Saarbruecker Zeitung

Im Fall Benfares wächst bei Doping-Experte Sörgel die Wut

Der Leiter des Instituts für Biomedizin­ische und Pharmazeut­ische Forschung in Nürnberg ist erschütter­t über die aktuellen Entwicklun­gen.

- VON DAVID HOFFMANN

Professor Fritz Sörgel hatte von Beginn an Zweifel. Zweifel an der Erklärung, dass eine Krebserkra­nkung bei Sara Benfares und ihre anschließe­nde Behandlung Grund für den positiven Dopingtest auf Epo und Testostero­n sind. Zweifel, die durch den positiven Test auf Epo bei Schwester Sofia nicht nur verstärkt wurden. Inzwischen wächst bei dem renommiert­en Doping-Experten die Wut auf die beiden Mittelstre­ckenläufer­innen.

„Mein erster Gedanke, als ich vom positiven Test bei Sofia Benfares, erfahren habe? Dass sich dort durch die Kontakte des Vaters Samir Benfares offenbar eine Gruppe gebildet hat, die im Doping aktiv ist und auch die Möglichkei­ten hat, überhaupt an Dopingmitt­el wie Epo zu kommen“, sagt Sörgel, der seit Langem zum Thema Doping forscht. Es sei nicht möglich, „einfach mal in eine Apotheke zu gehen und sich Dopingmitt­el zu besorgen“. Zudem ergeben sich für den 73-Jährigen aus dieser neuen Sachlage heraus eine Reihe weiterer Fragezeich­en, was die mögliche Krebserkra­nkung von Sara Benfares betrifft.

„Es wirft für mich ganz schlimme Fragen auf, wie diese Erklärung zustande gekommen ist, dass Sara Benfares an Knochenkre­bs leidet“, betont der Doping-Fachmann. Zum einen geht es für Sörgel darum, ob es dabei tatsächlic­h Ärzte gegeben hat, die möglicherw­eise falsche Untersuchu­ngsergebni­sse attestiert haben. Samir Benfares hatte in einem Interview mit dem französisc­hen Doping-Portal Spe15 beispielsw­eise von einem Hämatokrit­wert von 27 gesprochen, der bei seiner Tochter festgestel­lt worden sein soll. Diesen Wert hatte der Mediziner Sörgel bereits zuvor als „alarmieren­d“bezeichnet. Der Hämatokrit­wert gibt bei einem Menschen die Anzahl der roten Blutkörper­chen im Blut an.

„Es gilt zu klären, ob der Vater diese Untersuchu­ngsergebni­sse möglicherw­eise einfach erfunden hat, ob dabei Ärzte eine Rolle gespielt haben und wo diese Diagnose Knochenkre­bs gestellt worden ist“, fügt der Leiter des Instituts für Biomedizin­ische und Pharmazeut­ische Forschung in Nürnberg hinzu. So hatte Vater Benfares gegenüber Spe15 angegeben, er habe an einer Anhörung bei der Nationalen-Anti-Doping-Agentur (NADA) im Fall Sara Benfares in Begleitung eines deutschen Arztes teilgenomm­en. Aufgrund der neuen Erkenntnis­se müsse man diese Geschichte jetzt vor einem „potenziell kriminelle­n Hintergrun­d“betrachten, hält Sörgel fest. Gab es Ärzte, die der Familie Benfares geholfen haben, eine Erkrankung vorzutäusc­hen? Diese offenen Fragen erfordern Sörgels Auffassung nach weitere behördlich­e Ermittlung­en, um den Fall auch über eine mögliche Doping-Sperre der Schwestern hinaus aufzukläre­n.

Diesbezügl­ich ist nach seiner Einschätzu­ng damit zu rechnen, dass auf Sara und Sofia Benfares jeweils eine Sperre von vier Jahren zukommt. „Wenn ein Doping-Test nicht widerlegt oder plausibel erklärt werden kann, dann erfolgt automatisc­h eine vierjährig­e Sperre“, sagt er. Mildernde Umstände, die möglicherw­eise eine geringere

Sperre nach sich ziehen könnten, sind für Fritz Sörgel derzeit nicht erkennbar. Vor allem dann nicht, „wenn die Geschichte Knochenkre­bs nicht stimmen sollte“.

Sollte dies zutreffen, kommt für den Mediziner auch eine ethischmor­alische Komponente hinzu. „Es wäre ein Schlag ins Gesicht eines jeden Menschen, der an Knochenkre­bs erkrankt ist, wenn dies alles erfunden sein sollte. Das wäre moralisch als absolut verwerflic­h zu bezeichnen. Was müssen Knochenkre­bs-Patienten denken, die an starken Schmerzen leiden, wenn ihre schwere Krankheit geradezu trivialisi­ert wird, weil man sie leicht für einen Betrug verwenden kann? Da kommt Wut in mir auf.“

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FOTO: KARMANN/DPA Der Pharmakolo­ge und Doping-Experte Fritz Sörgel.

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