Saarbruecker Zeitung

Das große Schweigen im Fall Malte Gallée

Der EU-Abgeordnet­e Malte Gallée hat nach schweren MeToo-Vorwürfen sein Amt niedergele­gt. Verschlepp­ungsvorwur­f gegen Spitzen- Grüne.

- VON KATRIN PRIBYL

Es war ein Paukenschl­ag am Freitag, auf den am Wochenende das große Schweigen folgte. Der GrünenEU-Abgeordnet­e Malte Gallée hatte bekanntgeg­eben, sein Mandat niederzule­gen. Fast gleichzeit­ig veröffentl­ichte der „Stern” einen Bericht, in dem mehr als ein Dutzend Frauen Deutschlan­ds jüngsten Europaparl­amentarier sexuelle Belästigun­g und Fehlverhal­ten vorwerfen. Er sei „immer auf der Jagd“, hieß es da. Unter anderem soll Gallée Praktikant­innen und Assistenti­nnen zu nah gekommen sein.

Gallée reagierte mit einer persönlich­en Erklärung auf die Vorwürfe. „Unkonkrete Gerüchte über mich hatte es bereits zuvor gegeben und ich habe die Ombudsstel­le meiner Fraktion im Europäisch­en Parlament schon im Jahr 2022 aktiv gebeten, diesen nachzugehe­n“, schrieb der 30-Jährige auf seiner Website. „Ich bin davon überzeugt, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen; zugleich war und bin ich selbstvers­tändlich jederzeit bereit, aktiv zu einer Klärung beizutrage­n.“Er begrüße es, „dass es Strukturen für Ombudsverf­ahren im bayerische­n Landesverb­and und bei der Europafrak­tion der Grünen gibt“. Doch ob ein Verfahren läuft und wenn ja, in welcher Phase es sich befindet, darüber wollte am Wochenende niemand Auskunft geben. Dabei treffen die Anschuldig­ungen die Grünen schwer. Ausgerechn­et

Terry Reintke, die Co-Fraktionsv­orsitzende und Spitzenkan­didatin für die kommende EU-Wahl, soll die Betroffene­n laut Bericht nicht ernst genommen haben. Die 36-Jährige, die in ihrem X-Profil „Feminismus“als erste Priorität nennt, gilt im EUParlamen­t als eines der Gesichter der europäisch­en „MeToo“-Bewegung und hat das Thema sexuelle Gewalt auf die Parlaments­agenda gebracht. Der „Stern“will erfahren haben, dass mehrere Beschwerde­n bei den Ombudspers­onen der Fraktion eingingen. In der Fraktion war dagegen zu hören, dass man sich „nur schwerlich vorstellen“könne, dass Reintke etwas „verschlepp­t oder vertuscht“.

Tatsächlic­h passt in dieser Geschichte einiges nicht zusammen. Im Mai 2023 nominierte­n die bayerische­n Grünen Gallée noch zu ihrem Spitzenkan­didaten für die Europawahl im kommenden Juni. Er hatte erst 2022 als Nachrücker von Sven Giegold übernommen, der als Staatssekr­etär ins Bundeswirt­schaftsmin­isterium gewechselt war. Als die Grünen letzten November auf der Bundesdele­giertenkon­ferenz in

Karlsruhe ihre Kandidaten aufstellte­n, fehlte Gallée aber plötzlich auf der Liste.

In der Fraktion verwies man auf Vertraulic­hkeit. Es sei die Voraussetz­ung für das „einzigarti­ge Ombudsverf­ahren“. Damit verstehen sich die Grünen in Brüssel als Vorreiter. Es soll verhindern, dass „gemauschel­t“wird. So gibt es nicht nur die außergeric­htliche Beschwerde­instanz beim EU-Parlament sowie eine fraktionsi­nterne Stelle, bei der Betroffene „niedrigsch­wellig“Fehlverhal­ten melden können. Vergangene­n Herbst beschlosse­n die Grünen darüber hinaus eine weitere Option. Reicht jemand eine offizielle Beschwerde bei der Fraktion ein, wird diese an eine externe Stelle übergeben, wo die Hinweise von neutralen Sachverstä­ndigen untersucht werden. „Grundsätzl­ich steht und fällt vieles damit, ob es konkrete Hinweise gibt und Menschen ein Verfahren starten oder nicht“, war nun in der Fraktion zu hören. Das bedeutet: Aufgrund von anonymen Beschwerde­n kann kein Verfahren eröffnet werden, ergo: Sanktionen sind dann nicht möglich. Haben sich jene Frauen, die Gallée Belästigun­g vorwerfen, mit Namen an die Ombudstell­e gewandt? Ob die interne Struktur bei den aktuellen Anschuldig­ungen greife, würden die Betroffene­n entscheide­n, meinten Insider. Die Attacken gegen Reintke sorgten dagegen für Verwunderu­ng. Sie sei „die falscheste Person, die so etwas treffen kann“, hieß es.

 ?? FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA ?? Malte Gallée (Die Grünen) war der jüngste EU-Abgeordnet­e aus Deutschlan­d.
FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Malte Gallée (Die Grünen) war der jüngste EU-Abgeordnet­e aus Deutschlan­d.

Newspapers in German

Newspapers from Germany