„Eine Hassliebe zwischen mir und dem Saarland“
Der Kandidat von Germanys Next Topmodel im Interview über seine saarländische Herkunft, Shitstorms und die aktuelle Staffel.
Livingsten ist einer der Kandidaten bei der diesjährigen Staffel von „Germany's Next Topmodel“(GNTM), bei der erstmals auch Männer mitmachen dürfen. Der 23-Jährige arbeitet im Einzelhandel und ist in Saarbrücken aufgewachsen. Als er GNTM-Jurorin Heidi Klum vergangene Woche erzählte, dass er mit dem Saarland negative Dinge verbindet und froh darüber ist, mittlerweile in Berlin zu leben, sorgte das für allerlei Aufsehen und viele Diskussionen bei Zuschauern und Social-Media-Nutzern aus dem Saarland. Im Interview erklärt Livingsten die Hintergründe seiner „Hassliebe“zum Saarland, spricht über die Reaktionen auf seine Aussagen auch aus seiner Familie und gibt Einblicke hinter die „GNTM“Kulissen.
Sie haben Heidi Klum erzählt, dass sie „nur raus“aus dem Saarland wollten und sich dort nie wohlgefühlt haben. Diese Aussagen haben im Saarland für mächtig Wirbel gesorgt. Haben Sie damit gerechnet?
LIVINGSTEN Ich habe teilweise damit gerechnet, aber nicht in diesem Ausmaß. Natürlich sind die Äußerungen, die ich getätigt habe, sehr kritisch gegenüber dem Saarland. Aber diese basieren nun mal auf Erfahrungen, die ich erlebt habe und immer noch erlebe, wenn ich meine Familie im Saarland besuche.
Haben Sie auch direkt Reaktionen erreicht? Von Freunden aus dem Saarland? Von Mitgliedern Ihrer Familie, die nach wie vor hier leben, oder von anderen?
LIVINGSTEN Meine Geschwister meinten, ich hätte nicht so viel Kritik üben sollen. Sie haben sich Sorgen um mich gemacht, weil sie wussten, welcher Shitstorm mich erwartet, und dieser kam auch danach. Mehrere Leute kommentierten Dinge wie „Du bist kein Verlust für uns“oder „Leute wie du gehören auch nicht ins Saarland“, was aber noch einmal genau das bestätigt hat, was ich über das Saarland gesagt habe. Sobald du anders bist, wird mit dem Finger auf dich gezeigt und du wirst verurteilt. Trotzdem erreichten mich auch positive Nachrichten. Viele Leute stimmten mir zu und erzählten mir von ihren Geschichten, dass sie dachten, sie seien das Problem und ich ihnen Mut gab, einfach weiterhin sie selbst zu sein. Andere meinten auch, sie fänden es schade, dass ich solch negative Erfahrungen gemacht habe, da sie mich toll finden und selbst aus dem Saarland sind. Es war wirklich eine gemischte Reaktion zwischen Hate, Verständnis und Bewunderung.
Sie haben berichtet, dass Sie im Saarland immer aufgefallen seien.
Welche negativen Erfahrungen haben Sie konkret gemacht? Können Sie ein, zwei Beispiele nennen?
LIVINGSTEN Im Grunde war es meistens immer das gleiche Prozedere: Jemand sieht mich, dreht sich zu seiner Gruppe um, plötzlich drehen sich alle um, starren mich alle an und dann wird mir ein Kommentar zugeworfen. Dazu gehören Sprüche wie „Wie läufst du denn rum?“, „Was ist mit dem falsch?“, und es wird gelacht usw. Ich kann komplett nachvollziehen, wenn man einmal kurz schaut, weil man neugierig ist, aber über die Jahre kannst du unterscheiden zwischen neugierigen Blicken und Blicken, die dich direkt verurteilen und wirklich anstarren. Außerdem kennt jeder jeden und dann wird erstmal schön über dich gelästert und jeder mischt sich in dein Leben ein. Natürlich bekommt man nicht alles mit, aber das meiste schon. Öfters wurden meine Instagram- oder
Snapchat-Beiträge von Freundesgruppen angeschaut oder geteilt, zu denen ich keinen Bezug hatte, da kann man sich schon denken, was da abging.
Fühlen Sie sich in Berlin denn nun wohler?
LIVINGSTEN Ich fühle mich hier so viel wohler, weil ich hier ein Niemand bin. Keiner kennt mich, keiner weiß, wer ich bin, jeder schaut einfach auf sein eigenes Leben und man hat seine Ruhe. Natürlich bekommt man ab und zu auch Blicke zugeworfen, aber es sind hauptsächlich kurze, neugierige und interessierte Blicke und kein unangenehmes Anstarren.
