Das große Schweigen im Fall Malte Gallée
Der EU-Abgeordnete Malte Gallée hat nach schweren MeToo-Vorwürfen sein Amt niedergelegt. Verschleppungsvorwurf gegen Spitzen- Grüne.
Es war ein Paukenschlag am Freitag, auf den am Wochenende das große Schweigen folgte. Der GrünenEU-Abgeordnete Malte Gallée hatte bekanntgegeben, sein Mandat niederzulegen. Fast gleichzeitig veröffentlichte der „Stern” einen Bericht, in dem mehr als ein Dutzend Frauen Deutschlands jüngsten Europaparlamentarier sexuelle Belästigung und Fehlverhalten vorwerfen. Er sei „immer auf der Jagd“, hieß es da. Unter anderem soll Gallée Praktikantinnen und Assistentinnen zu nah gekommen sein.
Gallée reagierte mit einer persönlichen Erklärung auf die Vorwürfe. „Unkonkrete Gerüchte über mich hatte es bereits zuvor gegeben und ich habe die Ombudsstelle meiner Fraktion im Europäischen Parlament schon im Jahr 2022 aktiv gebeten, diesen nachzugehen“, schrieb der 30-Jährige auf seiner Website. „Ich bin davon überzeugt, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen; zugleich war und bin ich selbstverständlich jederzeit bereit, aktiv zu einer Klärung beizutragen.“Er begrüße es, „dass es Strukturen für Ombudsverfahren im bayerischen Landesverband und bei der Europafraktion der Grünen gibt“. Doch ob ein Verfahren läuft und wenn ja, in welcher Phase es sich befindet, darüber wollte am Wochenende niemand Auskunft geben. Dabei treffen die Anschuldigungen die Grünen schwer. Ausgerechnet
Terry Reintke, die Co-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin für die kommende EU-Wahl, soll die Betroffenen laut Bericht nicht ernst genommen haben. Die 36-Jährige, die in ihrem X-Profil „Feminismus“als erste Priorität nennt, gilt im EUParlament als eines der Gesichter der europäischen „MeToo“-Bewegung und hat das Thema sexuelle Gewalt auf die Parlamentsagenda gebracht. Der „Stern“will erfahren haben, dass mehrere Beschwerden bei den Ombudspersonen der Fraktion eingingen. In der Fraktion war dagegen zu hören, dass man sich „nur schwerlich vorstellen“könne, dass Reintke etwas „verschleppt oder vertuscht“.
Tatsächlich passt in dieser Geschichte einiges nicht zusammen. Im Mai 2023 nominierten die bayerischen Grünen Gallée noch zu ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl im kommenden Juni. Er hatte erst 2022 als Nachrücker von Sven Giegold übernommen, der als Staatssekretär ins Bundeswirtschaftsministerium gewechselt war. Als die Grünen letzten November auf der Bundesdelegiertenkonferenz in
Karlsruhe ihre Kandidaten aufstellten, fehlte Gallée aber plötzlich auf der Liste.
In der Fraktion verwies man auf Vertraulichkeit. Es sei die Voraussetzung für das „einzigartige Ombudsverfahren“. Damit verstehen sich die Grünen in Brüssel als Vorreiter. Es soll verhindern, dass „gemauschelt“wird. So gibt es nicht nur die außergerichtliche Beschwerdeinstanz beim EU-Parlament sowie eine fraktionsinterne Stelle, bei der Betroffene „niedrigschwellig“Fehlverhalten melden können. Vergangenen Herbst beschlossen die Grünen darüber hinaus eine weitere Option. Reicht jemand eine offizielle Beschwerde bei der Fraktion ein, wird diese an eine externe Stelle übergeben, wo die Hinweise von neutralen Sachverständigen untersucht werden. „Grundsätzlich steht und fällt vieles damit, ob es konkrete Hinweise gibt und Menschen ein Verfahren starten oder nicht“, war nun in der Fraktion zu hören. Das bedeutet: Aufgrund von anonymen Beschwerden kann kein Verfahren eröffnet werden, ergo: Sanktionen sind dann nicht möglich. Haben sich jene Frauen, die Gallée Belästigung vorwerfen, mit Namen an die Ombudstelle gewandt? Ob die interne Struktur bei den aktuellen Anschuldigungen greife, würden die Betroffenen entscheiden, meinten Insider. Die Attacken gegen Reintke sorgten dagegen für Verwunderung. Sie sei „die falscheste Person, die so etwas treffen kann“, hieß es.