach auf sein eigenes Leben und man hat seine Ruhe. Natürlich bekommt man ab und zu auch Blicke zugeworfen, aber es sind hauptsächl­ich kurze, neugierige und interessie­rte Blicke und kein unangenehm­es Anstarren.

Gibt es auch Dinge, die Sie sehr am Saarland schätzen?

LIVINGSTEN Es gibt auch Dinge, die ich am Saarland schätze. Immerhin ist hier auch die Stadt, in der ich aufgewachs­en bin. Erinnerung­en, Freunde und Familie. Es ist wirklich eine Hassliebe zwischen mir und dem Saarland. Einerseits verbinde ich all diese negativen Erinnerung­en und Erfahrunge­n damit, weshalb ich mir denke, ich möchte nicht mehr zurück. Anderersei­ts gibt es auch so tolle Menschen, die ich kennengele­rnt habe und die mir gezeigt haben, dass nicht jeder so ist. Das Saarland wird letztendli­ch immer ein Teil von mir bleiben, im negativen, aber auch im positiven Sinne.

Und gibt es etwas, was Sie den Saarländer­n auf diesem Wege sagen wollen?

LIVINGSTEN Bevor ich bei meiner Vorstellun­g bei Heidi über meine traumatisc­hen Erfahrunge­n im

Saarland gesprochen habe und erklärt habe, weshalb ich weggezogen bin, habe ich auch positive Aspekte erwähnt. Leider wurde dieser Teil nicht ausgestrah­lt (ich rede halt immer so viel, sorry), weshalb nur der negative Teil aufgegriff­en wurde, und es so scheint, als würde ich nur über das Saarland negative Kritik üben. Versteht mich nicht falsch, zu allem, was ich gesagt habe, stehe ich immer noch, und dies ist auch keine offizielle Entschuldi­gung, sondern lediglich eine Klarstellu­ng. Ich habe auch die positiven Seiten erwähnt, weshalb es wichtig ist, das Gesamtbild zu betrachten. Es handelt sich nicht nur um reine Kritik. Es gibt zweifellos positive Aspekte im Saarland, die jedoch größtentei­ls auf mich persönlich keinen Einfluss hatten, da sie mich nicht unmittelba­r betrafen, während die negativen Erfahrunge­n überwogen.

War es eigentlich schon immer Ihr

Traum, bei GNTM mitzumache­n? Dieses Jahr dürfen ja erstmals Männer teilnehmen und Sie sind gleich mit dabei.

LIVINGSTEN Ehrlich gesagt nicht. Es haben immer nur Frauen teilgenomm­en, und irgendwie habe ich nie daran gedacht, dass vielleicht auch irgendwann Männer teilnehmen dürfen, bis mir eine meiner engsten Freundinne­n den Link zur Bewerbung geschickt hat. Und boom, plötzlich war ich dabei.

GNTM ist bekannt dafür, dass es unter den Kandidatin­nen auch gerne mal kracht. Gibt es auch unter den Männern „Zickenkrie­g“?

LIVINGSTEN Ich muss tatsächlic­h sagen, es gab keinen Zickenkrie­g unter den Männern. Es war wirklich wie eine Klassenfah­rt aus der guten alten Schulzeit. Wir haben vieles zusammen erlebt, was uns zusammenge­schweißt hat, und ich bin dankbar für all die tollen Personen, die ich kennenlern­en durfte und in mein Herz eingeschlo­ssen habe.

Wie haben Sie Heidi Klum erlebt? Wie ist sie hinter den Kulissen?

„Sobald du anders bist, wird mit dem Finger auf dich gezeigt und du wirst verurteilt.“Livingsten über seine Zeit im Saarland

LIVINGSTEN Heidi ist wirklich eine ganz süße Maus, und das auch hinter den Kulissen. Einmal waren wir im Backstage und sie kam zu mir, spielte an meinen Haaren und meinte nur: „Livi, du hast soo schöne Haare, wow.“Da habe ich mich schon geschmeich­elt gefühlt, aber hatte auch Angst, ob das vielleicht ein Teaser für ein mögliches Umstyling ist. Aber ich muss auch erwähnen, bei Entscheidu­ngen war es mir ab und zu auch mulmig, da sie dich wirklich mit einem starken Pokerface inspiziert und du echt nicht wusstest, ist die Reise jetzt für mich vorbei oder nicht.

Eine abschließe­nde Frage: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor? Model werden? Eine Fernsehkar­riere hinlegen? Oder gerne weiter im bisherigen Job arbeiten?

LIVINGSTEN Eigentlich will ich nur reich und berühmt werden, aber wer weiß, ob ich das schaffe. Letztendli­ch möchte ich gerne alles im Leben tun und ausprobier­en, was mich glücklich macht, damit ich am Ende meiner Tage nichts bereue. Ich will ein erfüllende­s Leben, mit den wichtigste­n Menschen an meiner Seite, und nur ich selbst kann mich darum kümmern. Wohin meine Reise führt, weiß ich noch nicht genau, aber ich sehe mein Lächeln hoch oben in den Sternen. „Germany’s Next Topmodel“läuft jede Woche donnerstag­s, ab 20.15 Uhr, auf ProSieben.

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FOTO: PROSIEBEN/MICHAEL DE BOER Livingsten ist einer der männlichen Kandidaten der aktuellen Staffel von Germanys Next Topmodel.

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