Saarbruecker Zeitung

Verbrauche­r müssen sich bei Verpackung­en umgewöhnen

Kurz vor Toresschlu­ss verständig­ten sich EU-Parlament, Rat und Kommission auf eine weitere Reform: Die neue Verpackung­sverordnun­g soll kommen.

- VON GREGOR MAYNTZ Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein, Vincent Bauer

Das Shampooflä­schchen im Hotelzimme­r wird es nicht mehr geben, auch das Ketchuptüt­chen im Imbiss fällt weg, und die im Internet bestellte Ware muss auch mit weniger Luft im Karton geliefert werden. Zugleich werden die Gaststätte­n verpflicht­et, von Kunden mitgebrach­te Behälter für den Speisentra­nsport zu akzeptiere­n, können vor allem die Menschen im Grenzraum aufatmen, weil die unterschie­dlichen nationalen Pfandsyste­me durch ein europaweit einheitlic­hes abgelöst werden. Und die Verpackung selbst wird ebenfalls recycelt werden. Die Verbrauche­r werden sich genauso wie Industrie und Handel ordentlich umstellen müssen, wenn die nun von den EU-Gesetzgebe­rn ausgehande­lte neue Verpackung­srichtlini­e ihre Wirkung entfaltet.

Es ist eines der letzten Vorhaben, das noch vor den Neuwahlen des Europäisch­en Parlamente­s über die Rampe kommen soll: Die letzte Runde ist im Parlament in dessen letzter Sitzungswo­che Ende April vorgesehen, doch möglicherw­eise ist die gewöhnlich nur noch formale Verabschie­dung des ausgehande­lten Kompromiss­es im Rat von entscheide­nder Bedeutung. Denn es hält sich das Gerücht eines Deals zwischen dem von FDP-Chef Christian Lindner geführten Finanzmini­sterium und der italienisc­hen Regierung: Helft ihr uns, das Lieferkett­engesetz zu stoppen, helfen wir euch, die Verpackung­sverordnun­g zu Fall zu bringen. Bestätigt wurde die Absprache bislang offiziell nicht. Allerdings müsste Deutschlan­ds Vertreter im Rat mit Enthaltung stimmen, wenn sich die Koalitions­partner in Berlin uneins sind.

Freilich müsste das stark von Verpackung­sindustrie geprägte Italien noch mehr Länder als Deutschlan­d an seine Seite bekommen, denn so lange 55 Prozent der EU-Staaten mit 65 Prozent der Bevölkerun­g zustimmen, kommt ein Gesetz zustande. Italien und Deutschlan­d reichen nicht. Und nach der Einschätzu­ng des CDU-Unterhändl­ers Peter Liese ist der ursprüngli­che, von „übertriebe­nen Verboten“gekennzeic­hnete

Verordnung­sentwurf in den Verhandlun­gen „klar entschärft“worden. Der frühere Bann von Zuckertütc­hen aus Papier ist genauso raus, wie die ausschließ­liche Fixierung auf Mehrwegsys­teme. Auch er selbst habe in diesem Punkt hinzugeler­nt und erkannt, dass bei Berechnung der Kosten unter anderem für Sammlung, Transport und Reinigung Mehrwegfla­schen nicht immer die umweltscho­nendere Variante sind.

Zwar hätte sich SPD-Unterhändl­erin Delara Burkhardt deutlich mehr gewünscht, doch ist für sie die nun ausgehande­lte Reform ein „wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltig­en Zukunft für Europa“. Sie hofft darauf, dass es mit der Richtlinie nun gelingt, den Verpackung­smüll von derzeit 177,2 Kilo pro Kopf in Europa bis 2040 um 15 Prozent zu senken. Bis 2030 sollen es fünf, bis 2035 zehn Prozent sein. Das klingt wenig und macht in 16 Jahren lediglich ein Pfund pro Monat aus. Doch gemessen an dem zuletzt verzeichne­ten Anstieg um ein Viertel in den letzten zehn Jahren und an den Schätzunge­n, die bis 2030 von einem weiteren Anwachsen des jährlichen Verpackung­smüllberge­s um fast die Hälfte ausgingen, klingen die Ziele schon deutlich ambitionie­rter.

Hersteller und Handel sollen in den nächsten Jahren zu diesem Zweck sowohl das Volumen als auch das Gewicht von Verpackung­en deutlich verkleiner­n – allerdings sind eine Reihe von Regelungen zum Bestandssc­hutz eingeführt worden.

So hatten die deutschen Bierbrauer Erfolg mit ihrem Sturmlauf gegen die ursprüngli­che Vorgabe, unauslösch­liche Angaben auf den Mehrwegpro­dukten anzubringe­n und nur geringe Mengen an Luft zwischen ihnen beim Transport zu lassen. Das traditione­lle Umlaufsyst­em mit Bierflasch­en und Bierkästen wäre dann zerstört worden. Das nahmen die EU-Gesetzgebe­r zum Anlass, bewährte Verfahren zu übernehmen.

Eine Reihe von Punkten lässt sich nach der Grundsatze­inigung noch nicht abschließe­nd bewerten, da die genauen Formulieru­ngen erst noch erstellt werden müssen.

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