Gibt es auch Dinge, die Sie sehr am Saarland schätzen?
LIVINGSTEN Es gibt auch Dinge, die ich am Saarland schätze. Immerhin ist hier auch die Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Erinnerungen, Freunde und Familie. Es ist wirklich eine Hassliebe zwischen mir und dem Saarland. Einerseits verbinde ich all diese negativen Erinnerungen und Erfahrungen damit, weshalb ich mir denke, ich möchte nicht mehr zurück. Andererseits gibt es auch so tolle Menschen, die ich kennengelernt habe und die mir gezeigt haben, dass nicht jeder so ist. Das Saarland wird letztendlich immer ein Teil von mir bleiben, im negativen, aber auch im positiven Sinne.
Und gibt es etwas, was Sie den Saarländern auf diesem Wege sagen wollen?
LIVINGSTEN Bevor ich bei meiner Vorstellung bei Heidi über meine traumatischen Erfahrungen im
Saarland gesprochen habe und erklärt habe, weshalb ich weggezogen bin, habe ich auch positive Aspekte erwähnt. Leider wurde dieser Teil nicht ausgestrahlt (ich rede halt immer so viel, sorry), weshalb nur der negative Teil aufgegriffen wurde, und es so scheint, als würde ich nur über das Saarland negative Kritik üben. Versteht mich nicht falsch, zu allem, was ich gesagt habe, stehe ich immer noch, und dies ist auch keine offizielle Entschuldigung, sondern lediglich eine Klarstellung. Ich habe auch die positiven Seiten erwähnt, weshalb es wichtig ist, das Gesamtbild zu betrachten. Es handelt sich nicht nur um reine Kritik. Es gibt zweifellos positive Aspekte im Saarland, die jedoch größtenteils auf mich persönlich keinen Einfluss hatten, da sie mich nicht unmittelbar betrafen, während die negativen Erfahrungen überwogen.
War es eigentlich schon immer Ihr
Traum, bei GNTM mitzumachen? Dieses Jahr dürfen ja erstmals Männer teilnehmen und Sie sind gleich mit dabei.
LIVINGSTEN Ehrlich gesagt nicht. Es haben immer nur Frauen teilgenommen, und irgendwie habe ich nie daran gedacht, dass vielleicht auch irgendwann Männer teilnehmen dürfen, bis mir eine meiner engsten Freundinnen den Link zur Bewerbung geschickt hat. Und boom, plötzlich war ich dabei.
GNTM ist bekannt dafür, dass es unter den Kandidatinnen auch gerne mal kracht. Gibt es auch unter den Männern „Zickenkrieg“?
LIVINGSTEN Ich muss tatsächlich sagen, es gab keinen Zickenkrieg unter den Männern. Es war wirklich wie eine Klassenfahrt aus der guten alten Schulzeit. Wir haben vieles zusammen erlebt, was uns zusammengeschweißt hat, und ich bin dankbar für all die tollen Personen, die ich kennenlernen durfte und in mein Herz eingeschlossen habe.
Wie haben Sie Heidi Klum erlebt? Wie ist sie hinter den Kulissen?
„Sobald du anders bist, wird mit dem Finger auf dich gezeigt und du wirst verurteilt.“Livingsten über seine Zeit im Saarland
LIVINGSTEN Heidi ist wirklich eine ganz süße Maus, und das auch hinter den Kulissen. Einmal waren wir im Backstage und sie kam zu mir, spielte an meinen Haaren und meinte nur: „Livi, du hast soo schöne Haare, wow.“Da habe ich mich schon geschmeichelt gefühlt, aber hatte auch Angst, ob das vielleicht ein Teaser für ein mögliches Umstyling ist. Aber ich muss auch erwähnen, bei Entscheidungen war es mir ab und zu auch mulmig, da sie dich wirklich mit einem starken Pokerface inspiziert und du echt nicht wusstest, ist die Reise jetzt für mich vorbei oder nicht.
Eine abschließende Frage: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor? Model werden? Eine Fernsehkarriere hinlegen? Oder gerne weiter im bisherigen Job arbeiten?
LIVINGSTEN Eigentlich will ich nur reich und berühmt werden, aber wer weiß, ob ich das schaffe. Letztendlich möchte ich gerne alles im Leben tun und ausprobieren, was mich glücklich macht, damit ich am Ende meiner Tage nichts bereue. Ich will ein erfüllendes Leben, mit den wichtigsten Menschen an meiner Seite, und nur ich selbst kann mich darum kümmern. Wohin meine Reise führt, weiß ich noch nicht genau, aber ich sehe mein Lächeln hoch oben in den Sternen. „Germany’s Next Topmodel“läuft jede Woche donnerstags, ab 20.15 Uhr, auf ProSieben.