San Francisco im Wandel
Japantown und neue Parks: Wer die kalifornische Stadt länger nicht besucht hat, findet einige neue Attraktionen.
„San Francisco? Oh, da musst du unbedingt …“Es ist erstaunlich, wie viele aus dem Bekanntenkreis die Stadt der Golden Gate Bridge, der Flower Power und der Hightech-Unternehmen schon besucht haben und Tipps für den Einsteiger parat haben. Eine Stadterkundung lohnt sich für Kenner und Neulinge gleichermaßen – immer wieder gibt es Neues zu entdecken. Und Überraschendes: Da fährt der knallbunte Hippie-LoveVW-Bus, den man für Touren ordern kann, neben dem hypermodernen, autonom fahrenden Waymo-Robotaxi, das über Uber buchbar ist. Schicke Young Professionals laufen an Obdachlosenzelten vorbei – alles im Herzen der Stadt.
Nicht weit vom Zentrum entfernt findet man eine weitere Spezialität San Franciscos: das japanische Viertel. Japantown (auf japanisch Nihonmachi) hat eine lange Geschichte und ist ganz neu. Den Widerspruch lösen Grace Horikiri und Brandon Quan auf. Die beiden leiten die nicht kommerzielle Organisation Japantown Community Benefit District und engagieren sich zusammen mit wenigen Mitarbeitern dafür, die japanische Kultur dort wieder zu etablieren, wo sie vor etwa 120 Jahren entstanden war und zu einer der größten japanisch
amerikanischen Gemeinschaften in Amerika wuchs.
Doch dann kam der zweite Weltkrieg. Die japanischen US-Bürger wurden interniert. Nach dem Krieg kehrten viele Geschäftsleute und Familien nicht mehr in das Gebiet zurück. Doch Grace und Brandon haben eine Vision: „Wir wollen, dass die japanische Kultur wieder etabliert wird“, sagt die Direktorin der Organisation. Schon viel wurde erreicht. Wer durch Nihonmachi läuft, wähnt sich in einer Stadt Nippons. Japanische Schriftzeichen überall und viele Restaurants mit Speisen aus dem Land der aufgehenden Sonne. Ein großes Einkaufszentrum beherbergt viele Läden, unter anderen Kinokuniya, eine große Buchladenkette aus Japan. Schon gut 200 Geschäfte haben sich in Japantown angesiedelt. Das Zentrum bildet die Japantown Peace Plaza mit einer großen, modernen Pagode, ein Geschenk der Stadt Osaka.
Es sei nicht einfach, eine Balance zu finden, räumen die beiden Kämpfer für die Kultur ein: diese einerseits wieder etablieren und andererseits Touristen das zu bieten, was sie von einem japanischen Viertel erwarten. Das Viertel wird zwar augenscheinlich belebt von Menschen japanischen Ursprungs. Sie wohnen aber dort nicht mehr, kommen jetzt zum Arbeiten und Einkaufen. Brandon selbst gibt ein
gutes Beispiel: Er spricht die Sprache seiner Vorfahren nur ansatzweise, lernt sie aber jetzt intensiv.
Seit jeher gilt San Francisco als Stadt mit viel Grün. Bekannt ist zum Beispiel der Panhandle Park, ein Zentrum des Summers of Love, der 1967 die ganze Welt herausforderte. Während dieser Park und das angrenzende Haight Ashbury-Viertel mit seinen immer noch rund 70 Vintage-Läden für die Hippie-Kultur stehen, gibt der neue Salesforce Park einen Einblick in die Welt der Technologiefirmen. Der Rooftop-Park erstreckt sich in direkter Nachbarschaft zum Salesforce Tower spekakulär in luftiger Höhe über vier Straßenblocks und damit den gesamten Abschnitt des 2018 eröffneten Salesforce Transit Centers, das als Drehscheibe des Bus- und Bahnverkehrs der amerikanischen Westküste fungiert.
Eine gute Zeit, den Park mit seinen 600 Bäumen und Palmen und mehr als 16.000 Pflanzen zu besuchen, ist die Mittagszeit. Dann bevölkern ihn smarte Mitarbeiter der umliegenden Unternehmen. Sie treffen sich zum Lunch. Andere führen beim Spaziergang offenbar wichtige Telefonate, aber alle wirken sehr gelassen. Die Young Urban Professionals, vielleicht zu despektierlich auch Yuppies genannt, setzen einen deutlichen Gegenpol zur Hippiewelt, und so spiegeln auch die Parks die
Vielfalt der Kulturen der kalifornischen Stadt.
Im Sommer 2023 reihte sich ein weiterer Park in die grüne Landschaft ein: die Presidio Tunnel Tops. Der riesige Park über den Autobahntunneln des Presidio Parkway zeichnet sich aus durch tolle Blicke aufs Wasser und die unverwechselbare Golden Gate Bridge. Das Gelände umfasst auf 57.000 Quadratmetern eine komplett neu geschaffene Parklandschaft mit Gärten, Wegen, Sitzgelegenheiten, Picknickplätzen und Gastronomie. Neu ist auch das Riesenrad im Ausgeh-Hafen Fisherman's Wharf. Es ist umgezogen vom Golden Gate Park und befindet sich jetzt direkt am Wasser vor dem Pier 43.
Die majestätische Größe der Golden Gate Bridge erlebt man besonders intensiv per Rad. Anbieter wie zum Beispiel Blazing Saddles offerieren geführte Touren mit dem EBike. Von Enttäuschungen wie zum Beispiel plötzlichem starken Nebel sollte man sich nicht abschrecken lassen. Die Chancen stehen gut, von der anderen Seite aus zu erleben, wie sich die über 200 Meter hohen Pylone aus dem Nebel erheben. In keinem touristischen Aufenthalt fehlt natürlich eine Fahrt mit den alten Straßenbahnen, den Cable Cars. Die Strecke über die Powell Street ist die „Königslinie in unserer Stadt“, ist der aus Deutschland stammende
Touristenführer Frank Marx überzeugt, ein Kenner der Stadt, der seit über sieben Jahren in San Francisco lebt und die kulturelle Vielfalt liebt. 2023 erlebte das Cable Car-System sein 150. Jahr.
Das traditionelle Chinatown, das LGBTQ-Viertel Castro, Duboce mit den zahllosen Häusern im viktorianischen Stil – San Francisco ist eine Stadt der Gegensätze. Zwei Strömungen fallen besonders auf: zum einen die Subkulturen der HippieBewegung und der RegenbogenCommunity, auf der anderen Seite die immer deutlicher spürbaren Einflüsse der benachbarten Technologieunternehmen des näherrückenden Silicon Valleys.
Diese Gegensätze machen sich bemerkbar. Viel Geld kommt in die Stadt, die davon einerseits profitiert. Andererseits sorgen die gut verdienenden Mitarbeiter für Preissteigerungen bei Immobilien, und überhaupt ist das Leben sehr teuer geworden. Für die Einwohner der Stadt sicher keine leichten Seiten – für die Besucher ein immer wieder spannendes Erlebnis.