Die Erklärungsversuche des Samir Benfares
Vater und Trainer der positiv auf Epo getesteten Leichtathletinnen Sara und Sofia äußert sich – und droht deutschen Medien.
Jeder spannende Kriminalfall hat Personen, die ihn prägen und seinen Ausgang maßgeblich bestimmen. Manchmal agieren sie im Hintergrund, manchmal stehen sie ganz vorne. Auch der Doping-Fall Benfares hat mit Vater Samir Benfares einen solchen Protagonisten. Er ist das unbestrittene Oberhaupt der Familie, der Trainer, der Taktgeber. Er ist redselig, zumindest in den französischen Medien, in denen er sich seit Bekanntwerden des positiven Doping-Tests seiner Tochter Sara (23) vielfach geäußert hat. So war es das französische Doping-Portal Spe15, in dem er das Testergebnis auf eine Knochenkrebserkrankung Saras und die deshalb notwendige Behandlung mit den Substanzen Epo und Testosteron zurückführte.
Den deutschen Medien gegenüber jedoch schweigt Samir Benfares bisher beharrlich. Im Gegenteil will er sie sogar wegen Verleumdung verklagen. Damit beginnt das neueste Kapitel der Akte Benfares, nachdem auch die jüngste der drei Schwestern, Sofia (19), positiv auf das Blutdopingmittel Epo getestet worden ist. Dies hatte die Nationale-AntiDoping-Agentur (NADA) auf SZAnfrage am vergangenen Mittwoch bestätigt. Zudem hat die NADA auch sie – wie schon ihre Schwester Sara zuvor – bei der Saarbrücker Staatsanwaltschaft wegen des Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz angezeigt, wie die Behörde bestätigte.
Daraufhin trat Samir Benfares, selbst einst ein Weltklasse-Leichtathlet, am Donnerstag wiederum bei Spe15 in Erscheinung. Er sprach davon, dass seine Tochter gar nichts von einem positiven Testergebnis wisse. Zudem kündigte er eine Klage wegen Verleumdung an, die sich mutmaßlich vor allem gegen die Saarbrücker Zeitung richten dürfte, die über beide Fälle exklusiv berichtet hatte. Es gebe keine Beweise – so lautete seine Begründung. Doch dabei blieb es nicht, denn Benfares berichtete über weitere Details und versuchte, beispielsweise die Verbindung der Familie zu den beiden Rumänen Carol und Sohn Daniel Santa, die die SZ über ein Foto von der EM 2022 aufgedeckt hatte, zu erklären. Auf diesem Bild sind die Santas mit Sara Benfares zu sehen. Dabei tragen sie Vereinskleidung des französischen Vereins CA Montreuil 93, dem Samir als Präsident vorsteht – oder vorstand. Denn die größte französische Sporttageszeitung L'Équipe berichtete am Donnerstagabend, Benfares sei am 30. Januar von seinem Amt zurückgetreten.
Carol Santa ist ein in der Leichtathletik-Szene bekannter Trainer, dessen Athleten in der Vergangenheit in einigen Fällen mit Doping in Verbindung gebracht wurden. Daniel Santa ist als Inhaber einer Vermarktungsagentur in der Leichtathletik unterwegs. Während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 saß Samir Benfares mit seinen Töchtern Sara und Sofia im kenianischen Iten, einem bekannten Trainingszentrum für Lang- und Mittelstreckenläufer, fest. So berichtete er es jedenfalls bei Spe15. Über Kontakte zur französischen Botschaft sei die Verbindung zu Carol Santa entstanden, von dessen Ruf er damals nichts gewusst habe.
Santa kennt sich in Iten aus, da er dort eine Zeitlang gelebt und oftmals mit seinen Athleten trainiert
hat. Santa habe die Familie dort dann vor Ort unterstützt, schilderte Samir Benfares weiter. Als Dank für diese Unterstützung habe er die Santas und einige ihrer Athleten im Frühjahr 2022 nach Frankreich zu seinem Club eingeladen und ihnen die Vereinskleidung geschenkt. Es sei reiner Zufall gewesen, dass die
Santas diese dann auf besagtem Foto von der EM in München getragen haben.
Doch das sind nicht die einzigen Neuigkeiten, über die er in den französischen Medien in den vergangenen Tagen gesprochen hat. Bereits bevor die Nachricht von Sofias Testergebnis publik wurde, hatte er
sich gegenüber Frankreichs größter Sportzeitung L'Équipe nochmals zur angeblichen Krebserkrankung Saras geäußert. So berichtete er von einem Hamburger Professor, bei dem Sara in Behandlung gewesen sei. Desweiteren sprach er davon, dass bei Sara eine Metastase im Knie festgestellt worden sei. Bei Spe15 verkündete er zudem, dass Saras Karriere-Ende feststehe. Ihr letztes Rennen hatte die 22-Jährige Anfang Dezember 2023 in Genf beim „Course de l'escalade“bestritten. Sara selbst hatte das Rennen in der SZ als Comeback auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Paris bezeichnet. Nun klingt das bei Samir Benfares gänzlich anders. Dass sie dort trotz ihrer Krebserkrankung überhaupt startete und als Sechste überaus passabel abschnitt, erklärte Samir Benfares mit dem „Naturtalent“seiner Tochter.
An anderer Stelle ist bei Spe15 zu lesen, dass der deutsche Anwalt Rainer Cherkeh aus Hannover sein Mandat im Fall Sara Benfares niedergelegt habe und sie nicht mehr vertrete. Cherkeh ließ eine SZ-Anfrage in dieser Sache am Freitag unbeantwortet – wie auch weitere in den vergangenen Wochen. Sollte dies zutreffend sein, dass der im Sportrecht renommierte Jurist Abstand von diesem Fall genommen hat, dürften die ohnehin bestehenden Zweifel an der Erklärung der Familie nochmals wachsen. Die Frage, warum Samir Benfares alle diese Informationen nicht auch mit der deutschen Presse teilt, bleibt unbeantwortet. Gegenüber der NADA und auch der Saarbrücker Staatsanwaltschaft wird Samir Benfares sein Schweigen wohl brechen und handfeste Beweise vorlegen müssen, um seine Version der Ereignisse zu stützen. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit obliegt dann den Behörden. Aber die öffentliche Meinung dürfte nach dem zweiten Epo-Fall in der Familie bereits feststehen – mit Vater Samir Benfares als Kopf der Familie und prägender Person in diesem Doping-Thriller.