Das Saarland als großes Lesezimmer
Das saarländische Literaturfestival „erLesen!“geht in die sechste Runde – mit neuen Spielorten und einem neuen Kooperationspartner.
Ein Astronaut, ein Papst – und Franz Kafka. Das Festival „erLesen! – Literaturtage im Saarland“schlägt thematisch einen weiten Bogen. Es ist die sechste Ausgabe der Veranstaltungsreihe, wie üblich selbst organisiert und kuratiert von Buchhändlerinnen, Buchhändlern und Verlagen im Saarland, unterstützt vom Börsenverein des deutschen Buchhandels. Vom 12. bis 24. April werden um die 40 Veranstaltungen im gesamten Saarland geboten, zwischen Wadern und Saarbrücken, Dillingen und Homburg.
Offizieller Start ist am 12. April in der Stummschen Reithalle in Neunkirchen mit Daniel Speck und seinem Generationen- und Indienroman „Yogatown“. Der Eröffnungstag ist gut gefüllt – wer sich weniger für Indien und mehr für den Weltraum interessiert, kann sich im St. Wendeler Saalbau einen MultimediaVortrag des saarländischen Astronauten Matthias Maurer anhören. Erdverbundener ist da die Autobiografie von Heinz Rudolf Kunze – der wird „Werdegang“am Eröffnungstag im Saarbrücker Schloss auch musikalisch vorstellen.
Neue Spielorte gibt es: etwa die Rohrbacher Mühle, wo der saarländische Autor Frank P. Meyer am 19. April aus seinem Kolumnenband „Okay, Boomer“lesen wird, der sich mit den Widrigkeiten der Moderne für manche Menschen mittleren Alters beschäftigt. Erstmals dabei ist auch das Saarbrücker Filmhaus, passenderweise, denn Emanuel Bergmanns Roman „Tahara“(19. April) über eine stürmische Romanze beginnt beim Filmfestival in Cannes. Ein neuer Lese-Ort ist auch ABS Bücher am Rotenbühl in Saarbrücken – dort wird am 23. April die Autorin und Kafka-Kennerin Alena Wagnerová („Die Familie Kafka aus Prag“) über den Prager Schriftsteller sprechen, dessen Todestag sich im Juni zum 100. Mal jährt. Der Abend ist überschrieben mit „Franz Kafka und die Prager Unfallversicherung“– dort verdiente der Autor einst seine sprichwörtlichen Brötchen. Eine der interessantesten Lesungen dürfte
die von Michael Krüger bei der Stiftung Demokratie Saarland in Saarbrücken sein (16. April). Krüger, als Kritiker, Dichter, Übersetzer, Lektor und langjähriger Leiter des Hanser Verlags bekannt, stellt seinen anekdoten- und beobachtungsreichen Erinnerungsband „Verabredung mit Dichtern“vor.
Ein neuer Kooperationspartner von „erLesen!“ist die Europäische Kinder- und Jugendbuchmesse: Bei einer Lesung für die ganze Familie mit Sven Gerhardt („Der fabelhafte Herr Blomster“) im Saarlouiser Theater am Ring (20. April) tut man sich zusammen – im Gegenzug wird „erLesen!“wohl bei einer Comic-Veranstaltung der Saarbrücker Messe im Oktober mit im Boot sein. Für Kinder gibt es auch eine Bilderbuchlesung („Cara, der Schlammfisch“) am 20. April in der Buchhandlung Friedrich in St. Ingbert (Eintritt frei); zudem hat „erLesen!“seine Veranstaltungen für Schulklassen
erweitert – in Saarbrücken gibt es wie üblich Lesungen auf dem Theaterschiff Maria-Helena, aber auch in Wadern, Lebach, Neunkirchen und Limbach: Zum „Welttag des Buches“am 23. April sind dort die Autorin Juma Kliebenstein und der Illustrator Timo Grubing unterwegs.
Historisch wird es, wenn Patrick Trautmann am 16. April in der Buchhandlung Friedrich in St. Ingbert einen Vortrag über die Varusschlacht hält (freier Eintritt) und die Herausgeber Hans-Günter Pfeifer und Norbert Schöndorf aus ihrem Band „Der verkannte Papst: Paul VI. – Ein Heiliger der Moderne“lesen, am 20. April in der Stadtbibliothek Saarlouis (Eintritt frei). Wie bewährt kann man sich in der Roten Zora in Merzig während „erLesen!“eine Ausstellung mit jenen 25 Bändern anschauen, die von der Stiftung Buchkunst für ihre Gestaltung und Konzeption zu den „Schönsten Deutschen Büchern 2023“prämiert
wurden (schon ab 12. April).
Einige bekannte Autorinnen und Autoren, deren Bücher bisweilen mit dem marketingfreundlichen „Spiegel Besteller“-Aufkleber geschmückt sind, reisen an: Thommie Bayer liest bei Bock & Seip in Merzig (14. April) aus dem Roman „Einer fehlt“, einen Tag später stellt Mario Giordano im Saarbrücker VHS-Saal „Die Frauen der Familie“vor; die Historikerin und Autorin Karina Urbach liest am 22. April im Theater am Ring aus ihrem Spionageroman „Das Haus am Gordon Place“. Elena Fischers Roman „Paradise Garden“wurde 2023 für den Buchpreis nominiert – die Autorin liest daraus am 19. April im lauschigen Gärtchen der VHS Lebach; bei Regen oder Kälte geht es in die VHS. Ein Bestseller, noch dazu hoch gelobt, ist der Freundschaftsund Europa-Roman „Lichtungen“von Iris Wolff; die Autorin, die 2022 in Saarbrücken die traditionelle Rede an die Abiturienten hielt, liest
aus „Lichtungen“am 17. April in den Lichtspielen Wadern.
Eine nette Geste im Programmheft: „erLesen“weist auf die anderen regionalen Literaturveranstaltungen hin, etwa die HomBuch im September. Als Konkurrenz sieht man sich eben nicht, sagen die Organisatoren, zumal es ohnehin Überschneidungen gibt – die Waderner Buchwoche im September etwa wird von Buchhändlerin Bea Schmitt (Bücherhütte Wadern) auf den Weg gebracht, die auch im Team von „erLesen!“ist; und der Dillinger „Drachenwinkel“ist beim Buchmesse Saar-Festival Ende Mai/Anfang Juni dabei.
Das Festival endet wieder in der Illinger Illipse, wo 2023 Elke Heidenreich das Finale bestritt. Diesmal tritt Rafik Schami auf und bringt seinen jüngsten Band mit, dessen Titel gut zu ihm passt: „Wenn du erzählst, erblüht die Wüste“. Denn Schami wird wie gewohnt nicht lesen, sondern erzählen – das Finale ist eine Benefizveranstaltung für den Saarbrücker Verein Dar-In, der sich um kulturellen Austausch bemüht.