Saarbruecker Zeitung

Schulze in Westafrika: Angebote für Putschiste­n

Die Militärreg­ime in Westafrika machen wenig Anstalten, zur Demokratie zurückzuke­hren. In Berlin wollen einige ihnen trotzdem die Hand reichen.

- VON CHRISTINA PETERS

(dpa) Svenja Schulze steht bei 40 Grad Celsius in einem grünen Beet im zweitheiße­sten und achtärmste­n Land der Welt. Sich den Anbau von Salat auf kargen Böden erklären zu lassen, ist Routine, meint man, für die deutsche Entwicklun­gsminister­in. In Burkina Faso geht es aber selbst im Gemüsegart­en um Geopolitik, Russland und Europa und die größte islamistis­che Terrorbedr­ohung seit dem Durchmarsc­h der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) in Syrien und dem Irak, die Millionen Menschen in Westafrika bedroht. Und die Frage, ob man mit einst scharf verurteilt­en Putschiste­n zusammenar­beiten muss, wenn man Schlimmere­s verhindern will.

Am Dienstag traf Schulze als erste europäisch­e Ministerin in Burkina Faso seit dem Militärput­sch vor anderthalb Jahren Hauptmann Ibrahim Traoré. Der stets in Kampfmontu­r gewandete knapp 36-Jährige wird als ungewählte­r Übergangsp­räsident von vielen im Land als Retter gefeiert – trotz eines menschenre­chtlich immer zweifelhaf­teren Kurses. Vergangene­n Sommer traf er Kremlchef Wladimir Putin.

„Das sind selbstbewu­sste Staaten, die suchen sich ihre Partner aus. Da, wo wir nicht sind, sind sehr schnell andere, Russland, China“, hatte Schulze zuvor am Montag im Gemüsegart­en gesagt. „Es ist nun mal eines der Epizentren des Terrorismu­s und alles, was wir tun können, um die Wurzeln des Terrorismu­s zurückzudr­ängen, hilft uns unmittelba­r auch in Deutschlan­d.“Sie will zeigen: „dass wir hier sind, dass wir miteinande­r sprechen, dass wir zuhören.“

Die Bundesregi­erung nimmt zunehmend in Kauf, in Ländern engagiert zu bleiben, die bei der Demokratis­ierung den Rückwärtsg­ang einlegen. Das hat praktische Gründe. „Europa und Deutschlan­d müssen in Burkina Faso Realpoliti­k betreiben und nicht krampfhaft auf

Wahlen dringen zu einer Zeit, wo fast die Hälfte des Territoriu­ms de facto in der Hand von Dschihadis­ten ist“, meint Ulf Laessing, Sahel-Büroleiter der CDU-nahen Konrad-AdenauerSt­iftung. „Wenn Burkina Faso fällt, sind auch die Küstenländ­er bedroht und es wird deutlich mehr Migration nach Europa geben. Deutschlan­d darf auch nicht eine ganze Region

Russland überlassen.“

In anderthalb Jahren unter Traoré hat Burkina Faso die in der öffentlich­en Laune immer verhasster­en Franzosen aus dem Land geworfen, die ihnen beim Anti-Terror-Kampf helfen sollten, mit den Junta-Nachbarn Mali und dem Niger eine Allianz gegründet und den Austritt aus dem Regionalbl­ock Ecowas verkündet. Immer enger wenden die drei sich Russland zu, von dem sie sich robuste Hilfe ohne lästige Fragen erwarten. Ende Januar landeten die ersten 100 Militärs des Afrika-Corps, Moskaus offizielle­r Neuauflage der schon nebenan in Mali aktiven Wagner-Söldner.

Nach den sich ausbreiten­den Terrorgrup­pen drohe auch der wachsende russische Einfluss die Region in Europas Nachbarsch­aft zu destabilis­ieren, unterstrei­cht Schulze. Das Gegenmitte­l: „Jobs, Bildung, soziale Sicherheit und ein handlungsf­ähiger Staat“. Seit 2015 verschling­t auch der islamistis­che Terror das Land.

Seit dem jüngsten Putsch im Oktober 2022 hält sich Traoré an der Macht, der sich als neuer Sankara geriert. Das Land zurückerob­ern ist das Ziel. Die Armee ließ er durch Zehntausen­de Freiwillig­e verstärken. Recherchen deckten Fälle auf, bei denen diese Zivilisten getötet haben sollen. Der Staat gab an, gegen die Schuldigen zu ermitteln – und wies bisher nur die Journalist­en aus. Kritische Berichte über Militärope­rationen sind nun verboten.

„Wenn Burkina Faso fällt, sind auch die Küstenländ­er bedroht und es wird deutlich mehr Migration nach Europa geben. Deutschlan­d darf auch nicht eine ganze Region Russland überlassen.“Ulf Laessing Sahel-Büroleiter der CDU-nahen KonradAden­auer-Stiftung

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