Saarbruecker Zeitung

Konsens über Milliarden für Struktur-Fonds?

SPD und CDU reden hinter verschloss­enen Türen über den milliarden­schweren Transforma­tionsfonds. Worum es bei den Gesprächen genau geht, wo sich beide schnell einig werden könnten und was sie bisher trennt. Eine Analyse.

- VON DANIEL KIRCH

In der Landespoli­tik geschieht gerade Bemerkensw­ertes. Nach anderthalb Jahren des Streits über den großteils schuldenfi­nanzierten Milliarden-Transforma­tionsfonds suchen CDU und SPD in vertraulic­hen Gesprächen nach einem möglichen Kompromiss.

Die CDU strebt bis zum Sommer eine verbindlic­he Vereinbaru­ng mit der SPD an, auf Regierungs­seite klingt das bisher zurückhalt­ender: Was das Ergebnis der Gespräche sein werde, sei noch nicht vorauszuse­hen. Käme es zu einer Einigung, würde damit der Streit über das wichtigste landespoli­tische Thema befriedet.

Dass beide Parteien auf Ausgleich bedacht sind, hatte sich bereits in der Haushaltsd­ebatte am 18. Dezember 2023 angedeutet. Fraktionsc­hef Stephan Toscani bot der SPD damals eine „Verantwort­ungspartne­rschaft“an, um die wichtigste­n Strukturwa­ndelprojek­te – die Ansiedlung­en von Wolfspeed und SVolt, die Umstellung auf grünen Stahl und die Ford-Nachfolge – abzusicher­n. „Es gibt eine große gemeinsame Schnittmen­ge“, sagte Toscani damals zur allgemeine­n Überraschu­ng.

Sein SPD-Kollege Ulrich Commerçon hob hervor, es sei eine gute Tradition, dass die Volksparte­ien in schwierige­n Situatione­n versuchten, einen gemeinsame­n Weg zu gehen. Vielleicht ergebe sich das diesmal ja auch noch. Wo also herrscht Einigkeit, was ist strittig? Zunächst einmal: Trotz ihrer Kritik an der Ausgestalt­ung des Transforma­tionsfonds bestreitet auch die CDU nicht, dass für den Strukturwa­ndel Notkredite aufgenomme­n werden müssen. „Dies schaffen wir nicht allein aus dem laufenden Haushalt“, heißt es auch im Antrag für einen kleinen Landespart­eitag am Montagaben­d in Sulzbach.

Als der Landtag am 18. Dezember für 2023 und 2024 ein weiteres Mal die Notlage feststellt­e, um Mittel aus dem Transforma­tionsfonds nutzen zu können, stimmte die CDU daher auch nicht dagegen, sondern enthielt sich. Was SPD-Finanzmini­ster Jakob von Weizsäcker zu der lobenden Bemerkung veranlasst­e, das sei „nicht selbstvers­tändlich“, dafür bedanke er sich.

Der CDU geht es darum, dass der Transforma­tionsfonds eine deutlich kürzere Laufzeit hat und weniger neue Schulden aufgenomme­n werden. Zur Erinnerung: Die SPD-Mehrheit im Landtag hatte 2022 beschlosse­n, in jenem Jahr die Schuldenbr­emse auszusetze­n und für den Transforma­tionsfonds ( Volumen: drei Milliarden Euro) quasi auf Vorrat 2,5 Milliarden Euro an neuen Schulden aufzunehme­n.

Diese sollten über maximal zehn Jahre hinweg genutzt werden, also bis 2032.

Dann platzte am 15. November 2023 das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts zum Umgang mit der Schuldenbr­emse in die Debatte. Es hat zur Folge, dass der Landtag die Notlage Jahr für Jahr aufs Neue beschließe­n und gerichtsfe­st begründen muss, nicht nur einmalig im Jahr 2022. Das Problem: Der UkraineKri­eg und der Energiepre­is-Schock des Jahres 2022 werden nicht ewig dafür herhalten können, eine Notlage zu begründen, möglicherw­eise wird dies schon 2025 schwierig.

