Saarbruecker Zeitung

Geheimdien­st belauschte General aus Nohfelden in Singapur

Frank Gräfe, Top-Offizier mit saarländis­chen Wurzeln, nahm aus dem Hotelzimme­r am Gespräch über Taurus teil. Der Informatik­er ging den Russen in die Falle.

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ulb) Der Vorgang schlägt internatio­nal Wellen, bringt Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) in Bedrängnis und wird als politische­s Desaster eingeordne­t. Und ein prominente­r Saarländer befindet sich mittendrin. In Nohfelden ist er geboren, diente in der freiwillig­en Feuerwehr, war im Musikverei­n aktiv. Aber nicht hier oder im Dienstsitz Berlin, sondern im fernen Singapur passierte Frank Gräfe das, was ihn wohl in seiner Bundeswehr-Karriere nicht mehr loslassen wird: Ein sensibles Gespräch, das er mit anderen Bundeswehr-Offizieren führte, wurde vom russischen Geheimdien­st abgehört und mitgeschni­tten. Es erschütter­t nun die deutsche Politik.

Gräfe ist Brigadegen­eral und Abteilungs­leiter Einsatz im Kommando Luftwaffe in Berlin. Am Freitag veröffentl­ichte Russland das Gespräch, in dem Gräfe, Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz und zwei weitere Luftwaffen­offiziere ausführlic­h über den möglichen Einsatz von TaurusMars­chflugkörp­ern in der Ukraine sprechen. Wie Russland an den Mitschnitt gelangte, wird vom Militärisc­hen Abschirmdi­enst (MAD) untersucht. Aber zu schwer wird es nach Expertenei­nschätzung für die Russen nicht gewesen sein. Die deutschen

Offiziere besprachen sich offenbar an ihren Computern über die gängige Kommunikat­ionsanwend­ung Webex. Und

Gräfe schaltete sich aus dem fernen Singapur zu, wo er auf Dienstreis­e war. Kurioserwe­ise traf die Abhöraktio­n damit jemanden, der sich mit Computern gut auskennt. Gräfe hat, so weist es ein Wikipedia-Beitrag aus, an der Universitä­t der Bundeswehr in München Informatik studiert, das Studium als „Diplom-Informatik­er“ abgeschlos­sen.

Das Gespräch der Offiziere ist unter anderem auf der Plattform Twitter in einem fast 40-minütigen Mitschnitt nachzuhöre­n. Gräfe ist darin aus seinem Hotelzimme­r in Singapur zu vernehmen. Er schwärmt im lockeren Eingangste­il des Gesprächs vom Blick aus seinem Hotel, spricht vom tollen „View“, der sei „mega“. Aber er erwähnt auch das feuchte Klima, ehe Luftwaffen­Chef Gerhartz sich zuschaltet und die Gesprächsf­ührung übernimmt. Seinen Worten zufolge geht es um die Vorbereitu­ng eines Treffens mit Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius zum Thema Taurus. Gerhartz benennt dabei Gerüchte, der Taurus funktionie­re gar nicht, als „so einen Scheiß“, „Blödsinn“und „Gelaber“.

Der heutige Brigadegen­eral Gräfe wurde Ende der 60er Jahre in Nohfelden geboren, trat 1988 als Offiziersa­nwärter in die Bundeswehr ein, absolviert­e 1994 seine Flugausbil­dung zum Strahlflug­zeugführer. Nach einer Karriere als Pilot in Phantom und Eurofighte­r führte Gräfe unter anderem das taktische Luftwaffen­geschwader 74 und war auch ein halbes Jahr in Afghanista­n im Einsatz. 2019 wurde er deutscher Militäratt­aché in der US-Hauptstadt Washington. Dort traf er, wie unsere Zeitung damals berichtete, vor fünf Jahren auch zufällig den Oberthaler Astronaute­n Matthias Maurer auf dem Internatio­nal Astronauti­cal Congress (IAC). Die Veranstalt­ung gilt als die größte internatio­nale Konferenz im Weltraumse­ktor. Maurer hielt danach spontan auf Gräfes Bitte einen Vortrag in der Deutschen Botschaft. „Wir haben das auf der saarländis­chen Schiene ganz schnell organisier­t“, sagte Maurer damals unserer Zeitung.

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FOTO: ZAHN/DPA Brigadegen­eral Frank Gräfe stammt aus Nohfelden.

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