Saarbruecker Zeitung

Der „Hero de Janeiro“plant Olympia 4.0

Fünf Monate hat Turner Andreas Toba wegen einer Knieverlet­zung pausiert. Nun feiert er im Weltcup seine Rückkehr.

- VON MARTIN KLOTH

(dpa) Am Ufer des weltgrößte­n Sees bricht Andreas Toba zu einem neuen Abenteuer auf. Nach gut fünfmonati­ger Zwangspaus­e wegen einer Knieverlet­zung feiert der Nestor des deutschen Turn-Teams beim Weltcup in Aserbaidsc­hans Hauptstadt Baku am Kaspischen Meer seine Rückkehr. Sein Ziel: Paris, Olympia 4.0. „Die Olympische­n Spiele sind das größte, was man als Turner erreichen kann, dazu noch die vierten wären für mich ein Traum, der in Erfüllung geht. Das bedeutet einem Sportler so viel, weil man einfach alles für diesen Moment tut“, sagt der 33 Jahre alte Hannoveran­er.

Am 27. September vorigen Jahres war die Erfüllung seines Traumes plötzlich ganz weit weg. Im Abschlusst­raining vor dem Mannschaft­s-Wettkampf der WM im belgischen Antwerpen zog sich Toba bei einer Akrobatikr­eihe am Boden eine zunächst nicht näher definierte Knieverlet­zung zu. Die Folge: Ausgerechn­et beim für die Olympia-Qualifikat­ion entscheide­nden TeamMehrka­mpf war er zum Zuschauen verdammt. Die spätere genaue Untersuchu­ng ergab einen Teilanriss des Kreuzbande­s im rechten Knie. „Die Narben, die in der Seele hinterlass­en werden, sind von außen nicht sichtbar und gerade jetzt, in der wahrschein­lich schwierigs­ten Situation meines Lebens, gibt es wenig Licht am Horizont“, schrieb er damals auf Instagram.

Der Befund war niederschm­etternd für den Turner mit Leib und Seele – aus mehreren Gründen. Er, der personifiz­ierte Teamgeist, konnte seiner Mannschaft nicht helfen bei der Qualifikat­ion für Paris. Als engagierte­r Betreuer, der anfeuerte, Geräte präpariert­e und mit Rat und Tat zur Seite stand, war er dennoch Teil der Riege um Barren-Weltmeiste­r Lukas Dauser, die als WM-Sechste die Olympia-Qua

lifikation meisterte. „So, wie der uns durch die Übungen geschrien hat, das ist unglaublic­h. Er ist der wichtigste Mann. Emotional ist es extrem wichtig, dass Andy hier mit dabei war und auch mit im Innenraum“, sagte der Olympia-Zweite Dauser.

Dass bei Toba erneut das rechte Knie seinen Dienst versagte, rief Erinnerung­en an die Olympische­n Spiele 2016 in Rio de Janeiro wach. Dort hatte er sich just in jenem Gelenk und ebenfalls bei einer Bodenübung das Kreuzband gerissen. Anschließe­nd hatte er trotzdem noch im Team am Pauschenpf­erd geturnt, um das Mannschaft­s-Ergebnis abzusicher­n. Dafür war er als „Hero de Janeiro“gefeiert worden.

Nicht zuletzt war die neuerliche Knieblessu­r der unerfreuli­che Abschluss eines Jahres 2023, das es nicht gut gemeint hatte mit Andreas Toba. Im Juni hatte er sich die linke Schulter ausgekugel­t, gewann aber nur drei Wochen später unter Schmerzen den deutschen Meister-Titel am Reck. „Als ich es gerade wieder geschafft hatte, mich leis

tungsfähig zu machen, passierte die Sache mit dem Knie. Das war bitter, und das zehrt auf Dauer“, gestand er im Interview der „Bild am Sonntag“. „Insgesamt war es einfach ein ganz, ganz ekliges und schwierige­s Jahr für mich.“

Körperlich ist Toba auf dem aufsteigen­den Ast. „Meine körperlich­e Verfassung wird von Tag zu Tag besser, und ich werde stetig fitter“, berichtet er. Und auch seine Selbstzwei­fel hat der EM-Zweite am Reck von 2021 mithilfe seines Umfeldes überwunden. Dabei ging es auch mal herzlich rau zu. Seine Familie, Freunde, Teamkolleg­en und vor allem sein Trainer Adrian Catanoiu hätten ihm geholfen, „indem sie

unaufhörli­ch mich motivieren, für mich da sind, und wenn ich mal ein Tief habe, mir in den Po treten“.

In Baku wird der 33-Jährige von Donnerstag an zunächst in der Qualifikat­ion für die Finals an vier Geräten turnen: Pauschenpf­erd, Ringe, Barren und Reck. Die für die Knie besonders belastende­n Übungen am Boden und am Sprung lässt er weg. „Ich versuche momentan, etwas an meinen Übungen zu feilen und einige Änderungen reinzubrin­gen. Deshalb ist mein Ziel, die Übungen so gut wie möglich zu schaffen und darüber eine gewisse Stabilität zu erlangen, sodass ich mich von Wettkampf zu Wettkampf steigern kann“, sagt Toba.

„Meine körperlich­e Verfassung wird von Tag zu Tag besser, und ich werde stetig fitter.“Andreas Toba deutscher Kunstturne­r

 ?? FOTO: MURAT/DPA ?? Turner Andreas Toba gehört seit mehr als einem Jahrzehnt zu den besten Deutschen, nahm schon an drei Olympische­n Spielen teil. Zwei schwere Knieverlet­zungen setzten ihn schon außer Gefecht, doch der 33-Jährige kämpfte sich immer wieder zurück.
FOTO: MURAT/DPA Turner Andreas Toba gehört seit mehr als einem Jahrzehnt zu den besten Deutschen, nahm schon an drei Olympische­n Spielen teil. Zwei schwere Knieverlet­zungen setzten ihn schon außer Gefecht, doch der 33-Jährige kämpfte sich immer wieder zurück.

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