GDL und Bahn begehen tarifpolitisches Harakiri
Die neue Streikankündigung der GDL ist ein Schlag ins Kontor vieler Reisender und ÖPNV-Nutzer, auch und gerade des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Und die Arbeitsniederlegungen von Verdi im öffentlichen Personennahverkehr und des Lufthansa-Personals kommen ja noch oben drauf.
35 Stunden soll der nächste Streik dauern, weil man die 35-StundenWoche fordert. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Wer will, dass nach dem Streik mehr Menschen nicht einsteigen in Busse und Bahnen, wenn man möchte, dass die durch das 49-Euro-Ticket forcierte Verkehrswende hin zu intermodalen Verkehren nicht gelingen soll, dann muss man so agieren wie GDL und Bahn. Am Ende schneiden sich alle Beteiligten mit ihrem tarifpolitischen Harakiri ins eigene Fleisch, weil man Bahnfahrer immer mehr verprellt. Erst recht, wenn in den Osterferien auch noch gestreikt werden sollte.
Dass speziell hinter dem GDLVorgehen auch Animositäten und persönliche Verletzungen stecken, ist nun gänzlich offensichtlich. Der Hinweis von Gewerkschaftsboss Claus Weselsky auf ein Durchstechen von Infos durch die Bahn spricht genau diese Sprache – ebenso die Wiederholung der altbekannten heftigen Vorwürfe gegen die Konzernspitze. Nur: Wer nicht in der Lage ist als Tarifpartner, in einem vier Wochen langen Mediationsprozess vernünftige Lösungen zu finden, der hat seine Aufgabe nicht verstanden. Gerade eine so machtvolle Spartengewerkschaft wie die GDL muss auch das Gemeinwohl im Blick haben. Aber es geht eben längst nicht mehr nur um die gute Sache – um Arbeitszeiten, bessere Entlohnungen oder ein anderes Schichtsystem.
Zur Ehrenrettung der Gewerkschaft muss man allerdings anführen: Im Bahntower sitzen nicht allein die Guten. Auch dort trägt man Verantwortung für die verfahrene Lage. Denn die Beschäftigten baden aus, wie das Unternehmen in den letzten Jahren abgewirtschaftet wurde. Durch die anstehende Sanierung dürften die Arbeitsbedingungen eher schlechter als besser werden. Wer mal mit Zugbegleitern spricht, der erfährt schnell, was da an Überstunden durch Verspätungen und Zugausfällen wegen des maroden Netzes aufläuft. Umso mehr ist jetzt die Politik gefragt. Der Bund ist schließlich Eigentümer der Bahn und hat sich zuletzt zu sehr einen schlanken Fuß gemacht mit dem Verweis auf die Tarifautonomie. Eine Schlichtung ist umso dringender, als dass der neue Streik symbolisch steht für die derzeitige Gesamtlage.
Eine Einigung zwischen GDL und Bahn wäre ein Zeichen gewesen in das verzagte Land hinein, dass sich doch noch etwas bewegt; dass Verhandlungen nicht nur Partikularinteressen im Blick haben. Nun tritt genau das Gegenteil ein. Der GDL-Streik trifft auf eine frustrierte Grundstimmung, die lautet: vieles liegt im Argen, kaum etwas funktioniert noch. Und diese Haltung wird sich weiter verstärken.
Die Ampel selbst muss also ein Interesse daran haben, dass Bahn und GDL endlich auf einen Nenner kommen. Und weil darüber hinaus die Auswirkungen des Konflikts inzwischen so immens sind, sollte sich der Kanzler endlich höchstpersönlich einschalten und zum Gespräch bitten – ohne dabei freilich selbst tarifpolitisch Harakiri zu begehen.