ImKreuzfeuer zweier Großmächte
Die Doku „Tibet – China: Das stille Verschwinden“skizziert eine schwierige Beziehung.
(ry) Am 6. Juli 2023 feierte einer der bedeutendsten Männer Tibets seinen 88. Geburtstag: Der 14. Dalai Lama wird älter, und damitwird auch die Frage seinerNachfolge immer brisanter. Die Doku untersucht, wie dies nicht nur eine große Rolle für die Zukunft Tibets, sondern auch für das internationale geopolitische Gleichgewicht spielt. Seit der Annexion durch China im Jahr 1950 fordertTibet seineAutonomie. Unterstützt wird es dabei von Indien, den Vereinigten Staaten und Europa. Seit Indien seinen buddhistischenNachbarn durch die Befreiungsarmee Mao Tsetungs verlor, verstärken sich die Auseinandersetzungen zwischen Indien und der kommunistischenVolksrepublik. Diese Spannungenwerden besonders in einem seit 1962 schwelenden Grenzkonflikt deutlich. Seit Indien dem 14. Dalai Lama und zahlreichen, zur Assimilation gezwungenenTibetern Asyl gewährt, kommtes imHimalaya, besonders im umstrittenen Grenzgebiet, unablässig zu Konflikten. Im Angesicht des stolzen Alters des 14. Dalai Lamas verlangt China nun, den nächsten Dalai Lama allein zu bestimmen – was eine unmittelbare Radikalisierung der Debatte bedeuten könnte. Doch nicht nur aus rein kulturhistorischen Gründen involviert sich China besonders in der Politik Taiwans. Durch
die Machtübernahme des Staates konnte China sich wertvolle Bodenschätze sichern, darunter Chrom, Kupfer, Borax, Uran und Lithium. Doch besonders kritisch wurde, dass China durch die Annexion dieKontrolle über die Quellen der größten Flüsse Asiens erlangen konnte. Darin sieht besonders Indien die eigenen Süßwasservorräte bedroht. Währenddessen wird Tibet immer mehr zum Spielball der beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Erde. Sowohl In
dien als auch China haben sich mittlerweile zu großenWirtschaftsmächten entwickelt. ImAngesicht dessen haben es die Tibeter nicht leicht, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen, allen Bemühungen ihres geistlichen OberhauptszumTrotz.
Die Geschichte der Auseinandersetzung beider Länder reicht bis zur Gründung der Volksrepublik China ins Jahr 1949 zurück. Mao Zedongs Volksbefreiungsarmee drang 1950 ins Landesinnere Tibets vor. In der Folge unterzeich
neten die tibetische und die chinesische Regierung das „17-Punkte-Abkommen zur friedlichen Befreiung Tibets“. Später bezeichnete der DalaiLamadieses als„mit Waffengewalt erzwungen“. In den folgenden Jahren kam es in Tibet immer wieder zu Unruhen, die in einer Revolte am 10. März 1959 in Lhasa gipfelten. Tausende Tibeter starben mutmaßlich.