Kunst aus zwei Ländern rückt näher zusammen
In den vergangenen Jahren war der Austausch zwischen vielversprechenden Kunstschaffenden in der Großregion erheblich erschwert. Mit umso größerem Elan geht jetzt das gemeinsame Schaffen in der Stadtgalerie und in Luxemburger Kreativ-Zentren voran.
Artmix ist ein Künstleraustausch zwischen Luxemburg und Saarbrücken und besteht seit 2005. „Das Projekt Artmix verbindet Künstler und Künstlerinnen aus der Großregion miteinander. Ziel ist es, die regionale Vernetzung benachbarter Kunstszenen und verschiedener Fachbereiche zu fördern“, erklärt Katharina Ritter, Leiterin der Stadtgalerie Saarbrücken, in der der Austausch stattfindet. „Wegen der Pandemie wurde das Projekt vorübergehend eingestellt. Und nun ist es mit einem neuen Konzept und neuen Luxemburger Partnern zurück.“
Während in früheren Ausgaben die Kunstschaffenden schon mal nebeneinander statt miteinander gearbeitet haben, soll bei der Neuausrichtung die Kooperation im Mittelpunkt stehen. Die Ausschreibung erfolgte im vorigen Spätsommer. Anschließend wurden von einer sechsköpfigen Jury, bestehend aus Vertretern und Vertreterinnen der Kunst- und Kulturszene des Cercle Cité, des Kulturzentrums Abtei Neumünster und des Casino Display aus Luxemburg sowie der Stadtgalerie Saarbrücken zwei junge Kunstschaffende ausgesucht, Noé Duboutay aus Luxemburg und Darja Linder aus Saarbrücken.
Das Besondere an der Neuausrichtung von Artmix ist, dass die beiden ausgewählten Kunstschaffenden wiederum eine weitere Künstlerin oder Künstler zu dem Projekt einladen durften. „Damit ist das Konzept von Artmix offener“, erklärt Katharina Ritter.
Und dieses Konzept geht voll auf, wie man derzeit in der Stadtgalerie sehen kann. Während Noé Duboutay, ein in Berlin und Luxemburg lebender Performancekünstler und Autor, Sophia Lökenhoff, ebenfalls aus Berlin, ausgewählt hat, lud Darja Lindner die ebenfalls aus Saarbrücken stammende Hannah Mevis ein.
„Ziel ist es, die regionale Vernetzung benachbarter Kunstszenen und verschiedener Fachbereiche zu fördern.“Katharina Ritter Leiterin der Stadtgalerie Saarbrücken
Bereits im Dezember haben sich die vier Kunstschaffenden zu einem dreiwöchigen Arbeitsaufenthalt im Kulturzentrum Abtei Neumünster in Luxemburg getroffen, um sich kennenzulernen, aber auch, um dort ein gemeinsames Konzept für die Ausstellungen in Saarbrücken und in Luxemburg zu erarbeiten, unter dem die individuelle Arbeit aber nicht leiden soll.
„Und wir haben schnell eine Lösung gefunden“, sagt Sophia Lökenhoff. Man merkt der kleinen Gruppe an, dass sie nicht nur schnell ein Konzept gefunden hat, sondern dass die Mitglieder sich auch wirklich gut verstehen. Es wird viel gelacht.
Kein Wunder, denn sowohl Noé Duboutay als auch Darja Lindner und Hannah Mevis kennen sich schon länger, haben gemeinsam an der Hochschule der Bildenden Künste, HBK Saar, studiert und sich auch gemeinsam im Neuen Saarbrücker Kunstverein engagiert. Das verbindet.
Und Sophia Lökenhoff passt prima dazu. Seit dem 18. Februar und noch bis zum 10. März arbeiten die vier nun in der Stadtgalerie nicht nur an ihren künstlerischen Werken, sondern auch an der Präsentation der späteren Ausstellungen in Saarbrücken und Luxemburg.
Sie müssen daher genug Kunstwerke erarbeiten, die in zwei ähnlichen, aber doch auch unterschiedlichen Ausstellungen ihre Arbeit repräsentieren. Und das Ganze zu einem gemeinsamen Thema. „Die Ausstellung wird ,Gossip matters hard to grasp' heißen“, erklärt Hannah Mevis. Und
dann fügt sie hinzu, dass das Wort „Gossip“, zu Deutsch Tratsch oder Klatsch, bis zum 14. Jahrhundert einen weiteren Sinn hatte. Denn es bezeichnete den Wissensaustausch von vertrauten Personen, meist Frauen, die nicht familiär verbunden waren, Wahrheiten und Weisheiten tauschten. „Erst mit dem Aufkommen des Kapitalismus und der damit verbundenen Abwertung des Wissens weiblich gelesener Personen veränderte sich die Bedeutung des Wortes in Richtung informelles Geschwätz“, erklärt Hannah Mevis.
Unter diesem ursprünglichen Motiv arbeiten die vier jungen Kunstschaffenden derzeit in der oberen Etage der Stadtgalerie an vier verschiedenen Arbeitsplätzen und einem gemeinsamen Tisch. „Das ist unser Gossip-Tisch“, sagt dann auch Darja Lindner und lacht.
Die künstlerische Arbeit ist noch im Prozess, vieles wird noch ausprobiert, erarbeitet und gestaltet. Aber
die Themen sind bereits klar. So beschäftigt sich Darja Lindner aktuell mit dem Echthaarmarkt und dem damit einhergehenden Rassismus. Sophia Lökenhoff ist dagegen von einer von Silberfischen zerfressenen Fotografie einer Mondlandschaft inspiriert, arbeitet aber auch viel mit Abformungen des eigenen Körpers.
Und Noé Duboutay beschäftigt sich mit Transidentitäten, wird eine Installation erarbeiten, in der auch ein Ritter vorkommen soll. Für Hannah Mevis ist das Ganze etwas schwieriger, hat sie doch gerade erst ihre Einzelausstellung „Erschöpfung“in der Stadtgalerie abgebaut.
Aber auch jetzt wird sie sich künstlerisch mit dem Körper beschäftigen, ihn diesmal auf einer poetischeren Ebene darstellen. Neben den künstlerischen Werken müssen die vier auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die Dokumentation und das Vermittlungsprogramm erarbeiten.
So ist schon abzusehen, dass sie
nach der Residenzzeit in der Stadtgalerie an ihren künstlerischen Werken weiterarbeiten müssen, bevor sie sich Mitte April in der Stadtgalerie wiedertreffen und ihre Artmix-Ausstellungen in Luxemburg und in Saarbrücken gemeinsam aufbauen.