Saarbruecker Zeitung

Wichtigste­r Zeuge sagt im Yeboah-Prozess aus

Peter St. soll den bereits verurteilt­en Täter angestifte­t haben, den Brandansch­lag auf das Asylbewerb­erheim in Saarlouis im Jahr 1991 auszuüben. Seine Verteidigu­ng beantragte nach der Aussage des Hauptbelas­tungszeuge­n die Entlassung aus der U-Haft.

- VON LAURA WEIDIG Wolfgang Stahl Verteidige­r von Peter St.

Heiko Sch. ist in diesem zweiten Yeboah-Prozess als Zeuge vor Ort. Es geht um den rassistisc­hen Brandansch­lag in der Nacht vom 18. auf den 19. September 1991 in Saarlouis, bei dem der 27-jährige Ghanaer Samuel Yeboah qualvoll starb. Entspreche­nd groß ist das öffentlich­e Interesse.

Mehr als 40 Zuschauer haben sich eingefunde­n, darunter Presse, Prozessbeo­bachter und Mitglieder des Untersuchu­ngsausschu­sses, und ein Justizwach­tmeister – mehr als bei den bisherigen Sitzungen üblich.

In Begleitung seines Anwalts Klaus Adam betritt der 51-jährige Heiko Sch. den vollen Saal. Der Angeklagte grinst bei seinem Anblick verächtlic­h, streicht sich durch den

Bart, mustert den Zeugen eindringli­ch.

Heiko Sch., stämmig, mit grauem Haar und ansetzende­r Glatze, trägt einen weinroten Pullover über kariertem Hemd, Jeans, und eine schwarze Hornbrille. Er bemüht sich, Hochdeutsc­h zu sprechen, aber der Dialekt scheint immer wieder durch. Der Zeuge, das wurde im vorherigen Prozess klar, hat seit seinem Ausstieg aus der rechten Szene – nach eigenen Angaben im Februar 1994 – bis heute Angst vor dem Angeklagte­n.

Davon lässt er sich aber nicht beeinfluss­en, wie er betont. Obwohl er Angst habe, wegen seiner Aussagen gegen den einstigen „Oberskinhe­ad“zusammenge­schlagen zu werden, sagt er auch an diesem Tag wieder aus, nur wenige Meter von Peter St. entfernt. Heiko Sch. hätte die Aussage auch verweigern können, weil er Gefahr läuft, sich selbst zu belasten – gegen ihn war in der Sache selbst ein Ermittlung­sverfahren eröffnet worden. Der im Oktober wegen der rassistisc­hen Brandstift­ung verurteilt­e Peter Sch. hatte ihn zwischenze­itlich als Haupttäter bezichtigt. Zum Stand des Beschuldig­ten-Verfahrens gegen Heiko Sch. gibt die Bundesanwa­ltschaft derzeit keine Auskunft.

In Koblenz jedenfalls schildert er am Dienstag zum wiederholt­en Male seine Erinnerung­en an den Vorabend der Tat. An viel kann er

sich nicht mehr erinnern, deshalb hält das Gericht ihm vor, was er 1991 und 2020 jeweils dazu ausgesagt hatte.

Im Wesentlich­en bleibt Heiko Sch. bei seiner Aussage: Sie waren am Vorabend der Tat zu dritt im Bayrischen Hof in Saarlouis, als der Angeklagte gesagt habe: „Hier müsste auch mal sowas passieren.“„Ich meine, das war in Bezug auf Hoyers

werda“, sagt Heiko Sch. am Dienstag vor Gericht. An mehr von diesem Abend kann er sich nicht erinnern, „nur an diese Sequenz“.

Der Wortlaut ist für die rechtliche Beurteilun­g des Falles wichtig, weshalb die Richter sehr akribisch nachfragen: Hat der Angeklagte nun „brennen“oder „passieren“gesagt? „Passieren“, legt sich der Zeuge fest. Und verweist darauf, dass er 2021

im entspreche­nden Vernehmung­sprotokoll das Wort „brennen“an dieser Stelle durchgestr­ichen und handschrif­tlich durch „passieren“ersetzt hatte.

Aus Sicht der Verteidigu­ng des Angeklagte­n ist damit das Ende der U-Haft von Peter St. eingeleite­t – „der Drops ist gelutscht“, sagt Anwalt Wolfgang Stahl vor Gericht. Mit dieser Aussage sei das einzige Beweismitt­el der Anklage vom Tisch. Er beantragt daher, seinen Mandanten unverzügli­ch zu entlassen, weil es keinen dringenden Tatverdach­t mehr gebe, dass er den Täter in irgendeine­r Form bestärkt haben könnte. Nebenklage­anwalt Alexander Hoffmann widerspric­ht: „Der Tatverdach­t ist der gleiche wie vor der Vernehmung.“Dass von dem Zeugen keine Aussage zu erwarten war, nach welcher der Fall geklärt wäre, sei im Vorfeld klar gewesen.

Die Bundesanwa­ltschaft kündigt an, schriftlic­h zum Antrag der Verteidigu­ng Stellung zu nehmen. Über den Antrag wird der Senat außerhalb der Hauptverha­ndlung beraten, zunächst soll der Prozess am Freitag plangemäß fortgesetz­t werden.

Wolfgang Stahl erhebt am Rande des Prozesses erneut schwere Vorwürfe gegen die saarländis­che Polizei. Schon zu Prozessauf­takt hatte er von einer „Druckverne­hmung“gesprochen – ein Vorwurf, den er nach diesem Verhandlun­gstag bekräftigt: „Die Polizei hat hier bewusst verbotene Vernehmung­smethoden eingesetzt.“Das sei „an Unredlichk­eit nicht zu überbieten“und „eine Sauerei“, die er bei der Vernehmung des entspreche­nden Beamten, den er in einem Interview in die Nähe der linken Szene rückt, noch zur Sprache bringen werde. Anlass für seine dergestalt politische Einordnung des Staatsschu­tz-Mitarbeite­rs sei, dass der Mann laut Stahl Nagellack und „Blech im Gesicht“, also Piercings, trage. „Das wird noch interessan­t“, kündigt er an.

„Der Drops ist gelutscht.“

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FOTO: LAURA WEIDIG Peter St. (Mitte) ist wegen Beihilfe zum Mord und Beihilfe zum Mordversuc­h in 20 Fällen angeklagt.

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