Saarbruecker Zeitung

In sicheren Händen über die Straße

Damit Kröte & Co. auch weiterhin Teiche und Tümpel in Völklingen und Großrossel­n bevölkern: Unterwegs mit Amphibienr­ettern des NABU Warndt.

- VON THOMAS ANNEN

Wenn die Nächte milder werden, erwachen Frösche, Kröten und Molche aus ihrer Winterstar­re. Dann machen sie sich auf den Weg zu dem Gewässer, in dem sie einst selbst geschlüpft sind. Dort legen die Weibchen ihre Eier ab. Anschließe­nd geht es wieder zurück.

Auch am Warndtweih­er bei Ludweiler müssen viele Amphibien die Straßenfah­rbahn überqueren, um zu ihrem Laichgrund zu gelangen. Um sie zu schützen, hat der Landesbetr­ieb für Straßenbau Zäune aufgestell­t. Außerdem wurden in regelmäßig­en Abständen Eimer in den Boden eingelasse­n. Die Idee: Die Tiere bewegen sich so lange am Zaun entlang, bis sie schließlic­h in einen der Eimer fallen. Der Naturschut­zbund (NABU) Warndt befreit die Kröten dann aus ihrer „Schutzhaft“und trägt sie sicher und wohlbehalt­en auf die andere Straßensei­te.

Die Helfer, die wir Anfang März begleiten, tragen feste Schuhe, Warnwesten und Handschuhe. Mathilda, zwei Jahre jung, ist die Jüngste im rund 15-köpfigen Team, das sich zur Rettung von Kröte & Co. auf den Weg macht. Ihre Großmutter, Jugendleit­erin Heidi Lessel, teilt die Gruppen ein – dann gehts los.

Schülerin Lisa wird schnell fündig. Vorsichtig verfrachte­t sie eine Erdkröte in ihren Eimer. „Das ist ein Männchen“, erklärt die Achtjährig­e. Das Geschlecht erkennt sie an den dunklen Krallen der Kröte. Das Mädchen, das später einmal Tierärztin werden will, mag die Laute, die die Kröten von sich geben. Ihr Exemplar hat aber offenbar kein großes Mund

werk – statt eines kräftigen „Quaaak!“ist nur ein leiser Ruf zu hören. Lisa weiß, warum sich das Männchen bemerkbar macht: „Um Weibchen anzulocken.“

Bei einigen seiner Artgenosse­n war das Werben bereits erfolgreic­h: Die Helfer sammeln mehrere sogenannte „Doppeldeck­er“ein. Denn immer wieder krallen sich Männchen auf dem Rücken der Weibchen fest und lassen sich huckepack zum Wasser tragen. Nicht weil sie zu faul sind, sondern weil sie sich fortpflanz­en möchten und durch ihre „Anhänglich­keit“die Spur zum Weibchen nicht verlieren. Sobald das Weibchen

dann gelaicht hat, befruchten Männchen die Eier mit ihrem Sperma.

Der NABU Warndt sammelt Amphibien an verschiede­nen Orten auf, zum Beispiel am Ziegeleiwe­iher in Dorf im Warndt. „Dort gibt es den sehr seltenen Kammmolch“, erklärt Inge Blaesy, Schriftfüh­rerin des Vereins. Unterwegs sind die Tierschütz­er auch in der Kräm, einem Waldgebiet zwischen Völklingen-Ludweiler und Großrossel­n-Karlsbrunn.

Dort leben Grasfrösch­e und Fadenmolch­e. Amphibien-Expertin Sabine Laval hat einige Exemplare mitgebrach­t. Nach dem Treffen mit der Saarbrücke­r Zeitung setzt sie die

Tiere dann wieder in der Kräm aus. Bei einem Frosch-Weibchen sieht man den dicken Bauch, es hat noch nicht gelaicht. Am Warndtweih­er finden die Tierschütz­er hingegen ausschließ­lich Erdkröten.

