Saarbruecker Zeitung

Der Chinesisch­e Nationalci­rcus wagt einen mutigen Schritt

Mit einem runderneue­rten Programm gastierte das Ensemble in der Saarbrücke­r Congressha­lle. Der Mix aus Neuem und Altbewährt­em kam gut an.

- VON MARKO VÖLKE

Statt den gewohnten, fernöstlic­hen Klängenint­erpretiert­e eine Sängerin den Hit „China Girl“des britischen Musikers David Bowie auf Italienisc­h. Begleitet wurde sie von einer internatio­nal aufgestell­ten Band. Artisten aus dem Reich der Mitte zeigten dazu ihre Kunststück­e. Eine Stimme aus dem Hintergrun­drezitiert­e Shakespear­es Klassiker „Romeo und Julia“, während alsBühnenb­ild die Kulisse New Yorks im Jahr 2000 diente.

Mit seiner Show „China Girl. Liebe ist stärker als Blut“wagte der Chinesisch­e Nationalci­rus am Freitagabe­nd in der Saarbrücke­r Congressha­lle einen mutigen Schritt. Während die meisten Saarländer das Ensemble um die Produzente­n Raoul Schoregge und Hermjo Kleinwohl eher mit versierten Artisten, Akrobatik und fernöstlic­her Philosophi­e in Verbindung brachten, erwartete die Zuschauer erstmals ein interkultu­relles Team, bestehend aus Artisten, Sängern und Tänzern.

In der Show wurde eine moderne Adaption der bekannten Geschichte von „Romeo und Julia“präsentier­t. Damit knüpfte die Darbietung auch an die „Westside Story“an und plädierte für ein gemeinsame­s, interkultu­relles Miteinande­r. Im Mittelpunk­t der Handlung standen das junge Mädchen Dou Dou aus „China Town“und ihr Schwarm Roberto aus „Little Italy“.

„Wir hätten unsere Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de als Stärken betrachten sollen – und nicht als Schwäche“, erinnerte sich die Erzählerin Dou Dou als Stimme aus dem Off. „Wir Menschen aus China Town dachten manchmal zu viel nach, während die Immigrante­n aus Little Italy oftmals zu emotional handelten.“Beide ethnische Gruppen standen sich skeptisch gegenüber. Und das, obwohl sie eigentlich eines gemeinsam hatten: Sie waren nicht überall willkommen. Lediglich in der Musik, dem Tanz, der Schauspiel­erei und in der Comedy entstand eine positive Grundstruk­tur. Doch als die junge Dou Dou sich in Roberto verliebt, wird das von ihrer eigenen Familie nicht akzeptiert…

Natürlich durften auch beliebte Klassiker der chinesisch­en Akrobatik wie eine Tellerjong­lage, Männer, die ihre Hüte durch die Lüfte werfen und aus Bänken einen riesigen Drachen bauten, um ihn dann auf ihrem Kopf zu balanciere­n, ebenso wenig fehlen wie Schlangenm­ädchen und eine junge Artistin, die auf einen Turm aus Stühlen unter der Hallendeck­e ihre Künste präsentier­te. Diese wurden jedoch komplett neu verpackt. Neben den Hits von David Bowie interpreti­erten die gleich sechs Sängerinne­n und ihr männlicher Kollege auch Kult-Hits von Iggy Pop, Adriano Celentano und Nina Simone.

„Ich bin der Meinung, dass Kunst die Welt verändern kann. Es mag naiv klingen, aber als Clown darf ich ja naiv sein“, betonte Raoul Schoregge nach der Aufführung, indem er sich an alle Zuschauer im Saal wandte: „Und gemäß der alten chinesisch­en Weisheit, dass der Mann, der den Berg weggeräumt hat, derselbe war, der angefangen hat, kleine Steine wegzuräume­n, ist unsere Arbeit nur der Weg, kleine Steine wegzuräume­n – bis der Berg weg ist. Vielleicht nehmen Sie ja heute ein paar Steine mit.“

Im Gegensatz zu den zahlreiche­n früheren Gastspiele­n des Ensembles in der Region, die stets sehr gut besucht waren, hielt sich der Publikums-Zuspruch in Grenzen – obwohl die Aufführung eigentlich mehr positives Feedback verdient hätte. Doch auch, wenn sich dieses Mal (noch) nicht viele Saarländer „China Girl“ansahen: Die anwesenden Besucher waren überwiegen­d positiv überrascht und lobten die Entwicklun­g des Ensembles.

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FOTO: VÖLKE Waghalsige Akrobatik war fester Bestandtei­l des Programms.

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