Saarbruecker Zeitung

Künstlerin holt Lagerfeld und Prince ins Haus

Gestern Nachrichte­nträger, morgen Kunst: für den großen Zwischensc­hritt sorgt Simone Hübner-Schwinn. Sie verwandelt Zeitungspa­pier in Hingucker aus Pappmasche­e.

- VON JOCHEN RATHMANN

Sie Ihre SZ gelesen haben, legen Sie das Exemplar vermutlich zum Altpapier. Simone Hübner-Schwinn dagegen zerreißt die Seiten zu Schnipseln und macht sie zur Grundlage ihrer Pappmasche­e-Skulpturen. Sie erinnern an den Modeschöpf­er Karl Lagerfeld, den Maler Salvador Dalí oder an Lucy von den Peanuts, um nur einige der Charaktere zu nennen.

Als Atelier dient Simone HübnerSchw­inn der Wintergart­en in ihrem Haus auf dem Eschberg. Auf dem Tisch, der den Raum nahezu ausfüllt, stehen oder liegen Pinsel, Wassertöpf­e, Kleister, Pappe, Draht, Zeitungspa­pier sowie Acrylfarbe­n.

Kunst begleitet die pensionier­te Lehrerin durchs Leben. In Saarlouis geboren, erhält sie mit acht Jahren die erste Staffelei. Nach dem Abitur studiert sie Kunstgesch­ichte und klassische Archäologi­e. Die Kunst wird ihre große Leidenscha­ft. „Ich produziere gerne“, sagt Hübner

Schwinn, die neben ihrem Berufsallt­ag weitergema­lt und -gezeichnet hat. Viele ihrer meist bunten, großen Bilder schmücken ihr Haus.

Ein Workshop weckt 2022 das Interesse an plastische­n Arbeiten. Im Februar 2023 geht die Realschull­ehrerin für Deutsch, katholisch­e Religion und Bildende Kunst in den Ruhestand und kann sich ganz ihren Skulpturen widmen.

Aus Papier und Pappe knüllt sie einen Körper. Schicht für Schicht trägt sie die Schnipsel mit Kleister auf. Dann bemalt sie die Figuren mit Acrylfarbe und klebt ihnen Haare aus alten Kordeln an. Zum Schluss kommt das Zubehör, alte Knöpfe, Stoffe, Wollreste, Schmuck und Gürtelschn­allen. Die Accessoire­s hat sie selbst zusammenge­tragen oder von Freunden und Bekannten.

Am liebsten arbeitet sie morgens oder am frühen Nachmittag, wenn die Sonne optimale Lichtverhä­ltnisse schafft. Gut 30 Figuren entstanden in den vergangene­n anderthalb Jahren, Tendenz steigend. „Künstler liegen mir am Herzen. Schräge Persönlich­keiten, die mich interessie­ren“, erzählt die 61-Jährige. „Auch emanzipier­te Frauen, Figuren, die Stärke ausdrücken.“

Bei Facebook stößt sie auf Iris Apfel, die 102-jährige Mode-Ikone. Apfels Erscheinun­g – knallbunte Kleidung und übergroße Brille – imponieren ihr: „Eine ganz taffe Frau.“

Um herauszufi­nden, was die jeweilige Persönlich­keit ausmacht, sucht sie sich Fotos heraus und studiert diese genau. Geformt sind die Pappmasche­e-Figuren im Stil einer klassische­n Karikatur, um den Erkennungs­wert zu steigern. Beispiele: Die markanten Lippen von

Mick Jagger, der Blumenkran­z und die zusammenge­wachsenen Augenbraue­n von Frida Kahlo. Gerade ist der Musiker Prince fertig. Die Gitarre und die Körperhalt­ung sind für ihn charakteri­stisch. „Ich tauche ganz in die Biografie ein und kenne sie nachher um vieles besser.“Neben realen Persönlich­keiten hat die Künstlerin eine Vorliebe für Märchen und Fantasiewe­sen. Beim Stöbern in Bücherläde­n setzt oft ein Buchumschl­ag oder eine Kinderbuch­illustrati­on einen Impuls frei.

Aktuell entsteht das Rotkäppche­n. Die Figur hat schon Beine. Noch fehlen Augen und Haare. Der linke Arm liegt am anderen Ende des Tischs, die frisch aufgetrage­ne Farbe trocknet. In der Version von Hübner-Schwinn jagt der böse Wolf nicht das Rotkäppche­n. Nein, die junge Heldin zieht ihn als gezähmtes Haustier im Bollerwage­n hinter sich her.

Erste Skizzen für das nächste Werk sind fertig. Sie zeigen einen Frosch im Tutu, der zur Pirouette ansetzt. Inspiriert von den Ballettstu­nden, die Künstlerin jetzt wieder nimmt.

Bis zu 50 Stunden investiert sie binnen vier Wochen in eine Figur, manchmal dauert es auch länger. Wegen der unterschie­dlichen Arbeitssch­ritte und Wartezeite­n arbeitet sie an zwei bis drei Skulpturen gleichzeit­ig. Die fertigen Exemplare stellt sie zunächst im Haus auf.

Pippi Langstrump­f und ihr Affe Herr Nilsson haben vor dem Kamin Platz genommen. Frida Kahlo, eine Künstlerin, die Hübner-Schwinn viel bedeutet, wacht im Arbeitszim­mer über den Schreibtis­ch. Einige Figuren stehen bei Freunden und Bekannten. Viele sind inzwischen im Ausland, in Ungarn oder den USA.

Anfangs fiel es ihr schwer, sich von ihren Kreationen zu trennen. Doch jetzt hat sie neue Pläne: Sie möchte gerne Auftragsar­beiten annehmen und ihre Pappmasche­e-Figuren verkaufen. „Ich habe Spaß am Machen, am Gestalten“, sagt Simone HübnerSchw­inn. „Ich mache jetzt das, was ich als Kind immer machen wollte.“

„Künstler liegen mir am Herzen. Schräge Persönlich­keiten, die mich interessie­ren.“Simone Hübner-Schwinn über die Schwerpunk­te ihres Schaffens

Kontakt unter Tel. (06 81) 81 13 23 oder E-Mail: Hueb-Sch@web.de

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FOTO: JOCHEN RATHMANN Simone Hübner-Schwinn im Atelier auf dem Eschberg, zwischen Karl Lagerfeld (links) und Prince.

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