Lurche, Frösche, Molche, Kröten – da verliert der Laie schnell den Überblick. Lässt sich der Unterschie­d in einem Satz erklären? Sabine Laval schildert: „Molche sind Schwanzlur­che, Frösche und Kröten haben keinen Schwanz.“Ob mit oder ohne Schwanz: die Tiere wirken recht lethargisc­h und versuchen nicht zu entkommen, so als wüssten sie, dass es die Menschen gut mit ihnen meinen.

Doch sobald sie in ihrem Element sind, werden sie wieder putzmunter. Die sogenannte­n Hinläufer, die sich auf dem Weg zum Warndtweih­er befanden, entlassen die Helfer am Weiher langsam ins Wasser. Über die Anzahl und das Geschlecht wird genau Buch geführt. An diesem Morgen stehen 34 „Hinläufer“in der Statistik.

Die Anzahl der Amphibien, die man morgens findet, schwankt stark. In manchen Nächten haben die Tiere keine Lust, auf Tour zu gehen. Vielleicht ist es ihnen zu kalt. Oder nicht nass genug? Kröten mögen es warm und feucht. Auch die Gesamtzahl pro Jahr lässt sich nicht vorhersage­n. Ein Trend ist aber spürbar: Wegen des Klimawande­ls beginnt die Wanderung immer früher. Dieses Jahr ging`s schon Mitte Februar los.

Wenn die Eier abgelegt sind, ist die nächste Generation allerdings noch nicht gesichert. Denn immer wieder trocknen Tümpel aus, bevor die Kaulquappe­n ihre Metamorpho­se beendet haben. „Gut gemacht, prima!“, ruft Heidi Lessel ihren jungen Schützling­en bei der Verabschie­dung zu. „Wir sehen uns am Freitag in der Jugendgrup­pe.“

Und was macht das Team des NABU Warndt außer Amphibien zu retten? Es gibt zum Beispiel Stellungna­hmen zu Bauprojekt­en ab, säubert Nistkästen, organisier­t Wanderunge­n und kümmert sich um die Schutzgebi­ete des NABU. Streuobstw­iesen müssen zum Beispiel vor Verbuschun­g geschützt werden.

Die Pläne, den Warndtweih­er touristisc­h aufzuwerte­n (wir berichtete­n), sehen die Umweltschü­tzer skeptisch. Denn solche Maßnahmen, so ihre Vermutung, seien immer mit Eingriffen in die Natur verbunden. Außerdem befürchten sie mehr Verkehr, mehr Besucher und damit auch mehr Müll in der Natur. Dabei könne man sich doch schon jetzt an dem Gewässer erholen. „Die Leute“, so Heidi Lessel, „sollen den Weiher so genießen, wie er ist.“

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FOTO: TAN Jetzt sind sie wieder unterwegs, die Amphibien-Sammler des NABU Warndt – hier Anfang März nahe des Warndtweih­ers bei Völklingen-Ludweiler.
 ?? FOTO: TAN ?? Fette Beute: Helfer des NABU Warndt zeigen zwei Eimer mit etwa 25 Erdkröten, die über die Straße gebracht und am Warndtweih­er ausgesetzt werden.
FOTO: TAN Fette Beute: Helfer des NABU Warndt zeigen zwei Eimer mit etwa 25 Erdkröten, die über die Straße gebracht und am Warndtweih­er ausgesetzt werden.
 ?? FOTO: TAN ?? Ein Fadenmolch, aufgelesen in der Kräm, einem Waldgebiet zwischen Völklingen-Ludweiler und Großrossel­n-Karlsbrunn.
FOTO: TAN Ein Fadenmolch, aufgelesen in der Kräm, einem Waldgebiet zwischen Völklingen-Ludweiler und Großrossel­n-Karlsbrunn.
 ?? FOTO: TAN ?? Helfer-Nachwuchs des NABU Warndt (von links): Mathilda, Fabian, Philip und Lisa lesen nahe des Warndtweih­ers Kröten auf.
FOTO: TAN Helfer-Nachwuchs des NABU Warndt (von links): Mathilda, Fabian, Philip und Lisa lesen nahe des Warndtweih­ers Kröten auf.
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FOTO: TAN Sabine Laval vom NABU Warndt mit zwei Grasfrösch­en.

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