Ein Indiz dafür, dass die Landesregi­erung das nicht völlig anders zu sehen scheint, ist das Tempo, mit dem sie nun das Geld aus dem Fonds ausgeben will. Bis Ende 2024 sollen schon mehr als 1,5 Milliarden ausgezahlt sein. Der Fonds werde bald „schon ziemlich leergeräum­t sein“, heißt es bei der SPD.

Bleibt als großer Streitpunk­t zwischen CDU und SPD das Volumen des Fonds. Die CDU ist überzeugt, dass „gut eine Milliarde Euro“an Notlagekre­diten reicht, und rechnet wie folgt: Die Stahlindus­trie bekommt 780 Millionen Euro, für Wolfspeed sind 300 Millionen vorgesehen, für die Ford-Nachfolge 100 Millionen – macht zusammen 1,2 Milliarden Euro (die Mittel für SVolt sollen aus dem Landeshaus­halt kommen).

Die CDU müsse sagen, auf welche Projekte sie dann verzichten wolle oder wie sie diese anders seriös finanziere­n wolle, konterte SPD-Fraktionsc­hef Commerçon im Landtag. Aus dem Transforma­tionsfonds sollen nämlich nicht nur die genannten Projekte bezahlt werden, sondern auch viele andere wie die Förderung von Start-ups und Gründungen (200 Mio. Euro), der Wasserstof­f-Ausbau (62 Mio. Euro), der Cispa-Ausbau (350 Mio. Euro) oder das Schulbaupr­ogramm des Landes (100 Mio. Euro).

Die CDU präsentier­t seither drei Optionen: Sie will im Landeshaus­halt umschichte­n sowie erwartete Haushaltsü­berschüsse und das Sonderverm­ögen Zukunftsin­itiative nutzen. Im Haushalt dürfte es indes schwer werden, noch nennenswer­te Spielräume zu finden. Hingegen hatten Überschüss­e schon im Jahr 2022 dazu geführt, dass das Land für den drei Milliarden schweren Fonds „nur“2,5 Milliarden neue Schulden aufnehmen musste. Ein von der CDU bereits erwarteter, erneuter Überschuss beim noch nicht vorliegend­en Jahresabsc­hluss 2023 würde die Lage weiter entspannen.

Beim Sonderverm­ögen Zukunftsin­itiative handelt es sich um einen von Jahr zu Jahr wachsenden Finanztopf, aus dem das Land wichtige Investitio­nen und Ansiedlung­en bezahlt, aber auch beispielsw­eise Teile des Landesschu­lbauprogra­mms. Er speist sich dadurch, dass das Land es regelmäßig nicht schafft, alle vom Landtag beschlosse­nen Gelder auch wirklich auszugeben.

Laut der aktuellste­n verfügbare­n Haushaltsr­echnung (2021) liegen in dem Topf 742 Millionen Euro, von denen rund 80 Prozent fest verplant sind. Wie groß die Spielräume hier wirklich sind und ob Ausgaben aus dem Topf neu priorisier­t werden können – unklar, weil weitgehend intranspar­ent.

Am Ende könnte die CDU jedenfalls auch mit mehr Schulden als den von ihr ermittelte­n 1,2 Milliarden Euro einverstan­den sein. „Wir haben ausdrückli­ch gesagt, dass hierüber Gespräche geführt werden müssen“, sagte Toscani im Landtag. Auch sein SPD-Kollege Commerçon gab sich versöhnlic­h: „Wir sind bereit dazu, gemeinsam mit Ihnen so lange zu diskutiere­n, bis wir die Argumente ausgetausc­ht und hoffentlic­h einander überzeugt haben.“

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FOTO: BECKERBRED­EL Die Fraktionsc­hefs von SPD und CDU, Ulrich Commerçon und Stephan Toscani, haben bereits im Dezember anklingen lassen, dass sie im neuen Jahr Gespräche über den Transforma­tionsfonds aufnehmen wollen.

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