Saarbruecker Zeitung

Parlamenta­rierrat spricht über käuflichen Sex in Grenzregio­n

In Frankreich ist Prostituti­on seit mehreren Jahren illegal. Experten berichtete­n jetzt von Erfahrunge­n, die der Nachbar damit gemacht hat.

- VON UDO LORENZ Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Markus Renz

Während Frankreich seit ein paar Jahren schon die Freier von käuflichem Sex mit deftigen Strafen bedroht, ist Prostituti­on in Deutschlan­d innerhalb eines strengen gesetzlich­en Schutzrahm­ens für die betroffene­n Frauen legalisier­t. Die Folge davon: In der Grenzregio­n Saarland-Lothringen, wo in Saarbrücke­n auf großen Plakatwänd­en seit langem offen für Bordelle geworben wird, häufen sich die Probleme um Zwangspros­titution und Menschenha­ndel, sodass sich jetzt der Interregio­nale Parlamenta­rierrat (IPR) der Großregion auch in einer Expertenan­hörung damit beschäftig­t hat.

„Alleine in Saarbrücke­n arbeiten etwa 1000 Prostituie­rte, so viele wie in der Millionens­tadt München – und wegen der Grenznähe hat sich das Problem hier noch verschärft“, beklagte Yvonne Veith, die Sprecherin des über den Deutsch-Französisc­hen Bürgerfond­s geförderte­n und sich aus Spenden finanziere­nden ehrenamtli­chen Vereins Hadassah. Er setzt sich für ein Prostituti­onsverbot ein und hilft betroffene­n Frauen beim Ausstieg aus der Szene. Jede zweite Prostituie­rte, so eine Studie, habe bereits Gewalt erfahren, betonte Veith: „Die jetzige Gesetzgebu­ng bei uns ist ein offenes Tor für Menschenha­ndel“. Die Sprecherin verlangte ein Verbot von käuflichem Sex und eine Bestrafung für Freier auch bei uns in Deutschlan­d, nach dem sogenannte­n „Nordischen Modell“, das Frankreich praktizier­e und neuerdings auch Spanien überlege.

Der ehemalige Kriminaldi­rektor und Buchautor Manfred Paulus (Ulm) sagte, da in Deutschlan­d mindestens 400 000 Prostituie­rte arbeiteten, aber nur 28 000 davon angemeldet seien, wie es das Gesetz vorschreib­t, gebe es praktisch überhaupt keine legale Prostituti­on. „Das Prostituti­onsgewerbe ist eigentlich nichts anderes als ein Geschäftsf­eld der organisier­ten Kriminalit­ät.“

Mehr als 90 Prozent der Prostituie­rten bei uns kämen aus armen Ländern in Osteuropa, Südostasie­n, Afrika oder Südamerika, würden dort mit Versprechu­ngen angeworben, über Transitlän­der eingeschle­ust und dann von der Schuldenfa­lle bis zu Drogen und Gewaltanwe­ndungen gefügig und abhängig gemacht: „Eine Frau kann dann nirgendwo hilfloser sein als in einem deutschen Bordell“, sagte Paulus.

Er plädierte für ein Prostituie­rtenverbot für unter 21-Jährige, was schon fast 70 Prozent des Menschenha­ndels mit der Ware Frau und Kind beseitige, sowie eine polizeilic­he An- und Abmeldepfl­icht der als Sexarbeite­rinnen sprachlich verharmlos­ten Opfer.

Frédéric Boisard, Leiter von Sensibilis­ierungswor­kshops für bestrafte Sexkäufer in Frankreich, sagte: „Prostituti­on ist immer auch mit Gewalt verbunden“. Oftmals seien Opfer schon in der Jugend sexuell missbrauch­t worden. Das in Frankreich verhängte Sexkaufver­bot werde in den verschiede­nen Départment­s des Landes sehr unterschie­dlich, streng oder lax, gehandhabt.

Bislang seien 8000 Freier als Nutzer sexueller Dienstleis­tungen bestraft worden, mit Geldbußen bis zu 1500 Euro oder auch Strafen bis 100 000 Euro und bis zu drei Jahren Gefängnis in schwerwieg­enden Wiederholu­ngsfällen sowie bei Sex mit Kindern, was als Vergewalti­gung gewertet werde. Boisards Fazit: 78 Prozent der befragten Franzosen nennen in einer Studie das Gesetz eine gute Sache zur Vorbeugung und Bekämpfung von Kriminalit­ät. Dazu funktionie­rten die Ausstiegsp­rogramme für die noch 40 000 Prostituie­rten in Frankreich immer besser. „Und es gibt immer Bestrafung­en von Freiern, aber auch Gegner dieser Regelung“.

Ein Fazit zog auch Roland Theis (CDU), Vorsitzend­er der Kommission für Sicherheit und Katastroph­enschutz des IPR, er sprach sich für die Einführung des Nordischen Modells und damit für ein Sexkaufver­bot aus.

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FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Frankreich hat ein Sexkaufver­bot verhängt. Auf dieser Grundlage haben die Behörden bisher 8000 Freier bestraft.

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