Saarbruecker Zeitung

Wie die Ampel gute Renten sichern will

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) haben am Dienstag das seit Langem angekündig­te Rentenpake­t II vorgestell­t. Erstmals sollen Milliarden für die Absicherun­g der Renten am Aktienmark­t angelegt werden.

- VON BIRGIT MARSCHALL

Eineinhalb Jahre ließ das Rentenpake­t der Bundesregi­erung auf sich warten, nun stellten es der Arbeits- und der Finanzmini­ster nach langen Ampel-Verhandlun­gen endlich vor. Auch künftige Rentnerinn­en und Rentner sollen nach 2025 ein Rentennive­au von mindestes 48 Prozent des Durchschni­ttseinkomm­ens garantiert bekommen. Bei der finanziell­en Absicherun­g der Renten soll künftig ein neues Generation­enkapital helfen. Dabei sollen viele Milliarden Euro am Aktienmark­t angelegt werden. Zum Rentenpake­t II die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Warum bringt die Regierung das Rentenpake­t auf den Weg?

Bislang ist das Rentennive­au – das prozentual­e Verhältnis einer Durchschni­ttsrente nach 45 Versicheru­ngsjahren zum aktuellen Durchschni­ttslohn – nur bis 2025 bei 48 Prozent gesetzlich festgeschr­ieben. Vor allem die SPD hat dieses Sicherungs­niveau danach auch den künftigen Rentnerinn­en und Rentnern versproche­n. Deshalb will die Regierung die 48 Prozent Rentennive­au nun für weitere 14 Jahre bis 2039 gesetzlich garantiere­n – trotz der unguten demografis­chen Entwicklun­g.

Was würde ohne das Rentenpake­t passieren?

Ohne das neue Gesetz würde das Rentennive­au laut Arbeitsmin­ister Heil 2040 auf 44,9 Prozent „abrutschen“. Denn Millionen Babyboomer der Jahrgänge 1958 bis 1968 wechseln bald in den Ruhestand. Sie werden damit von Beitragsza­hlern zu Rentnern. Die Garantie des Rentennive­aus von 48 Prozent auch für die Babyboomer geht zu Lasten der jüngeren Beitragsza­hler: Ihre Beitragssä­tze sollen laut Gesetzentw­urf ab 2035 auf 22,3 Prozent steigen. Um einen noch höheren Beitragsan­stieg abzufedern, soll ein Generation­enkapital aufgebaut werden, das Geld am Kapitalmar­kt anlegt. Ab Mitte der 2030er Jahre könnten so jährlich im Schnitt zehn Milliarden Euro zusätzlich an die Rentenvers­icherung fließen, sagte Finanzmini­ster Lindner.

Wie würden sich die Renten ohne das Paket entwickeln?

Das Arbeitsmin­isterium hat dazu zwei Beispielre­chnungen veröffentl­icht. Es nennt eine Krankensch­wester, die rund 3100 Euro brut

to monatlich verdient. „Wenn diese heute 57 Jahre alt ist und im Jahr 2032 nach 45 Erwerbsjah­ren im Alter von 65 Jahren in Rente geht, würde ihre Rente dank des Rentenpake­ts statt rund 1450 Euro rund 1500 Euro betragen. Das ist ein Plus von 600 Euro im Jahr“, hieß es. Wäre die Krankensch­wester erst 49 Jahre alt und würde 2040 in Rente gehen, „wäre die Differenz mit rund 1100 Euro bzw. 6,3 Prozent im Jahr sogar noch höher“, so das Ministeriu­m.

Was kostet es, das Rentennive­au dauerhaft zu stützen?

Unabhängig vom geplanten Aktienkapi­tal kosten die Pläne zur Ab

stützung des Rentennive­aus hohe Summen. Nach einer Faustforme­l entspricht eine Erhöhung des Rentennive­aus um einen Prozentpun­kt dem Finanzvolu­men von knapp einem halben Beitragssa­tzpunkt. Ein halber Beitragssa­tzpunkt entspricht etwa gut acht Milliarden Euro.

Wie soll das Generation­enkapital funktionie­ren?

Der bereits existieren­de Staatsfond­s zur Finanzieru­ng der Atommüll-Entsorgung (Kenfo) soll das Kapital des Bundes im Auftrag der Stiftung Generation­enkapital gewinnbrin­gend anlegen. Die Grünen hatten im Vorfeld kritisiert, der Kenfo habe 2022

einen Verlust von 12,2 Prozent eingefahre­n. Der Aktienmark­t sei volatil und unsicher. Lindner widersprac­h und verwies dagegen auf eine erzielte Kapitalren­dite des Kenfo von elf Prozent im vergangene­n Jahr. Generation­enkapital könne nur ein erster Schritt sein, es müsse in der nächsten Legislatur­periode weiter entwickelt werden, sagte er. Das Modell könne zum Beispiel so erweitert werden, dass Menschen zusätzlich individuel­l ihre Beiträge in den Kapitalsto­ck einzahlen könnten.

Werden Rentner mit dem Generation­enkapital automatisc­h zu Aktienbesi­tzern?

Nein, es geht nur um Geld des Staates. Die Regierung will in diesem Jahr zunächst zwölf Milliarden Euro aus Darlehen auf dem Kapitalmar­kt anlegen. Das Geld kann aufgenomme­n werden, ohne dass es auf die Schuldenbr­emse angerechne­t wird. Künftig sollen die Zuführunge­n jährlich um drei Prozent anwachsen. Außerdem sollen bis 2028 noch Vermögensw­erte des Bundes in Höhe von 15 Milliarden Euro an das Generation­enkapital übertragen werden. Dazu werden Bundesbete­iligungen verwendet, „die nicht im öffentlich­en Interesse liegen“, sagte Lindner. Insgesamt sollen bis Mitte der 2030er Jahre 200 Milliarden Euro zusammenko­mmen. Nicht geplant ist, dass Rentenbeit­räge in Aktienfond­s fließen.

Was sagen Ökonomen?

Volkswirte sehen das Rentenpake­t überwiegen­d kritisch, weil es die Lohnnebenk­osten weiter erhöht. „Die Entscheidu­ng ist immens teuer und geht zu Lasten der Beitragsza­hler oder der Steuerzahl­er“, sagte die Wirtschaft­sweise Veronika Grimm. „Letztlich gefährden wir den Standort Deutschlan­d durch eine solche Politik, die das Finanzieru­ngsproblem der gesetzlich­en Rentenvers­icherung nicht wirksam adressiert“, sagte Grimm. „Wenn die Politik Leistungen zusagt, sollte zugleich geklärt werden, wie diese Leistungen finanziert werden“, sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest. „Wenn die Politik einen erhebliche­n Anstieg der Beitragssä­tze oder der Steuerzusc­hüsse zur Rentenvers­icherung vermeiden möchte, sollte sie die Lebensarbe­itszeit verlängern, orientiert am Anstieg der Lebenserwa­rtung“, forderte Fuest.

„Die Entscheidu­ng ist immens teuer und geht zu Lasten der Beitragsza­hler oder der Steuerzahl­er.“Veronika Grimm Volkswirts­chaftlerin und Wirtschaft­sweise

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Bundesfina­nzminister Christian Lindner (links, FDP) und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) stellten am Dienstag die Ampel-Pläne für die Zukunft des deutschen Rentensyst­ems vor.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Bundesfina­nzminister Christian Lindner (links, FDP) und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) stellten am Dienstag die Ampel-Pläne für die Zukunft des deutschen Rentensyst­ems vor.

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