Konsens über Milliarden für Struktur-Fonds?
SPD und CDU reden hinter verschlossenen Türen über den milliardenschweren Transformationsfonds. Worum es bei den Gesprächen genau geht, wo sich beide schnell einig werden könnten und was sie bisher trennt. Eine Analyse.
In der Landespolitik geschieht gerade Bemerkenswertes. Nach anderthalb Jahren des Streits über den großteils schuldenfinanzierten Milliarden-Transformationsfonds suchen CDU und SPD in vertraulichen Gesprächen nach einem möglichen Kompromiss.
Die CDU strebt bis zum Sommer eine verbindliche Vereinbarung mit der SPD an, auf Regierungsseite klingt das bisher zurückhaltender: Was das Ergebnis der Gespräche sein werde, sei noch nicht vorauszusehen. Käme es zu einer Einigung, würde damit der Streit über das wichtigste landespolitische Thema befriedet.
Dass beide Parteien auf Ausgleich bedacht sind, hatte sich bereits in der Haushaltsdebatte am 18. Dezember 2023 angedeutet. Fraktionschef Stephan Toscani bot der SPD damals eine „Verantwortungspartnerschaft“an, um die wichtigsten Strukturwandelprojekte – die Ansiedlungen von Wolfspeed und SVolt, die Umstellung auf grünen Stahl und die Ford-Nachfolge – abzusichern. „Es gibt eine große gemeinsame Schnittmenge“, sagte Toscani damals zur allgemeinen Überraschung.
Sein SPD-Kollege Ulrich Commerçon hob hervor, es sei eine gute Tradition, dass die Volksparteien in schwierigen Situationen versuchten, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Vielleicht ergebe sich das diesmal ja auch noch. Wo also herrscht Einigkeit, was ist strittig? Zunächst einmal: Trotz ihrer Kritik an der Ausgestaltung des Transformationsfonds bestreitet auch die CDU nicht, dass für den Strukturwandel Notkredite aufgenommen werden müssen. „Dies schaffen wir nicht allein aus dem laufenden Haushalt“, heißt es auch im Antrag für einen kleinen Landesparteitag am Montagabend in Sulzbach.
Als der Landtag am 18. Dezember für 2023 und 2024 ein weiteres Mal die Notlage feststellte, um Mittel aus dem Transformationsfonds nutzen zu können, stimmte die CDU daher auch nicht dagegen, sondern enthielt sich. Was SPD-Finanzminister Jakob von Weizsäcker zu der lobenden Bemerkung veranlasste, das sei „nicht selbstverständlich“, dafür bedanke er sich.
Der CDU geht es darum, dass der Transformationsfonds eine deutlich kürzere Laufzeit hat und weniger neue Schulden aufgenommen werden. Zur Erinnerung: Die SPD-Mehrheit im Landtag hatte 2022 beschlossen, in jenem Jahr die Schuldenbremse auszusetzen und für den Transformationsfonds ( Volumen: drei Milliarden Euro) quasi auf Vorrat 2,5 Milliarden Euro an neuen Schulden aufzunehmen.
Diese sollten über maximal zehn Jahre hinweg genutzt werden, also bis 2032.
Dann platzte am 15. November 2023 das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Umgang mit der Schuldenbremse in die Debatte. Es hat zur Folge, dass der Landtag die Notlage Jahr für Jahr aufs Neue beschließen und gerichtsfest begründen muss, nicht nur einmalig im Jahr 2022. Das Problem: Der UkraineKrieg und der Energiepreis-Schock des Jahres 2022 werden nicht ewig dafür herhalten können, eine Notlage zu begründen, möglicherweise wird dies schon 2025 schwierig.
Ein Indiz dafür, dass die Landesregierung das nicht völlig anders zu sehen scheint, ist das Tempo, mit dem sie nun das Geld aus dem Fonds ausgeben will. Bis Ende 2024 sollen schon mehr als 1,5 Milliarden ausgezahlt sein. Der Fonds werde bald „schon ziemlich leergeräumt sein“, heißt es bei der SPD.
Bleibt als großer Streitpunkt zwischen CDU und SPD das Volumen des Fonds. Die CDU ist überzeugt, dass „gut eine Milliarde Euro“an Notlagekrediten reicht, und rechnet wie folgt: Die Stahlindustrie bekommt 780 Millionen Euro, für Wolfspeed sind 300 Millionen vorgesehen, für die Ford-Nachfolge 100 Millionen – macht zusammen 1,2 Milliarden Euro (die Mittel für SVolt sollen aus dem Landeshaushalt kommen).
Die CDU müsse sagen, auf welche Projekte sie dann verzichten wolle oder wie sie diese anders seriös finanzieren wolle, konterte SPD-Fraktionschef Commerçon im Landtag. Aus dem Transformationsfonds sollen nämlich nicht nur die genannten Projekte bezahlt werden, sondern auch viele andere wie die Förderung von Start-ups und Gründungen (200 Mio. Euro), der Wasserstoff-Ausbau (62 Mio. Euro), der Cispa-Ausbau (350 Mio. Euro) oder das Schulbauprogramm des Landes (100 Mio. Euro).
Die CDU präsentiert seither drei Optionen: Sie will im Landeshaushalt umschichten sowie erwartete Haushaltsüberschüsse und das Sondervermögen Zukunftsinitiative nutzen. Im Haushalt dürfte es indes schwer werden, noch nennenswerte Spielräume zu finden. Hingegen hatten Überschüsse schon im Jahr 2022 dazu geführt, dass das Land für den drei Milliarden schweren Fonds „nur“2,5 Milliarden neue Schulden aufnehmen musste. Ein von der CDU bereits erwarteter, erneuter Überschuss beim noch nicht vorliegenden Jahresabschluss 2023 würde die Lage weiter entspannen.
Beim Sondervermögen Zukunftsinitiative handelt es sich um einen von Jahr zu Jahr wachsenden Finanztopf, aus dem das Land wichtige Investitionen und Ansiedlungen bezahlt, aber auch beispielsweise Teile des Landesschulbauprogramms. Er speist sich dadurch, dass das Land es regelmäßig nicht schafft, alle vom Landtag beschlossenen Gelder auch wirklich auszugeben.
Laut der aktuellsten verfügbaren Haushaltsrechnung (2021) liegen in dem Topf 742 Millionen Euro, von denen rund 80 Prozent fest verplant sind. Wie groß die Spielräume hier wirklich sind und ob Ausgaben aus dem Topf neu priorisiert werden können – unklar, weil weitgehend intransparent.
Am Ende könnte die CDU jedenfalls auch mit mehr Schulden als den von ihr ermittelten 1,2 Milliarden Euro einverstanden sein. „Wir haben ausdrücklich gesagt, dass hierüber Gespräche geführt werden müssen“, sagte Toscani im Landtag. Auch sein SPD-Kollege Commerçon gab sich versöhnlich: „Wir sind bereit dazu, gemeinsam mit Ihnen so lange zu diskutieren, bis wir die Argumente ausgetauscht und hoffentlich einander überzeugt haben.“